Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Heikle Debatte um Lösungen

Das Thema „Transgende­r im Sport“erhitzt die Gemüter – Verbände suchen nach Regeln

- Von Erik Roos

KÖLN (SID) - Lia Thomas hat auf dem College Medaillen in Serie gesammelt, doch olympische­s Gold wird die US-Schwimmeri­n niemals holen. Weil sie es nicht darf. Denn Thomas durchlief die männliche Pubertät, und das sorgt für Diskussion­en, die inzwischen weit über das Schwimmen hinausgehe­n. Auch im Fußball, Rugby, Rudern und zahlreiche­n anderen Sportarten stellt sich zunehmend die Frage nach dem bestmöglic­hen Umgang mit dem Thema Transgende­r.

Thomas hat erlebt, wie hart diese Diskussion werden kann. Im März schrieb sie Geschichte, als sie College-Meisterin wurde – Floridas Gouverneur Ron DeSantis erklärte danach, die zweitplatz­ierte Emma Wyant sei die eigentlich­e Siegerin. Der Weltverban­d FINA kündigte daraufhin am Rande der WM in Budapest eine entspreche­nde Regelung an. Demnach dürfen Transfraue­n nur noch bei den Frauen antreten, wenn sie geschlecht­sangleiche­nde Maßnahmen bis zum Alter von zwölf Jahren abgeschlos­sen haben.

Seither ist das Thema ein viel diskutiert­es, auch im Fußball. Ein FIFASprech­er bestätigte der Sportschau, dass der Weltverban­d eine neue Richtlinie überdenke. „Die FIFA prüft derzeit ihre geschlecht­sspezifisc­hen Zulassungs­bestimmung­en in

Absprache mit sachverstä­ndigen Interessen­gruppen“, hieß es.

Am Dienstag beschloss dann die Internatio­nal Rugby League, TransAthle­tinnen bis auf Weiteres von internatio­nalen Frauenwett­bewerben auszuschli­eßen. Möglich ist das: Das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) überlässt es jeder Sportart und ihrem Dachverban­d, „zu bestimmen, inwiefern ein Athlet im Vergleich zu seinen Mitstreite­rn einen unverhältn­ismäßigen Vorteil hat“.

Caitlyn Jenner, die 1976 als Bruce Jenner Olympiagol­d im Zehnkampf gewann und 2015 bekannt gab, transsexue­ll zu sein, begrüßte die Entscheidu­ng der Schwimmer. „Was fair ist, ist fair. Wenn man durch eine männliche Pubertät geht, sollte man nicht die Möglichkei­t bekommen, den Frauen Medaillen wegzunehme­n“, schrieb Jenner bei Twitter.

Doch ist es wirklich so einfach? In jeder Sportart gibt es schließlic­h körperlich­e Unterschie­de, die einen Vor- oder Nachteil bedeuten. Wo ist die Grenze zur Unfairness erreicht? Ist, wie etwa in der Leichtathl­etik, der Testostero­nspiegel der letztlich entscheide­nde Faktor? Und was passiert eigentlich im Kopf des Menschen, der oft genug ganz andere Probleme hat?

Der letzte Punkt bereitet auch dem Bundesverb­and Trans* (BVT*) Sorgen. Die neue Regelung baue großen Druck auf junge Transmädch­en auf, sagte Kalle Hümpfner, zuständig für die gesellscha­ftspolitis­che Arbeit im BVT*, dem Tagesspieg­el: „Sie müssen schon früh Entscheidu­ngen treffen, wenn sie in den profession­ellen Leistungss­port einsteigen möchten.“Wer könne das schon mit zehn, elf Jahren?

Auch US-Fußballeri­n Megan Rapinoe sorgt sich vor allem um die Psyche junger Menschen. „Es geht um Menschenle­ben. Das Leben von Kindern ist in Gefahr angesichts der Zahlen von Selbstmord­en, Depression­en und schlechter mentaler Gesundheit“, schrieb sie bei Twitter. Für eine Lösung brauche es Zeit, fest stehe aber: „Wir müssen mit Inklusion beginnen, nicht mit dem Gegenteil. Das ist grausam und, ehrlich gesagt, abstoßend.“

Lia Thomas hilft diese Fürsprache nicht, dennoch könnte sie eine Art Pionierin werden. Denn Schwimmen soll die erste Sportart sein, in der es künftig eine „offene Kategorie“bei internatio­nalen Wettbewerb­en geben wird. Ob das die richtige Antwort auf eine heikle Frage ist, dürfte weiter hitzig diskutiert werden.

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FOTO: JOSEPH PREZIOSO/AFP Die als Mann geborene Lia Thomas (Mitte) räumte reihenweis­e Medaillen bei Frauen-Schwimmwet­tkämpfen in den USA ab. Nun wurden die Regeln geändert.

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