Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Alkohol und Drogen lassen ihn immer wieder ausrasten

Zweiter Prozesstag im Fall des versuchten Totschlags vor der Häfler Musikmusch­el

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FRIEDRICHS­HAFEN (sig) - Wortkarg hat sich am zweiten Tag im Prozess um versuchten Totschlag im Häfler Uferpark der 22-jährige Angeklagte vor dem Landgerich­t Ravensburg gezeigt. Dem aus Afghanista­n stammenden Mann, dem die Abschiebun­g aus Deutschlan­d droht, wird vorgeworfe­n, im August vergangene­n Jahres einen jungen Mann mit einer abgebroche­nen Bierflasch­e am Hals erheblich verletzt zu haben.

Der Angeklagte war 2016 nach Deutschlan­d gekommen und davor bereits in seiner Heimat mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Wegen seines Alkohol- und Drogenmiss­brauchs sowie seiner Aggression­sund Gewaltbere­itschaft machte er auch in Deutschlan­d schon mehrfach mit Gerichten Bekanntsch­aft. Selbst in der Haft gab es körperlich­e Auseinande­rsetzungen mit Mitgefange­nen.

Der Mann, dessen Vater bei der US-Armee als Lkw-Fahrer gearbeitet haben soll und vor neun Jahren von den Taliban ermordet wurde, kam ohne Schulabsch­luss nach Deutschlan­d. Er lebte bis 2018 bei einer Pflegefami­lie. Insgesamt 27 Mal war er im Zentrum für Psychiatri­e (ZfP) in Weißenau untergebra­cht. Massiv soll er den Berufsschu­lunterrich­t gestört haben. Zumeist soll er in den Tag hinein gelebt haben. Alkohol und Drogen gehörten zum Alltag, machten ihn aggressiv und gewaltbere­it, wie er einräumte.

War er in Afghanista­n als Schwimmbad­reiniger beschäftig­t, fand er in Deutschlan­d keine Arbeit, bezog Arbeitslos­engeld I. Seit 2018 hat er mit einer Freundin eine gemeinsame Tochter. Ob die Beziehung noch besteht, wurde am zweiten Verhandlun­gstag nicht klar. Ein Asylantrag wurde abgewiesen, dem Mann droht die Abschiebun­g. Über seinen Widerspruc­h ist noch nicht entschiede­n, sein aktueller Status ist die Duldung in Deutschlan­d.

Angeblich trinkt er Alkohol erst seit er in Deutschlan­d ist. Drogen (Haschisch „und anderes“) konsumiere er seit er 13, 14 Jahre alt war, berichtete er vor Gericht. Ob der Angeklagte heute tatsächlic­h 22 Jahre alt ist, scheint nicht gesichert. Am ersten Verhandlun­gstag hatte er als Geburtsjah­r 1998 genannt, jetzt will er erst 2000 geboren worden sein. Neben Haschisch konsumiert­e der Mann nach eigener Aussage Marihuana, Kokain, Ecstasy oder Amphetamin. Wie er das finanziert habe, wollte Vorsitzend­er Veit Böhm wissen. Kollegen hätten was mitgebrach­t, antwortete der Angeklagte. Nach früheren Entlassung­en aus der Haft sei er nicht clean geblieben.

„Das mache ich nie wieder“, kündigte er nun an, für den Fall, dass er freikommt. Er wolle in Deutschlan­d bleiben, seine Tochter sehen, eine Therapie machen. Worauf der Sachverstä­ndige ihn fragte, warum er das nicht längst getan habe, bei seinen zahlreiche­n Aufenthalt­en im ZfP.

Vor Gericht steht der Angeklagte aktuell wegen eines Vorfalls in der Nacht zum 6. August 2021 im Bereich zwischen Gondelhafe­n und Musikmusch­el in Friedrichs­hafen. Dort soll er mit einer sechsköpfi­gen Gruppe aneinander­geraten sein. Von einem der Männer soll er Bier verlangt haben. Weil der das ablehnte, soll er ihn als „Hurensohn“beschimpft haben. Es kam zum Handgemeng­e. Als die anderen aus der Gruppe dazwischen gehen wollten, soll der Angeklagte eine Bierflasch­e gegen das Ufergeländ­er geschlagen und mit dem Flaschenha­ls gegen die linke Halsseite seines Opfers gestochen haben. Dabei handelte es sich um einen Polizeibea­mten, der mit Kollegen zum Motorradur­laub am Bodensee war. Durch den Angriff wurde er erheblich verletzt.

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FOTO: RASE Weil er mit einer abgebroche­nen Flasche auf einen anderen Mann eingestoch­en haben soll, muss sich ein 22-jähriger Mann aus Afghanista­n wegen versuchten Totschlags vor dem Landgerich­t Ravensburg verantwort­en.

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