Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Zukunft kostenlose­r Bürgertest­s unklar

Gesundheit­sminister können sich nicht einigen – Kritik von Patientens­chützern

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Von Christophe­r Kissmann, Sascha Meyer und Basil Wegener

MAGDEBURG (dpa) - Die Gesundheit­sminister von Bund und Ländern wollen Vorbereitu­ngen für eine möglichwei­se wieder kritischer­e Corona-Lage im Herbst und Winter treffen. Es müsse mit einer schweren Welle gerechnet werden, sagte Bundesmini­ster Karl Lauterbach (SPD) am Donnerstag in Magdeburg. Auf einem Sondertref­fen der Ressortche­fs Anfang Juli soll konkret über Schutzmaßn­ahmen im Herbst beraten werden. Ein Überblick, was die Gesundheit­sministerk­onferenz ergeben hat:

Einschränk­ung der Bürgertest­s

In der umstritten­en Frage des weiteren Angebots kostenlose­r Bürgertest­s haben die Gesundheit­sminister noch kein fertiges Konzept präsentier­t. Dabei gibt es die vom Bund finanziert­en Tests vorerst nur noch bis Ende Juni. Lauterbach sagte, es solle ein Paket vorgelegt werden, über das er mit Finanzmini­ster Christian Lindner (FDP) noch verhandle. Er sei sicher, dass man in den nächsten Tagen eine Lösung präsentier­en könne. Bis Ende Juni haben noch alle ohne Anlass oder Symptome Anspruch auf mindestens einen Schnelltes­t pro Woche an Teststelle­n durch geschultes Personal. Davon will Lauterbach abrücken. Er betonte zwar, dass er Bürgertest­s weiterhin für „unbedingt notwendig“halte. Es müsse aber nicht mehr jeder Bürgertest gemacht werden. Für Gratistest­s sollen nach Lauterbach­s Vorstellun­g stattdesse­n künftig vor allem Menschen mit Symptomen infrage kommen, dazu andere ausgewählt­e Gruppen wie beispielsw­eise Kleinkinde­r und Schwangere.

Außerdem sollten Tests für Besucher von Veranstalt­ungen angeboten werden, wo das Infektions­risiko besonders hoch ist. Größe sei nicht das alleinige Kriterium, sagte Lauterbach. „Diejenigen, die zu diesen Veranstalt­ungen gehen, insbesonde­re in Innenräume­n, haben dann die Möglichkei­t, sich testen zu lassen.“Dies könne sich anbieten, wenn man etwa Kontakt zu einem Infizierte­n hatte und verhindern wolle, dass man das Virus weitergebe. Details seien noch offen.

Es sei fatal, dass sich die Gesundheit­sminister noch nicht auf eine gemeinsame Strategie einigen konnten, sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientens­chutz, Eugen Brysch. Zu Hause lebende Pflegebedü­rftige, chronisch Kranke und ihre Angehörige­n würden von Bund und Ländern im Ungewissen gelassen.

Offene Finanzieru­ngsfragen Lauterbach verwies auf eine Vorgabe des Haushaltsa­usschusses des Bundestags, dass sich die Länder an der Finanzieru­ng der Bürgertest­s beteiligen sollen. Die Vorsitzend­e der Länder-Ressortche­fs, Petra GrimmBenne (SPD) aus Sachsen-Anhalt, machte jedoch deutlich, dass die Länder hierfür keinen Spielraum sähen. Bayerns Gesundheit­sminister Klaus Holetschek (CSU) stellte klar, dass die Länder schon jetzt für Tests in Kitas und Schulen aufkommen würden. „Also es ist nicht so, dass die Länder sich bisher nicht in das Thema eingebrach­t hätten“, so Holetschek. Der Bund solle weiterhin für die Tests aufkommen.

Vierte Impfung

Im Herbst soll es eine neue Impfkampag­ne geben. Er sei mit den Impfstoffh­erstellern im Austausch, sagte Lauterbach. In aktuellen Studien würden sich die Hinweise mehren, dass eine vierte Impfung für Personen ab 60 Jahren einen hohen Nutzen habe. Er sei sicher, dass man zum Herbst eine sehr gute, wissenscha­ftlich begründete Impfempfeh­lung ausspreche­n könne. Jedem Impfwillig­en solle der beste Impfstoff zur Verfügung gestellt werden. Die Ständige Impfkommis­sion empfiehlt allerdings bislang einen zweiten Booster nur einigen Gruppen, darunter Menschen mit Immunschwä­chen, Bewohnern von Pflegeheim­en oder Menschen ab 70 Jahren.

Weitere Schutzmaßn­ahmen Mehrere Länder hatten vor der Konferenz gefordert, zügig die gesetzlich­en Voraussetz­ungen für schärfere Schutzmaßn­ahmen im Herbst zu schaffen. Am Donnerstag gab Lauterbach zu verstehen, dass er eine Maskenpfli­cht in Innenräume­n für den Herbst für geboten hält. Zwar wolle er nicht über Inhalte des geplanten neuen Infektions­schutzgese­tzes spekuliere­n. Aber das, was derzeit gelte, werde für Herbst und

Winter nicht reichen. Zu anderen möglichen Maßnahmen wollte er sich noch nicht äußern. Die aktuellen Corona-Bestimmung­en im Infektions­schutzgese­tz laufen am 23. September aus. Grimm-Benne kündigte für den 1. Juli ein Sondertref­fen der Gesundheit­sminister an. An diesem Tag soll auch der Bericht eines Sachverstä­ndigenauss­chusses zur Beurteilun­g bisheriger Pandemiema­ßnahmen vorgelegt werden.

Der gesundheit­spolitisch­e Sprecher der FDP-Bundestags­fraktion, Andrew Ullmann, erklärte, es sei das richtige Signal, dass auch die Länder die Evaluation des Sachverstä­ndigenrate­s abwarten würden. Lauterbach betonte, dass Bund und Länder sich auf „ein Miteinande­r“bei den Beratungen über nötige weitergehe­nde Schutzrege­ln verständig­t hätten. „Die Schulen wären das Allerletzt­e, was wir schließen. Und ich gehe persönlich nicht davon aus, dass das notwendig sein wird.“

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FOTO: PETER KNEFFEL/DPA Wie lange es noch kostenlose Corona-Schnelltes­ts für jeden geben wird, ist weiter offen.

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