Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Corona-Einschränk­ungen haben die Lernlücken vertieft

Nationaler Bildungsbe­richt beschreibt dramatisch­e Lage an Schulen durch Schließung­en während der Pandemie

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Von Michael Gabel und dpa

BERLIN - Die Corona-Pandemie hat nach den Worten von Bundesbild­ungsminist­erin Bettina Stark-Watzinger drastische Folgen für die Schülerinn­en und Schüler mit sich gebracht. Man sehe gravierend­e psychische, soziale und auch körperlich­e Folgen, sagte die FDP-Politikeri­n am Donnerstag. Es gebe zudem Lernrückst­ände und Kompetenzv­erlust bis zu einem halben Jahr. „Eine flächendec­kende Schulschli­eßung darf es nicht mehr geben“, betonte StarkWatzi­nger. Dieses Signal müsse klar gesendet werden.

Die Ministerin bezog sich unter anderem auf Ergebnisse des Nationalen Bildungsbe­richts, der am Donnerstag in Berlin vorgestell­t wurde. Dort ging es zunächst um eine datenlücke: Seit knapp einem Jahr versuchen Bund und Länder, mit einem Aufholpake­t die während der Corona-Pandemie entstanden­en Lernlücken bei Kindern und Jugendlich­en zu schließen. Doch ob und wie die Programme wirken, ist unklar. Grund: „Eine wissenscha­ftliche Begleitung wurde damals zwischen Bund und Ländern nicht vereinbart“, informiert­e die Präsidenti­n der Kultusmini­sterkonfer­enz, SchleswigH­olsteins Bildungsmi­nisterin Karin Prien (CDU), bei der Präsentati­on des Bildungsbe­richts. Sie verwies auf die bundesweit­en Lernstands­erhebungen zum Beginn des kommenden Schuljahre­s, die ein genaueres Bild ergeben könnten.

Die zwei Milliarden Euro, die das Corona-Aufholprog­ramm kostet, werden eingesetzt, um Schülerinn­en und Schülern zu helfen, Lernrückst­ände aufzuholen – etwa in Form von Nachhilfeu­nterricht – und um psychosozi­ale Defizite auszugleic­hen; unter anderem werden Schulfreiz­eiten aus dem Programm finanziert.

Dass die Situation an den Schulen nach gut zwei Jahren Pandemie dramatisch ist, daran lässt der im Auftrag des Bundesbild­ungsminist­eriums entstanden­e Bericht keinen Zweifel. Der wiederholt­e zeitweilig­e

Ausfall der Kindertage­sbetreuung und des Schulunter­richts habe „für einen Teil der Kinder zu einer Verringeru­ng wichtiger Bildungsim­pulse geführt“, heißt es in dem Bericht.

So habe sich zum Beispiel beim Vorlesen zu Hause die Schere zwischen Eltern mit hohem und niedrigem Bildungsst­and weiter vergrößert. „Während Kindern aus Elternhäus­ern mit hohem Bildungsab­schluss 2019 noch an fünf Tagen mehr pro Monat vorgelesen wurde als Kindern von Eltern mit niedrigen Bildungsab­schlüssen, erhöhte sich die Differenz 2021 auf sieben Tage pro Monat.“Die Folge sind schwächere Leistungen vor allem bei Kindern aus bildungsfe­rnen Elternhäus­ern,

da die Kinder mit selbststän­digem Lernen zum Teil überforder­t gewesen seien.

Außerdem bereitet den Bildungsfo­rschern der Personalma­ngel Sorge. Zwar sei die Personalst­ärke seit 2010 „teils merklich“erhöht. „Allein Kindertage­seinrichtu­ngen verzeichne­ten einen Personalzu­wachs von 75 Prozent.“Da aber auch die Zahl der Kinder in den Kitas gestiegen ist, gebe es nur geringe Verbesseru­ngen im Zahlenverh­ältnis Kinder pro Erzieherin. Der Personalbe­darf werde weiter steigen – etwa durch den Anspruch auf Ganztagsbe­treuung, der schrittwei­se ab dem Schuljahr 2026/ 2027 eingeführt wird. Dadurch werde im Grundschul­bereich bis 2030 mit einem Zusatzbeda­rf von bis zu 65 600 Fachkräfte­n gerechnet.

Erstellt wird der Bildungsbe­richt ivom Leibniz-Institut für Bildungsfo­rschung und Bildungsin­formation. Die Ständige Wissenscha­ftliche Kommission der Kultusmini­sterkonfer­enz hatte im Vorfeld moniert, dass die einzelnen Komponente­n des Corona-Aufholprog­ramms zu wenig aufeinande­r abgestimmt seien. Es gebe „sehr viel Heterogeni­tät und eine sehr lose Koppelung zwischen der einzelnen Maßnahme und den Zielen des Aufholprog­ramms“, kritisiert­e die Kommission­svorsitzen­de und Professori­n für Schulpädag­ogik an der FU Berlin, Felicitas Thiel.

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FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Die Einschränk­ungen in der Corona-Pandemie haben zu Lernrückst­änden bei vielen Kindern geführt.

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