Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Fliegen mit der Kraft der Algen

Forscher arbeiten an klimaneutr­alen Treibstoff­en für den Luftverkeh­r – Der Trend prägt auch die ILA in Berlin

- Von Björn Hartmann

BERLIN - Nach zwei Corona-Sommern zieht es viele Deutsche wieder in die Sonne. Und das schlechte Gewissen fliegt oft mit: Denn der Luftverkeh­r beeinträch­tigt das Klima. Fünf Prozent aller schädliche­n Emissionen gehen auf die Fliegerei zurück. Die Branche arbeitet deshalb daran, die schädliche­n Folgen darauf zu verringern – vor allem in Europa, wo der sogenannte Green Deal der EU-Kommission Klimaneutr­alität bis 2050 vorsieht. Wichtigste­s Thema: der Sprit.

Am schädlichs­ten für das Klima ist das Kerosin. Bei der Verbrennun­g stößt ein Flugzeug große Mengen CO2 aus, das die Erderwärmu­ng beschleuni­gt. Zusätzlich enthalten die Abgase Nanopartik­el. An diesen winzig kleinen Teilen kondensier­t in großer Höhe Wasser und gefriert. Von der Erde aus ist das Phänomen als weißer Kondensstr­eifen sichtbar. Er reflektier­t die Sonne und trägt zur Erderwärmu­ng bei. „Die Wirkung ist stärker als die des CO2“, sagt Manfred Aigner, Direktor des Instituts für Verbrennun­gstechnik am Deutschen Luft- und Raumfahrtz­entrum (DLR) und einer der deutschen Spezialist­en für nachhaltig­e Flugkrafts­toffe. Moderne Kraftstoff­e sollten deshalb so optimiert sein, dass sie wenig Nanopartik­el ausstoßen.

Möglicher Ersatz für klassische­s Kerosin kann ein klimaneutr­al künstlich hergestell­ter Kraftstoff sein. Erste Tests gab es am DLR bereits. Aigner zufolge ist der entwickelt­e Sprit klarer als klassische­s Kerosin, stinkt und rußt weniger. Weil er reiner ist, kann ein Flugzeug – getestet wurde mit einem Airbus A320 – etwas weiter fliegen. Für die Sicherheit oder das Fliegen an sich gebe es keinen Unterschie­d, sagt Aigner.

Erzeugen ließen sich solche Kraftstoff­e aus Biomasse. Aigner nennt Rapsöl oder Pflanzenbe­standteile, zum Beispiel Stroh oder Algen, als mögliche Grundstoff­e. Sie müssten behandelt, aufgeschlo­ssen und weitervera­rbeitet werden, was vergleichs­weise teuer ist. Das sei allerdings nur nachhaltig, wenn nicht andere Pflanzen, etwa Weizen, dafür verdrängt würden, sagt er. Die Nahrungsmi­ttelproduk­tion dürfe nicht eingeschrä­nkt werden.

Nachhaltig­er Flugzeugsp­rit lässt sich auch aus Wasser und CO2 herstellen – für Aigner eine Lösung mit deutlich mehr Potenzial. Nötig ist Strom aus erneuerbar­en Energien, mit dem der Wasserstof­f aus dem Wasser gelöst wird. Das CO2 kommt

Aigner zufolge idealerwei­se aus Industriea­bgasen, etwa der Zementindu­strie. Aus dem Wasserstof­f und dem Kohlenstof­f wird dann synthetisc­her Kraftstoff für die Flugzeuge erzeugt. Mit industriel­l hergestell­ten Mengen dieses strombasie­rten Sprits rechnet der Verbrennun­gsspeziali­st allerdings erst 2030.

Klimaneutr­ales Kerosin lässt sich dem klassische­n beimischen, moderne Flugzeuge vertragen es. Warum wird es nicht eingesetzt? „Es ist schlicht nicht genug da“, sagt Aigner. Weltweit würden jährlich 300 Millionen Tonnen Kerosin benötigt, in Deutschlan­d rund zehn Millionen Tonnen. Hergestell­t werden könnten derzeit aber nur 1,5 Millionen Tonnen – weltweit. Zudem sei der klimaneutr­ale Kraftstoff teuer. Erdöl als Grundstoff von Kerosin sei ungleich günstiger. Die Strategieb­eratung Strategy& des Wirtschaft­sprüfungsu­nd Beratungsu­nternehmen­s PwC hat gerade errechnet, dass Fluggesell­schaften bis 2038 um bis zu 16 Prozent mehr für Treibstoff mit beigemisch­tem synthetisc­hen Sprit bezahlen müssen als für reines Kerosin.

Verschiede­ne Flugzeughe­rsteller arbeiten an elektrisch­en Antrieben. Testflüge mit kleinen Flugzeugen gab es bereits. Die Schwierigk­eit: Die Batterien sind noch zu groß und zu schwer, um genug Energie bereitzust­ellen, die größere Passagierf­lugzeuge brauchen, um zu starten und lange in der Luft zu bleiben. Die Luftfahrts­trategie des DLR hält reinen Elektroant­rieb deshalb eher nur für Regional- und Kurzstreck­enflugzeug­e für sinnvoll.

Ähnlich sieht es bei Brennstoff­zellen aus. Das Flugzeug, so die Idee dahinter, tankt Wasserstof­f. Eine Brennstoff­zelle an Bord wandelt ihn in Strom für die Motoren um. Bei der Verbrennun­g entsteht Wasser. Schwere Batterien wären nicht nötig.

Eine große Herausford­erung bei Wasserstof­f ist die Sicherheit. Das Gas ist in Verbindung mit Sauerstoff sehr leicht entzündlic­h. Flugzeughe­rsteller

wie Airbus arbeiten an der Technologi­e. Erste Flugzeuge sollen 2035 abheben.

Nicht nur mit dem Sprit lässt sich nachhaltig­er fliegen. Auch am Flugzeug selbst lässt sich noch einiges verbessern. Zum einen arbeiten die Flugzeughe­rsteller an Triebwerke­n, die mit weniger Sprit bessere Leistung bringen. Zum anderen lassen sich die Materialie­n, aus denen ein Flugzeug gebaut wird, noch verbessern. So könnte die Oberfläche ultraglatt werden, um strömungsg­ünstiger zu werden. Zudem arbeiten die Hersteller daran, Gewicht zu sparen, etwa durch neuartige Materialie­n oder verbessert­e Designprin­zipien.

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FOTOS: DPA/IMAGO Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) an einem vom Allgäuer Unternehme­n Liebherr Aerospace hergestell­ten Bugrad (linkes Bild, rechts stehend), Winglet eines Airbus A350, der den Jet noch energiespa­render machen soll (oben rechts), Modell eines Null-Emissions-Flugzeugs von Airbus: Vor allem über die Optimierun­g der Kerosine und Kraftstoff­e versucht die Luftfahrtb­ranche, das Fliegen umweltfreu­ndlicher zu machen.
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