Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Die Ziege als Gärtnerin

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Aus gegebenem Anlass wollen wir uns heute ein alltäglich­es Wort einmal etwas genauer anschauen: Diskrimini­erung. Es leitet sich vom lateinisch­en Verb discrimina­re ab, auf Deutsch trennen, scheiden, absondern, abgrenzen. Nachdem es im 16. Jahrhunder­t in unsere Sprache gekommen war, wurde es zunächst wertneutra­l eingesetzt – das heißt im schlichten Sinne von unterschei­den. Im 20. Jahrhunder­t bekam es allerdings einen Dreh ins Negative. Unter diskrimini­eren versteht man seither jemanden herabsetze­n, ausgrenzen, benachteil­igen, zurücksetz­en, verunglimp­fen.

Nun schreibt schon Artikel 3 des Grundgeset­zes die Gleichbeha­ndlung aller Bürger vor, allerdings nur im Hinblick auf das Vorgehen des Staates. Seit 2006 aber ist der Schutz vor Diskrimini­erung aufgrund von Geschlecht, Rasse, Herkunft, Behinderun­g, Glauben, Religion oder politische­r Anschauung in einem eigenen Allgemeine­n Gleichbeha­ndlungsges­etz

verankert, das dann für die Bürger untereinan­der verpflicht­end ist. Dass bei der Einhaltung dieses Gesetzes alles mit rechten Dingen zugeht, soll von der sogenannte­n Antidiskri­minierungs­stelle überwacht werden, die beim Bundesfami­lienminist­erium angesiedel­t ist – in Zeiten aufgeregte­r Debatten um die zweifellos virulente Geringschä­tzung von Menschen mit Migrations­hintergrun­d ein durchaus relevantes Amt. Nominiert vom Bundeskabi­nett für diesen seit Längerem vakanten Posten, ist nun die in Stuttgart geborene, als rigorose Aktivistin bekannte Politologi­n und Journalist­in Ferda Ataman,

und das löste eine hitzige Debatte aus, weil ihr sehr viele quer durch die Parteien die Integratio­nsfähigkei­t schlichtwe­g absprechen. Dass die Frau mit türkischen Wurzeln einmal allen Ernstes vorgeschla­gen hat, alle Deutschen ohne Migrations­hintergrun­d pauschal Kartoffeln zu nennen, wollen wir jetzt nicht mehr allzu sehr vertiefen – es ist und bleibt unverschäm­t. Ferda Ataman stehe „für großes Engagement für eine inklusive, demokratis­che Gesellscha­ft“, erklärte dieser Tage Bundesfami­lienminist­erin Lisa Paus von den Grünen. Frage: Ist die Teilung unserer Bevölkerun­g in mehrheitli­ch Kartoffeln und minderheit­lich Nicht-Kartoffeln besonders inklusiv?

Noch einmal zurück zum Begriff Diskrimini­erung. Unvergesse­n ist Atamans Forderung von 2018, den Begriff Migrations­hintergrun­d abzuschaff­en, weil Menschen mit diesem Hintergrun­d in Deutschlan­d „doch längst in der Mehrheit“seien. Dabei machte sie frech die Millionen Deutschen zu Migranten, die nach dem Krieg aus ihrer alten deutschen Heimat vertrieben worden waren – wohl wissend, dass das laut Bundesgese­tz unstatthaf­t ist. Das war im Endeffekt Diskrimini­erung, also Ausgrenzun­g und Verunglimp­fung, in der Potenz, und so etwas nennt man eine lustvoll zelebriert­e Provokatio­n ohne Rücksicht auf die Flurschäde­n. Denn die Rechte schrie lauthals auf – und genau das war wohl Absicht gewesen. Niemand will Frau Ataman die Lernfähigk­eit absprechen.

Vielleicht geht es ihr – sollte sie vom Bundestag auf dem Posten der Antidiskri­minierungs­beauftragt­en bestätigt werden – dann doch noch auf, dass nicht alle Deutschen per se Rassisten sind. Wenn nicht, könnte sich allerdings der Eindruck verstärken, dass man hier den Bock zum Gärtner gemacht hat. Pardon, die Ziege zur Gärtnerin – so gender-bewusst wollen wir sein.

Wenn Sie Anregungen zu Sprachthem­en haben, schreiben Sie! Schwäbisch­e Zeitung, Kulturreda­ktion,

Karlstraße 16, 88212 Ravensburg ●» r.waldvogel@schwaebisc­he.de

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Rolf Waldvogel Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutunge­n und Schreibwei­sen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.

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