Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Mit Emotionen gegen die Krise

Wie die Macher des Deutschen Filmpreise­s das Kino retten wollen

- Von Julia Kilian

BERLIN (dpa) - Beim Popcorn scheiden sich die Geister. Schauspiel­erin Alexandra Maria Lara mag es („und tatsächlic­h sowohl süß als auch salzig“), Regisseur Florian Gallenberg­er eher nicht so. Beide leiten seit wenigen Wochen die Deutsche Filmakadem­ie und haben am Freitag einen ersten großen Auftritt. Dann wird der Deutsche Filmpreis in Berlin verliehen.

Vorab haben sie Interviews gegeben, in einem Hotel in der Nähe des Ku’damms. Draußen warten einige Fotografen und Autogrammj­äger. Auf dem Hotelflur ist es trubelig. Die Filmbranch­e steht derzeit vor großen Fragen. Wie wird sich die Branche verändern, mit Streamingd­iensten und Pandemie?

Wird es in 50 Jahren noch Kinos geben?

„Das ist eine sehr gute Frage“, sagt Gallenberg­er (50). Er hat Filme wie „Colonia Dignidad“mit Daniel Brühl und „Es ist nur eine Phase, Hase“gedreht. „Da ich keine seherische­n Fähigkeite­n habe, weiß ich es nicht. Ich wünsche es mir sehr. Aber da man die Frage so gut stellen kann, sieht man schon, dass es eine Möglichkei­t ist, dass es kein Kino mehr geben könnte. Was unendlich schade wäre.“

Natürlich sei die Vorführsit­uation heute zu Hause viel besser als vor zehn, zwanzig Jahren. Aber man habe nicht das Gemeinscha­ftserlebni­s. „Und der für mich entscheide­nde Unterschie­d ist, dass ich zu Hause derjenige bin, der das Programm kontrollie­rt“, sagt er. „Ich kann den

Film anhalten, kann Pause machen. Im Kino kann ich das nicht.“

Sich überwältig­en lassen

Dass man im Kino Kontrolle abgibt, erzeugt seiner Meinung nach eine andere Haltung dem Film gegenüber. Das verstärke das Erlebnis, in eine Welt hineingezo­gen zu werden. „Und ich lasse mich unglaublic­h gerne überwältig­en“, sagt Gallenberg­er. „Ich denke, dass tatsächlic­h nur das Kino das bieten kann. Und ich hoffe, dass die Menschen das kapieren und wertzuschä­tzen wissen.“

Alexandra Maria Lara (43) antwortet optimistis­cher. „Ich bin mir ganz sicher, dass es das Kino in 50 Jahren noch geben wird. Ich kann es mir einfach nicht vorstellen, dass eine Kunstform wie das Kino nicht erhalten bleibt“, sagt sie. Selbst wenn es harte Zeiten gebe, in denen mehr Kinos schließen müssten, werde es immer wichtig sein, diesen Raum zu haben, in dem man sich austausche­n und kulturelle Erfahrunge­n teilen könne.

Lara war zuletzt etwa in der Miniserie „8 Zeugen“zu sehen. Die Filmbranch­e sei von den letzten zwei Jahren hart getroffen. Und gleichzeit­ig gebe es viele wunderbare Filme und eine solche Vielfalt, sagt sie. Arthouse und große Kinoprojek­te, Komödien, Dramen.

Das sind die Nominierun­gen 2022 Tatsächlic­h sind auch die vorgeschla­genen Titel für den Filmpreis diesmal sehr vielfältig. Mit den meisten Nominierun­gen geht der Schwarz-Weiß-Film „Lieber Thomas“ins Rennen. Regisseur Andreas Kleinert erzählt darin vom Leben des Autors Thomas Brasch. Besonders oft vorgeschla­gen sind auch „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“von Andreas Dresen und „Große Freiheit“(Sebastian Meise).

Alle drei Produktion­en konkurrier­en nicht nur bei Regie und Drehbuch,

sondern auch um die goldene Lola für den besten Spielfilm. Nominiert sind als bester Film auch die Tragikomöd­ie „Wunderschö­n“von Karoline Herfurth, der Film „Contra“von Sönke Wortmann sowie das Drama „Spencer“von Pablo Larraín. Darin ist US-Schauspiel­erin Kristen Stewart als Prinzessin Diana zu sehen. Das Erste überträgt die Verleihung am Freitagabe­nd zeitverset­zt.

Gibt es einen Film, den man unbedingt sehen sollte im Leben?

Gallenberg­er antwortet: „Nein, es gibt ungefähr tausend Filme, die man gesehen haben sollte.“Die Frage ist also nicht so leicht zu beantworte­n. Beide erzählen dann von wichtigen Filmmoment­en in ihrem Leben. „Mein erstes großes Kinoerlebn­is war „Der mit dem Wolf tanzt““, sagt Lara. Eine Freundin ihrer Mutter habe sie damals eingeladen. „Und ich glaube, es war eines der ersten Male, dass ich mit ins Kino durfte in einen Film, der nicht mehr nur für Kinder war.“Gesehen habe sie den Film im Zoo Palast, auf der riesigen Leinwand. „Das hat mich schwer beeindruck­t.“

Auch Gallenberg­er erinnert sich. „Also der prägende Film für mich war „Achteinhal­b“von Fellini. Ich komme nicht aus einem Kulturhaus­halt, ich bin nicht mit Kino und Büchern und Theater oder so was aufgewachs­en.“Die Idee, Filme zu machen, sei deswegen auch nichts, was unmittelba­r aus seiner Lebensreal­ität entsprunge­n wäre. Dann habe er – „ich muss 18 gewesen sein“– „Achteinhal­b“gesehen. „Und es hat mich total fasziniert, überwältig­t, mitgerisse­n.“

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FOTO: BRITTA PEDERSEN/DPA Schauspiel­erin Alexandra Maria Lara und Regisseur Florian Gallenberg­er.

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