Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
EU-Gipfel sucht Wege aus der Gaskrise
Europäische Staaten schauen auf Deutschland – Gespräche über möglichen Preisdeckel und gemeinsamen Einkauf
BRÜSSEL (dpa) - Drohende Engpässe bei der Gasversorgung stellen für Deutschland und die gesamte Europäische Union eine große Gefahr dar. Doch obwohl die Mitgliedsstaaten in einem Boot sitzen, ist ein gemeinsames Vorgehen in der Gas-Krise kein leichtes Unterfangen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte am Freitag bei einem EU-Gipfel in Brüssel, es seien „alle Aktivitäten“unternommen worden, um Energie aus anderen Ländern als Russland zu importieren. Diese Anstrengungen müssten aber weiter beschleunigt werden. Das sei eine große Herausforderung. „Aber da werden wir uns unterhaken.“
Irlands Regierungschef Micheal Martin warnte, man stehe „vor einem sehr schwierigen Winter“. Das gilt auch für Deutschland, das zu denjenigen EU-Ländern gehört, die besonders abhängig von russischem Gas sind. In der EU schauen nun viele auf die Lage in der größten Volkswirtschaft der Union: „Wenn Deutschland in Probleme gerät, dann hat das auch einen enormen Einfluss auf alle anderen europäischen Länder, auch auf unser Land“, sagte Belgiens Ministerpräsident Alexander De Croo.
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine Ende Februar gilt die Versorgung Europas mit Gas aus Russland als gefährdet. Schon jetzt hat Moskau die Lieferungen an Deutschland und andere EUStaaten stark gedrosselt oder komplett gestoppt. Die EU versucht, ihre Abhängigkeit von Russland zu reduzieren. Die Bundesregierung rief am Donnerstag die Alarmstufe im Notfallplan Gas aus. Die Energiepreise sind schon stark gestiegen. Für den Fall, dass die russischen Gaslieferungen
komplett ausfallen, gehen Ökonomen von einer Wirtschaftskrise aus.
Doch was können die EU-Staaten gemeinsam gegen die Gasknappheit tun? Darüber gibt es Uneinigkeit. Zwar hatten sie sich bereits im März darauf verständigt, ihre Kaufkraft zu bündeln und gemeinsam Gas einzukaufen. Doch Länder wie Italien oder Belgien wollen deutlich radikalere Maßnahmen und dringen etwa auf einen Preisdeckel auf EU-Ebene, sodass Verbraucher entlastet würden. Spanien und Portugal haben dafür bereits nationale Ausnahmen. Ende Mai beauftragte der EU-Gipfel die EU-Kommission, weitere Möglichkeiten zur Eindämmung steigender Energiepreise zu prüfen – inklusive einer befristeten Preisobergrenze.
Staaten wie Tschechien lehnen einen solchen Schritt jedoch ab, weil er ein Eingriff in den Markt wäre.
Der lettische Ministerpräsident Krisjanis Karins sagte am Freitag, Maßnahmen wie der gemeinsame Einkauf seien „wahrscheinlich eine mittel- bis langfristige Lösung“. Am wichtigsten sei Unterstützung für diejenigen, die am meisten unter der hohen Inflation litten. Die schwedische Regierungschefin Magdalena Andersson warnte dagegen davor, Geld in die Taschen der Bevölkerung zu stecken. „Das würde die Inflation nur verstärken“, sagte sie.
Der Gas-Engpass in Europa und steigende Energiepreise werden auch Thema beim G7-Gipfel sein, bei dem Scholz ab Sonntag im bayerischen Elmau Gastgeber sein wird.