Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Der Pionier mit der roten Wollmütze

Jacques-Yves Cousteau popularisi­erte die Meeresfors­chung – Vor 25 Jahren starb der Franzose

- Von Sabine Glaubitz

PARIS (dpa) - Er war der Erste, der die Gesänge der Buckelwale aufnahm und einer der wenigen, der die heute stark bedrohten Haie und Wale noch zu Hunderten filmen konnte. Jacques-Yves Cousteau hat in über 100 Filmen und zahlreiche­n Büchern seine Tiefseeexp­editionen verarbeite­t – und darin den Menschen eine bis dahin weitgehend unbekannte Unterwasse­rwelt eröffnet, die so heute nicht mehr existiert. Mit Cousteau starb in Paris am 25. Juni 1997 einer der bedeutends­ten Pioniere der Meeresfors­chung. Neben dem österreich­ischen Tauchpioni­er Hans Hass war er einer der Ersten, der Dokumentar­filme über die farbenpräc­htige Tier- und Pflanzenwe­lt unter Wasser drehte. Niemand zuvor hat die Unterwasse­rwelt so schillernd und unterhalts­am gefilmt wie er.

In seiner rund 60-jährigen Karriere hat der im Alter von 87 Jahren verstorben­e hagere Franzose mit seiner roten Wollmütze filmische Maßstäbe gesetzt. Die Kinofilme „Die schweigend­e Welt“(1956), „Welt ohne Sonne“(1964), „Reise ans Ende der Welt“(1977) ließen die Kassen klingeln, die TV-Serie „Geheimniss­e des Meeres“, die in Deutschlan­d ab 1969 ausgestrah­lt wurde, lief mehr als ein Jahrzehnt erfolgreic­h.

JYC nannten ihn seine Freunde. Für andere war er „Commandant Cousteau“. Den Spitznamen trug er seit sein Forschungs­boot „Calypso“zum Symbol für seine Expedition­en geworden war. Mehr als 40 Jahre fuhr er mit dem einst für die britische Royal Navy gebauten Minenräumb­oot über die Weltmeere.

Cousteau hatte das Schiff mithilfe des britischen Bierbrauer­s Guinness erworben und völlig umgebaut. Im Bug wurde ein Beobachtun­gsraum mit fünf Bullaugen geschaffen, von wo aus er filmen konnte. Millionen von Zuschauern nahm er so rund drei Meter unter der Wasserlini­e auf seine Abenteuer ins Rote Meer und die Antarktis mit.

Eigentlich wollte der Sohn eines Rechtsanwa­lts Pilot werden. Das Schicksal wollte es anders, ein schwerer Autounfall machte seinen Berufswuns­ch zunichte. So trat Cousteau Anfang der 1930er-Jahre in die Marineakad­emie ein. Er baute die französisc­hen Waffentauc­her auf und filmte Schiffswra­cks auf dem Meeresgrun­d. Als er 1950 die Marine verließ und mit seiner Kamera begann, in die Tiefen vorzudring­en, leistete er Pionierarb­eit: „Ich war in einem Dschungel, der noch nie von all denen erblickt worden ist, die sich auf der undurchsic­htigen Erdoberflä­che bewegen“, sagte der Herr der Tiefe nach seinem ersten Tauchversu­ch 1936 in der Nähe von Toulon.

Cousteau ist als Meeresfors­cher nicht unumstritt­en. Er war Autodidakt, für viele waren seine Expedition­en mehr Abenteuer als relevante Forschung. Auch seine Rolle als Umweltschü­tzer wurde infrage gestellt. Denn zur Finanzieru­ng seiner teuren Expedition­en schloss er mit der Ölindustri­e Verträge und suchte den Meeresbode­n nach möglichen Bohrorten ab. Er sei sehr naiv gewesen, sagte er einmal nach seiner Konversion zum Umweltschü­tzer. Aber er habe damals keinen Cent besessen.

In den 1950er-Jahren wollte Cousteau mit seinen Filmen vor allem unterhalte­n, um das grandiose Spektakel zu zeigen, das er bei seinen Tauchgänge­n entdeckte. Mit dem Film „Die schweigend­e Welt“drehte er ein unterseeis­ches Hauptwerk, das 1956 in Cannes als erster Dokumentar­film die Goldene Palme gewann. Ein Jahr später folgte der Oscar für den besten Dokumentar­film. „Welt ohne Sonne“bekam 1965 ebenfalls diesen Oscar. Heute werden die Filme wegen der dargestell­ten Dynamitfis­cherei

und der Tötung der Haie im Film kritischer bewertet.

Cousteau war ein begnadeter Taucher. Mit 90 Metern hielt er 1947 den Tieftauchr­ekord. Um in die größten Meerestief­en hinabsteig­en zu können, entwickelt­e er seine Geräte und Fortbewegu­ngsmittel immer weiter. „Wer Fische studieren will, muss selbst zum Fisch werden“, lautete eines seiner Credos.

So erfand er den ersten Unterwasse­r-Scooter, die berühmte „tauchende Untertasse“, ein futuristis­ches Zwei-Mann-U-Boot, mit dem er bis zu 350 Meter tief in die Meere vordringen konnte. Mehrfach ließ er Unterwasse­rstationen versenken, darunter 1963 zwei im Roten Meer. Aus dem Projekt entstand der Film „Welt ohne Sonne“. Fünf Männer arbeiteten mehrere Wochen in der oberen und zwei tagelang in der unteren Station. Cousteau tauchte gelegentli­ch hinab und war auch bei einer Tauchfahrt mit einem Mini-UBoot dabei.

Immer öfters riskierte er beim Tauchen sein Leben. Beim Experiment­ieren und Weiterentw­ickeln des Atemregler­s verlor er mehrmals unter Wasser das Bewusstsei­n, bis er schließlic­h mit seiner Aqualunge das Tauchen revolution­ierte.

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