Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Wie in der Schule, so auch im Beruf
Die Schulzeit kann Folgen bis ins Arbeitsleben haben
HANNOVER/HAMBURG – Hand aufs Herz: An was denken Sie, wenn Sie an Ihre Schulzeit denken? An tolle Noten und verständnisvolle Lehrkräfte? Oder eher an peinliche Momente, bissige Kommentare oder einsame Pausen auf dem Schulhof? „Viele von uns haben solche Erfahrungen gemacht“, sagt Sozialpsychologin Mira Mühlenhof aus Hannover. In ihrem Buch „Lass die Schatten der Schulzeit hinter dir“will sie zeigen, wie sich das Leben verbessert, wenn man sein „Schultrauma“erkennt und loslässt.
Ihr zufolge reichen die Folgen bestimmter Erlebnisse aus der Schulzeit oft unbewusst bis ins Erwachsenenalter. „Sie können Ursache für Blockaden oder Probleme wie Lampenfieber, Präsentationsangst oder Minderwertigkeitsgefühle sein“, sagt Mühlenhof. Manchmal genügt dafür schon eine einzige Situation. Etwa, dass man an die Tafel zitiert wurde, einen Blackout hatte und ausgelacht wurde. „Solch eine Situation ist dann stark mit unguten Gefühlen belegt und wird quasi im Körper abgespeichert“, so die Sozialpsychologin weiter.
Die gute Nachricht: Es besteht die Chance, etwas dagegen zu tun. „Ein erster Schritt ist die Reflexion“, sagt Mira Mühlenhof. Also innezuhalten und selbst zu überlegen, worauf aktuelle Probleme zurückzuführen sind. In ihrem Buch gibt sie zudem AkutTipps, wie etwa mit anderen über die Erfahrungen zu reden, Orte und Personen zu meiden, die einem nicht guttun, Routine und Rituale zu entwickeln, die Stärke und Struktur geben. Auch wichtig: Die eigenen Grenzen erkennen und Hilfe annehmen.
Dabei müsse es jedoch nicht immer ein Gefühl von Hilflosigkeit, Scham oder Angst sein, das Auswirkungen
bis ins Berufsleben hat. „Das eine sind die negativen Bewertungen, die unser Denken und Verhalten steuern“, sagt die Hamburger Karriereberaterin und Arbeitspsychologin Ragnhild Struss. Das andere seien bestimmte Talente, Fähigkeiten und Interessen, die man als Kind hatte – die aber in Vergessenheit geraten sind. Vielleicht habe man deshalb auch als Erwachsener im Job nicht den Mut, im Brainstorming Ideen vorzubringen, die Initiative zu ergreifen oder selbstbewusst seine Meinung zu vertreten.
Auch allgemeine Vorurteile und persönliche Zuschreibungen können das Selbstbild prägen und die weitere Entwicklung beeinflussen. Wer schon immer gut in Mathe war, muss natürlich Ingenieur werden, und das Kind eines Mediziners natürlich ebenfalls Arzt. „Solche frühen Erfahrungen können dazu führen, dass die Zuschreibungen gar nicht mehr hinterfragt werden, sondern man annimmt, was einem übergestülpt wurde“, sagt die Arbeitspsychologin. So verlerne man, auf sich selbst zu hören und der eigenen Stimme zu vertrauen.
In ihren Beratungen versucht die Arbeitspsychologin, vergessene Ressourcen zu heben und die Klienten zu motivieren, sich an vergangene Stärken und Potenziale zu erinnern. Wichtig ist, sich darüber bewusst zu werden, dass aktuelle Schwierigkeiten nicht für alle Ewigkeiten bleiben müssen. Die Beraterin empfiehlt daher, den Blick auf das zu lenken, was positiv in Erinnerung geblieben ist: „Es gibt immer den einen Lehrer, die eine Lehrerin, die etwas in einem gesehen hat. Die Bezugsperson, die das Potenzial und die Persönlichkeit erkannt hat, gefördert und ermutigt hat.“Denn nicht nur negative, auch positive Erfahrungen können prägend für das spätere Berufsleben sein.
„Es gibt immer den einen Lehrer, die eine Lehrerin, die etwas in einem gesehen hat.“Arbeitspsychologin Ragnhild Struss