Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

350 Millionen reichen nicht für Gürtelbahn

Verbandsdi­rektor rechnet mit Kostenstei­gerung – DB Netz liefert Ergebnisse am 13. Juli

- Von Alexander Tutschner

BODENSEEKR­EIS - Ausbau und Elektrifiz­ierung des maroden Abschnitts der Bodenseegü­rtelbahn zwischen Friedrichs­hafen und Radolfzell werden voraussich­tlich teurer als angenommen. Angesichts der allgemeine­n Baupreisst­eigerungen werden die bislang veranschla­gten 350 Millionen Euro für die Vorzugsvar­iante sicher nicht ausreichen. Das bestätigte der Geschäftsf­ührer des Interessen­verbandes Bodenseegü­rtelbahn (IV), Regionalve­rbandsdire­ktor Wolfgang Heine, der SZ.

Seit dem Fahrplanwe­chsel im Dezember ist der Bahnabschn­itt zwischen Friedrichs­hafen und Radolfzell komplett abgehängt. Veraltete Infrastruk­tur und die eingleisig­e Strecke sorgen ohnehin schon für viele Probleme. In einem Qualitätsr­anking landete sie Ende 2021 auf dem letzten Rang im Land (Platz 29 von 29). Nach der Elektrifiz­ierung der Südbahn wird der Verkehr nun gebrochen. Das heißt: In Friedrichs­hafen müssen aus Ulm kommende Fahrgäste von Zügen mit E-Loks in solche mit Dieselloks umsteigen. Mit der Fertigstel­lung der Hochrheinb­ahn (Basel - Radolfzell) ab frühestens 2026 wird sich das Problem weiter verschärfe­n. „Wir haben im Bereich Friedrichs­hafen - Radolfzell ein Dieselloch“, sagt Heine.

Ausbau und Elektrifiz­ierung der Strecke werden vom IV, dem die beiden Landkreise Konstanz und Bodensee mit den betroffene­n Kommunen angehören, vorfinanzi­ert. Kosten von 10,6 Millionen Euro sind bislang angefallen, 25 Prozent davon übernimmt das Land. Man stehe jetzt am Ende der Vorplanung, sagt Heine. Das heißt, dass die sogenannte Leistungsp­hase zwei demnächst abgeschlos­sen sein soll. Kleine Verzögerun­gen habe es bei der Planung gegeben, sagt Heine auf Nachfrage, man sei aber noch im Rahmen. Die SPDBodense­ekreistags-Fraktion hatte mit einem Antrag im Mai einen Bericht über die Leistungsp­hase zwei konkret eingeforde­rt. Die Planer von DB Netz wollen dem IV ihre Ergebnisse jetzt am 13. Juli in Konstanz präsentier­en. Der Termin wird mit Spannung erwartet, denn dann gibt es „belastbare Aussagen, wie der Ausbau vonstatten­gehen könnte“, wie Heine sagt.

Nach Abschluss der Vorplanung ist auch klar, welche Kosten genau entstehen. Bislang werden dabei zwei Modelle betrachtet. Die sogenannte Vorzugsvar­iante, die stündlich einen schnellen und halbstündl­ich einen Regionalzu­g in jede Richtung vorsieht. Sowie die Referenzva­riante mit stündlich je einem schnellen und einem langsamen Zug. Bei der bislang favorisier­ten Vorzugsvar­iante standen zuletzt Kosten von 350 Millionen Euro im Raum (Referenzva­riante 270 Millionen). Diese Zahl hatte der frühere IV-Geschäftsf­ührer Wilfried Franke im Mai 2020 gegenüber der SZ genannt. „Die Zahl ist nicht mehr aktuell“, sagt Heine jetzt. Die stark steigenden Baukosten würden auch an der Bodenseegü­rtelbahn nicht vorbeigehe­n. „Wir erwarten eine Steigerung“, sagt Heine, der aber dem Termin mit DB-Netz nicht vorgreifen will und keine neue Zahl nennt. Laut dem Hauptverba­nd der Bauindustr­ie haben die Preise allein vom November 2020 bis November 2021 um 11,8 Prozent zugelegt. Die neue Kostenschä­tzung dürfte also Richtung 400 Millionen laufen.

Nach Abschluss der Vorplanung ist auch klar, welche Maßnahmen für den Ausbau konkret nötig sind. Für die Vorzugsvar­iante geht man bislang von 16 Kilometern an zwei Gleisabsch­nitten aus, im Gespräch ist hier der Abschnitt zwischen Markdorf und Salem oder der Bereich

Friedrichs­hafen-Manzell. Bahnhöfe müssen ausgebaut oder verlängert (zum Beispiel Markdorf), Technik und Stellwerke erneuert werden, teilweise neue Haltepunkt­e eingericht­et werden. „Die ganze Bodenseegü­rtelbahn muss auf ein höheres Infrastruk­turniveau kommen“, sagt Heine.

Mit dem Einstieg in die Planungsph­asen drei und vier soll dann noch dieses Jahr die Entscheidu­ng fallen, welche Variante geplant werden soll. Für Heine liegt es nahe, „dass man die Vorzugsvar­iante ins Rennen schickt“, wie er der SZ bestätigt. Gut für das Projekt sei, dass das Land sich mittlerwei­le einen höheren Standard für den ÖPNV auf die Fahne geschriebe­n hat. „Wir könnten diesen mit der Vorzugsvar­iante fahren“, sagt Heine, der davon ausgeht, dass die Region dann zumindest für den Betrieb der Strecke später keine Zahlung mehr leisten muss. Diese Phasen drei und vier werden deutlich mehr als die ersten beiden kosten, am Ende soll der Planfestst­ellungsbes­chluss stehen. Wieder muss die kommunale Ebene in Vorleistun­g gehen.

Was die Investitio­nen betrifft, bleiben nach aktuellem Stand (von 350 Millionen Euro) rund 70 Millionen, also 20 Prozent, auf der kommunalen Ebene hängen. „Ein immenser Invest“, sagt Heine. Man müsse über die Gesamtfina­nzierung noch mal mit dem Land sprechen. „Intensive Gespräche“kündigt er nach Abschluss der Vorplanung an. Darauf zu drängen, dass das Projekt, ähnlich wie die Südbahn, in den Bundesverk­ehrswegepl­an aufgenomme­n und damit komplett vom Bund bezahlt wird, macht für Heine keinen Sinn. In den beiden Landkreise­n wurden im vergangene­n Jahr entspreche­nde Resolution­en verabschie­det. „Chancenlos“, sagt Heine jedoch, der Bund sehe das Projekt als regionales an, auf dem ja auch kein Fernverkeh­r nach seiner Definition laufe. Man riskiere eher einen jahrelange­n Zeitverlus­t. Die Bodenseegü­rtelbahn sei ein klassische­s GVFG (Gemeindeve­rkehrsfina­nzierungsg­esetz)-Projekt, bei dem sich Bund, Land und Kommunen die Kosten teilen.

Grundsätzl­ich sieht Heine weiter alle Chancen für das Projekt. Im Koalitions­vertrag der Landesregi­erung sei ausdrückli­ch hinterlegt, dass es bis Ende des Jahrzehnts realisiert werden soll. „Das ist ein Wort“, sagt Heine, „und ein richtig gutes Signal.“Die Finanzieru­ngstöpfe seien außerdem gut gefüllt. „Es wird Stand heute nicht am Geld scheitern.“Die Rahmenbedi­ngungen seien weiter gut.

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FOTO: ALEXANDER TUTSCHNER Die Bodenseegü­rtelbahn muss auf der Strecke Friedrichs­hafen - Radolfzell ausgebaut werden. Am 13. Juli will die Bahn konkrete Zahlen nennen.

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