Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Angriff beim Gassigehen
Dritter Verhandlungstag am Landgericht wegen versuchten Totschlags im Häfler Uferpark
FRIEDRICHSHAFEN - Ohrfeigen, Faustschläge oder aber ein gezielter Tritt gegen einen kleinen Chihuahua, der zufällig seinen Weg kreuzt- wie aggressiv der Angeklagte unter Alkoholeinfluss gegen Mensch und Tier ist, wurde am dritten Verhandlungstag im Prozess gegen einen 22-jährigen deutlich. Der aus Afghanistan stammende Mann, dem die Abschiebung aus Deutschland droht, muss sich vor dem Landgericht Ravensburg wegen versuchten Totschlags verantworten. Er soll in den frühen Morgenstunden des 6. August 2021 einen 26-jährigen Touristen an der Häfler Uferpromenade mit einem abgebrochenen Flaschenhals attackiert und erheblich am Ohr verletzt haben.
Doch an diesem dritten Prozesstag standen zwei weitere Fälle von Körperverletzung und Bedrohung, die mit verhandelt werden, im Fokus. So soll der seit Dezember 2021 in Untersuchungshaft sitzende Angeklagte am 13. August, also eine Woche nach dem ersten Vorfall, wieder mit einer Flasche als Waffe zugeschlagen haben. Opfer war in diesem Fall ein 31-jähriger Häfler, der an dem lauen Sommerabend gemeinsam mit seiner Ehefrau und deren Onkel zwei Hunde an der Uferpromenade Gassi führte. „Da kommt einer, schreit, brüllt, spuckt und hat eine Flasche in der Hand. Da habe ich schon gesagt, oh je, lass uns mal ein bisschen weiter links gehen“, schildert der 31-jährige sein mulmiges Gefühl beim Anblick des herannahenden Angeklagten. Dieser ist offensichtlich auf Stress und Konfrontation aus. Ohne Grund tritt er unvermittelt den kleinen Hund zur Seite und rempelt die Ehefrau des Opfers an. Als der Mann seiner Frau zur Hilfe eilt, schlägt ihm der 22-jährige sofort eine Wodkaflasche
gegen den Kopf. Der 31-jährige erleidet dadurch eine Schädelprellung und einen Kieferanbruch, hat längere Zeit Probleme beim Kauen.
Wenige Tage nach dem Vorfall kommt es zu einem erneuten Aufeinandertreffen, dieses Mal vor dem Elternhaus der Ehefrau. Die 29-jährige ist gerade dort zu Besuch und beobachtet durch das Küchenfenster, wie ihr Onkel vor der Tür von dem Angeklagten attackiert wird. Sie ruft sofort die Polizei, die auch schnell zur Stelle ist und den jungen Mann nach kurzer Verfolgungsjagd festnimmt. „Er hat mich beschimpft, beleidigt, bedroht. Er hat gesagt: „Jetzt weiß ich, wo ihr wohnt. Ich bringe euch alle um.“Ich war geschockt, als er vor unserer Haustür stand. Ich hatte Panik“, schildert die Frau ihre Erlebnisse. Seit den beiden Vorfällen leidet sie unter Schlafstörungen, muss Medikamente nehmen, geht abends nicht mehr raus und meidet die Gegend rund um ihr Elternhaus.
„Ich werde dem Jungen mein Leben lang nicht verzeihen können, vor allem wegen meiner Frau“, brach es aus dem 31-jährigen, der in großer Sorge um seine Frau ist, heraus. Mit der auch mehrfach gezielt gegen ihn gerichteten Drohung: „Ich bringe dich um. Ich bringe euch alle um!“könne er besser umgehen als seine Frau, die seitdem unter Ängsten leidet.
Bei den zahlreichen (27) Aufenthalten im Zentrum für Psychiatrie (ZfP) wurde bei dem Angeklagten neben akuter Alkoholsucht eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert und eine „enthemmungsbedingte Fremdgefährdung“erkannt. Wie diese aussieht, bekamen auch drei Jugendliche aus dem Bodenseekreis an einem Abend im Juli 21 zu spüren, als sie nach einem Klassentreffen durch den Uferpark gingen. Dort begegnen sie dem Angeklagten, der die kleine Gruppe nach Alkohol fragt. Als diese erklären, nichts dabei zu haben, kommt es sofort zur Eskalation. Der Angeklagte schlägt dem einen direkt ins Gesicht, verfolgt den weglaufenden anderen, schlägt auch diesen und droht wiederum: „Ich zerstöre euch alle. Ich mache euch alle kaputt“.
„Ich vermute, die Alkoholfrage war nur ein Vorwand, um Stress zu machen“, erklärt einer der drei Opfer vor Gericht. Für die 19-jährigen kam die Attacke aus heiterem Himmel. Auch wenn sie durch die Schläge nicht ernsthaft verletzt worden sind, so halten sie sich mittlerweile nicht mehr so gern in Friedrichshafen auf. „Ich bin definitiv vorsichtiger, wenn ich nach 22 Uhr in größeren Städten unterwegs bin“, sagte der eine 19-jährige. Der Prozess wird am 27. Juni fortgesetzt.