Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Staffel-Gold entschädigt für Becken-Bronze
Nach verpasster Titelverteidigung über 1500 Meter Freistil gibt es für Wellbrock Gold im Freiwasser-Wettbewerb
BUDAPEST (dpa) - Florian Wellbrock hielt sich am Anschlagbalken fest und reckte den Zeigefinger in die Luft. Mit einem starken Schlussspurt holte der deutsche Vorzeigeschwimmer am Sonntag für die 4x1500-Meter-MixedStaffel im Freiwasser die erste Goldmedaille bei den Weltmeisterschaften in Budapest. Mit seinen Teamkollegen Lea Boy, Oliver Klemet und Leonie Beck feierte er dann auf dem Siegerpodest den Erfolg, der auch für ihn persönlich wichtig war.
Nach Silber über 800 Meter Freistil und nur 18 Stunden nach Bronze über 1500 Meter gab es das erste ersehnte Gold. „Der Medaillensatz ist erstmal komplett und alles, was jetzt kommt, ist on top. Es ist schon mal schön, Bronze, Silber und Gold zusammenzuhaben“, sagte Wellbrock.
In einem als chaotisch zu bezeichnenden Wettbewerb im 26 Grad warmen Lupa-See am Stadtrand von Budapest hatte Boy die Deutschen auf der ersten Runde in Führung gebracht. Auch, weil sich vier Nationen an der letzten Boje verschwammen, abkürzten und disqualifiziert wurden. Klemet baute die Führung aus, ehe Beck gegen drei starke Männer wieder in leichten Rückstand geriet. Als Vierte mit acht Sekunden Rückstand wechselte sie. Wellbrock machte den entscheidenden Boden gut, schwamm immer Innenbahn, um im Schlussspurt allen davonzufliegen. „Es war schön, mal ohne Bobby Finke den Sprint zu machen“, sagte Wellbrock und sein Trainer Bernd Berkhahn lobte: „Das hat er meisterhaft gemacht, taktisch war er sehr, sehr gut. Er war weder für Ungarn noch für Italien zu halten. Da hat man gemerkt, was er eigentlich drauf hat.“Der Coach dachte nicht mal einen Tag zurück, als Titelverteidiger Wellbrock auf der 1500-Meter-Beckendistanz nicht alles richtig gemacht und Bronze gewonnen hatte. Auf seiner Paradestrecke im Becken hatte sich Wellbrock verpokert. „Er hat sich zu sehr auf Bobby Finke konzentriert. Und sie haben Gregorio (Paltrinieri) schwimmen lassen. Das war ein Fehler von beiden“, kritisierte Bundestrainer Berkhahn. Der Italiener zog vom Start weg los, hatte schnell drei Längen Vorsprung. Über drei Sekunden unter Weltrekord waren teilweise seine Zwischenzeiten. „Ich wusste, dass Gregorio schnell angehen würde, aber dass er so schnell ist, hätte ich nicht gedacht“, sagte Wellbrock. Auch da war Berkhahn anderer Meinung. „Es war der Plan von Gregorio, jeder wusste davon. Das war keine Überraschung“, sagte der Coach, nahm seinen Schützling aber auch etwas in Schutz: „Man braucht eine unglaubliche Erfahrung für diese Strecke, ein großes Zutrauen. Da sind die Jungen immer noch etwas zu verhalten.“
Dennoch: Der Verlust des Titels ist kein Drama für Wellbrock. „Ich habe Bronze gewonnen“, sagte er und betonte, dass es nicht mehr einfach sei, in dieser Disziplin aufs Podium zu kommen. „Das war vielleicht vor ein paar Jahren der Fall, aber bei der Leistungsdichte jetzt nicht mehr. Ich kam dicht an meine Bestzeit ran.“Das sieht auch Berkhahn so, hatte aber noch einen Kritikpunkt. „Er kam raus aus dem Wasser und meinte, er habe sich nicht ausbelastet und könnte noch weiterschwimmen“, so Berkhahn. Für ein WM-Finale nicht ganz nachvollziehbar – zumal Wellbrock seinen Fokus auf die 1500 Meter gelegt hatte.
Dannoch: Berkhahn lobte zum Abschluss den Auftritt der zehn in Budapest angetretenen deutschen Beckenschwimmer, die vier Medaillen und viele Finalplatzierungen erreicht und für das beste Ergebnis seit 2009 gesorgt hatten. „Es war unfassbar. Vor allem der letzte Tag. Alle Sportler, die noch nicht abgereist waren, standen in den Finals. Ich weiß nicht, ob es das jemals im DSV schon gegeben hat.“