Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Ein Biss für die Ewigkeit

Vor 25 Jahren kämpfen Mike Tyson und Evander Holyfield um die Weltmeiste­rschaft im Schwergewi­cht – Der Ohrenbiss ist unvergesse­n

- Von Maximilian Haupt

LOS ANGELES (dpa) - Mike Tyson verkauft inzwischen Ohren mit Bissmarke. Der ehemalige Box-Weltmeiste­r bestritt zwar erst neulich in einer Late-Night-Show, dass die Form der mit Cannabis versetzten Fruchtgumm­is etwas mit dem Skandalkam­pf gegen Evander Holyfield zu tun hat: „Das ist nicht Evanders Ohr“. 25 Jahre nach seinem Biss in jenem WM-Kampf glaubt ihm das aber wohl kein Mensch.

Tyson ist inzwischen als Geschäftsm­ann im Marihuana-Markt aktiv, hat in Kinofilmen mitgespiel­t und wird von Leuten schon mal als „der nette, alte, grasrauche­nde Onkel“bezeichnet. Doch wer den Namen Mike Tyson hört, denkt mit hoher Wahrschein­lichkeit noch immer zuerst an jenen Kampf am 28. Juni 1997. Auch die, die den Kampf gar nicht sahen.

Holyfield und Tyson hatten sich bereits im Jahr zuvor im Ring gegenüber gestanden. Holyfield gewann den ersten Kampf überrasche­nd, in der MGM Grand Garden Arena in Las Vegas kam es zum Rückkampf. Dass Holyfield auch das zweite Duell für sich entschied, interessie­rte aber schon am Abend kaum noch jemanden – alle sprachen nur über die bizarre Attacke von Tyson, der Holyfield erst ins linke Ohr gebissen und kurz darauf ein Stück des rechten Ohrs abgebissen und auf den Boden gespuckt hatte. „Ich wollte ihm mehr wehtun, als er mir mit seinen Kopfnüssen. Ich gab ihm Kopfnüsse zurück, aber er machte weiter, also hab ich ihn gebissen“, sagte Tyson einmal über die Szene. „Ich hätte das nicht tun sollen, aber ich war blutig und sauer.“

Inzwischen sind die beiden Mittfünfzi­ger Freunde, aber damals musste Holyfield alle Disziplin aufbringen, um nicht auf Tyson los zu gehen. „Es war nicht einfach, mich zu beherrsche­n. Ich wollte Tyson eigentlich direkt in die Eier treten“, sagte Holyfield zuletzt in einem Interview der „Sport Bild“. Kontakt suchen anlässlich des Jahrestage­s werde er nicht. „Ich werde ihn wohl aus einem Grund nicht anrufen: Das Gespräch

würde ihn nur daran erinnern, dass ich ihn damals verprügelt habe. Das mache ich nicht so gern.“

Mit seiner brutalen Schlagkraf­t war „Iron Mike“aus ärmlichen Verhältnis­sen zum jüngsten Weltmeiste­r der Box-Geschichte aufgestieg­en, als er mit gerade mal 20 Jahren den Titel holte. In meist kurzen Kämpfen knockte der schillernd­e New Yorker mit der markanten Zahnlücke viele seiner Gegner aus. Eine Verurteilu­ng wegen Vergewalti­gung, die dreijährig­e Haftstrafe und der Eklat gegen Holyfield brachten ihm endgültig den Ruf des Skandalbox­ers ein.

„Jeder hat einen Plan, bis er eins auf die Fresse bekommt“, hat Tyson einmal gesagt. Ein Satz, der auch sinnbildli­ch für sein Leben steht. Immer wieder geriet er mit Prügeleien und Entgleisun­gen in die Schlagzeil­en, hatte zeitweise Berufsverb­ot. Tyson schien mehrmals am Ende und alle Sympathien in der Öffentlich­keit verspielt zu haben. Tiger als private Haustiere, sein markantes Tattoo auf der linken Gesichtshä­lfte – die Leute hatten keinen Respekt mehr vor dem Sportler sondern lachten über den Menschen. Erst in den vergangene­n Jahren drehte sich die Wahrnehmun­g wieder etwas zum Besseren. Bei Jimmy Kimmel, Gastgeber der gleichnami­gen LateNight-Show im US-Fernsehen, sagte er unter dem Applaus des Publikums erst kürzlich: „Ich bin in einer gewinnende­n Position.“

Völlig störungsfr­ei ist sein Leben allerdings nicht. Erst vor wenigen Monaten geriet er wieder in die Schlagzeil­en, weil er in einem Flugzeug einen Mann verprügelt­e, der ihn zuvor verbal genervt und aufgezogen hatte. „Das hätte nicht passieren sollen. Ich hätte das nicht tun sollen. Ich war müde, high, angepisst“, sagte Tyson dazu.

Tyson wird Ende des Monats 56 Jahre alt. Den Ruf als der Typ, der seinem Gegner in einem Boxkampf ein Stück Ohr abgebissen und sich selbst nicht im Griff hat, wird er aber wohl auch in den kommenden 25 Jahren nicht mehr los. Vielleicht will er das aber auch gar nicht.

„Ich hätte das nicht tun sollen, aber ich war blutig und sauer.“

Mike Tyson

 ?? FOTO: JEFF HAYNES/DPA ?? Moment der Sportgesch­ichte: Mike Tyson (Mi.) beißt dem damaligen Weltmeiste­r Evander Holyfield (re.) ein Stück des rechten Ohrs ab.
FOTO: JEFF HAYNES/DPA Moment der Sportgesch­ichte: Mike Tyson (Mi.) beißt dem damaligen Weltmeiste­r Evander Holyfield (re.) ein Stück des rechten Ohrs ab.

Newspapers in German

Newspapers from Germany