Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Den Nachwuchs im Blick

VfB Friedrichs­hafen möchte deutsche Volleyball­talente für sich gewinnen

- Von Nico Brunetti

FRIEDRICHS­HAFEN - Mit der Beförderun­g des 17-jährigen Simon Kohn hat der VfB Friedrichs­hafen ein wichtiges Signal gesendet. Junge deutsche Volleyball­talente haben einen Platz im Profikader des Bundesliga-Vizemeiste­rs – dafür wollen die Häfler unter Geschäftsf­ührer Thilo Späth-Westerholt stehen. „Das Ziel, der Wunsch und der Wille sind da. Und wenn es sich umsetzen lässt, haben wir nichts dagegen“, betont Späth-Westerholt. In der Praxis gestaltet sich dieser Wunsch allerdings nicht immer so einfach, schließlic­h wollen die Häfler auch ihrem Status als Topclub gerecht werden.

„Du brauchst eine gewisse Routine in der Mannschaft“, macht SpäthWeste­rholt gegenüber der „Schwäbisch­en Zeitung“deutlich. Im Kader des VfB ist das auch erkennbar, unter anderem mit Mittelbloc­ker Marcus Böhme (36 Jahre) sowie Zuspieler und Kapitän Dejan Vincic (35 Jahre) beschäftig­ten die Häfler zwei sehr erfahrene Volleyball­er. Das ist ein wichtiger Baustein, um erfolgreic­h zu sein. Aber gerade aufgrund des Bundesstüt­zpunktes in Friedrichs­hafen achtet der VfB auch stark auf den Nachwuchs – und möchte diesen auch einbinden. Aus der Vergangenh­eit gibt es gute Beispiele. Die beiden Liberos Späth-Westerholt sowie Markus Steuerwald trugen das Trikot bei den Volley Youngstars, um dann in späteren Jahren zwei prägende Figuren des VfB zu sein. Oder aber Diagonalsp­ieler Linus Weber, der 2020 ohne große Spielpraxi­s aus Mailand kam und einschlug. „Da waren wir sehr mutig. Wir waren von seinen Qualitäten überzeugt und haben ihn als Leistungst­räger geholt“, so Späth-Westerholt. Weber wechselte danach zu Padua in Italien und spielt in der kommenden Saison in Warschau. Doch es gibt auch Beispiele wie Lukas Maase, die zeigen, dass es nicht immer so wie gewünscht funktionie­rt. Der VfB verpflicht­ete Maase als Diagonalsp­ieler aus Düren, um ihn zum Leistungst­räger

aufzubauen. Aber nach zwei Jahren mit Auf und Abs trennen sich die Wege, da ihm der VfB nicht mehr Spielzeit garantiere­n konnte. Für den heute 23-Jährigen geht es bei der SVG Lüneburg weiter.

Im Umgang mit den Spielern ist der VfB ehrlich und dann auch konsequent. Das Bestreben, junge deutsche Spieler ins Team zu integriere­n, ist hoch. „Aber das ist keinesfall­s ein Automatism­us“, sagt Späth-Westerholt. „Es bedarf großen Talents, Durchsetzu­ngsfähigke­it und Entwicklun­g, um sich einen Platz im Profikader zu erkämpfen.“Will heißen: Niemand wird in die Mannschaft aufgenomme­n, nur weil er jung und deutscher Herkunft ist.

Kohn hat die Verantwort­lichen demnach von sich überzeugt. Ein Grund dafür ist seine Flexibilit­ät: Der 17-Jährige ist sowohl als Libero als auch als Außenangre­ifer einsetzbar. Dadurch eignet er sich perfekt als zusätzlich­er Perspektiv­spieler, um bei Verletzung­en, Krankheite­n oder Schonung bereitzust­ehen. Er soll in erster Linie von den Profis lernen und auch durch die Einheiten in der Vorbereitu­ng und das Techniktra­ining am Vormittag Fortschrit­te machen. Anders als Ben-Simon Bonin, der 2020 vom Bundesstüt­zpunkt hochgezoge­n wurde, wird Kohn wird aber auch viel bei den Youngstars unterwegs sein. Dort soll er öfters nachmittag­s sowie abends trainieren und bei mehreren Spielen Verantwort­ung übernehmen.

Mittlerwei­le hat Bonin den Verein verlassen. Er spielt in der kommenden Saison für den finnischen Meister Valepa Sastamala. Späth-Westerholt begrüßt seine Entscheidu­ng, schließlic­h könne er in Finnland bei einem internatio­nal spielenden Club weiter reifen. Der VfB werde seinen Weg beobachten – das gilt vor allem auch für alle anderen Youngstars, die den Bundesstüt­zpunkt verlassen. Für sie ist der Sprung direkt zu den Profis meist zu hoch, weshalb beispielsw­eise der Weg zum Projekt VCO Berlin häufig eher der angesagter­e ist. In diesem Jahr sind es mit Anton Jung, Milan Kvrzic, Carl Möller, Phlipp Herrmann, Lovis Homberger und Felix Baumann gleich sechs Spieler der Youngstars, die die nächste Spielzeit beim VCO verbringen. „Das ist außergewöh­nlich, wenn so viele von einem Bundesstüt­zpunkt kommen“, freut sich Ralf Hoppe, Bundesstüt­zpunktleit­er in Friedrichs­hafen. Ihn würde es auch freuen, wenn der eine oder andere irgendwann wieder im Häfler Trikot spielt. Unter SpäthWeste­rholt, der sich oft mit Bundesstüt­zpunkttrai­ner Adrian Pfleghar über die Talente in Deutschlan­d austauscht, erkennt Hoppe das Bemühen. „Seitdem er Geschäftsf­ührer ist, hat sich das verbessert. Das hat Thilo im Blick“, berichtet Hoppe. Der Sprung zu einem Champions-League-Verein ist aber sehr hoch, weshalb es nur wenige Volleyball­er direkt schaffen können. Oft können aber Umwege ganz nützlich sein, wie Libero Julian Zenger bewiesen hat. Er brachte seine Karriere über die United Volleys Frankfurt und die BR Volleys so richtig in Gang und spielt nun beim Champions-League-Zweiten Trentino Itas“in Italien. „Viel mehr geht nicht“, weiß Hoppe. Er ist natürlich stolz auf seinen Weg, schließlic­h sieht sich der Bundesstüt­zpunkt als „Ausbildung­sverein für junge deutsche Spieler, die in die Spitze wollen“.

Der Fokus liege sicherlich auf Friedrichs­hafen, der VfB nimmt natürlich aber auch Spieler außerhalb des Bundesstüt­zpunktes in der eigenen Stadt ins Visier. „Wir haben alle jungen deutschen Spieler im Auge“, betont Späth-Westerholt. Denn so erhöht der VfB die Wahrschein­lichkeit, passende junge Talente für den eigenen Profikader zu gewinnen.

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ARCHIVFOTO: NORBERT MOELLER Der aufschlags­tarke Simon Kohn hat es in den Profikader des VfB Friedrichs­hafen geschafft.
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FOTO: MICHAEL EHRENSPERG­ER Das deutsche Duo Tim Zimmermann/Christophe­r Mies verpasste nur knapp das Treppchen.

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