Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Eltern fordern 10 000 neue Lehrer pro Jahr
Laut Gewerkschaft GEW verschärft sich Personalmangel an Schulen bis 2035 dramatisch
- Angesichts des massiven Lehrermangels in Baden-Württemberg fordern Elternvertreter eine Einstellungsoffensive. „Wir brauchen pro Jahr 10 000 neue Lehrerstellen über die kommenden zehn Jahre“, sagte Michael Mittelstaedt, Chef des Landeselternbeirats, der „Schwäbischen Zeitung“am Freitag.
Ohne Gegenmaßnahmen wird sich der Mangel an Lehrkräften im Südwesten bis zum Jahr 2035 verschärfen. Nach einer Analyse des Bildungswissenschaftlers Klaus Klemm für die Gewerkschaft GEW dürften bis dahin mindestens 16 000 Lehrerinnen und Lehrer fehlen. Wenn das Land seine Ziele bei den Grundschulen und der Integration von behinderten Kindern und Jugendlichen erreichen wolle, müssten bis 2035 noch deutlich mehr Lehrkräfte eingestellt werden. Nach Berechnungen von Klemm vergrößert sich die Lücke damit auf 27 000. Prognosen für Bayern gibt es noch nicht, nach Einschätzung des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV) fehlen aber bereits jetzt rund 4000 Lehrkräfte.
Zu Schuljahresbeginn waren nach Angaben von Südwest-Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) rund 900 Stellen im Südwesten nicht besetzt. Insgesamt unterrichten hier rund 110 000 Lehrer. Zu Beginn der Woche hatte dort der Verband VBE Ergebnisse einer Umfrage an allen Schularten außer den Gymnasien vorgelegt. Darin gaben die Chefs jeder fünften weiterführenden und jeder zehnten Grundschule an, im Notbetrieb zu arbeiten. Wegen Ausfällen beim Personal könne der vorgeschriebene Unterricht nicht erteilt werden. Auch an den anderen Schulen wurden Klassen zusammengelegt oder von nicht ausgebildeten Vertretungskräften unterrichtet.
„Es fällt überall im Land Unterricht aus, meine beiden Kinder sitzen tagelang zu Hause, ohne Aufgaben oder Fernbeschulung. Das scheint gerade der Standard“, sagte Elternvertreter Mittelstaedt. Die Folgen trügen vor allem die Schüler. Sie seien schlecht vorbereitet auf Klassenarbeiten, Gefühle von Überlastung und psychische Probleme nähmen zu. Eine Verdoppelung von Lehrerstellen bis 2032 klinge hoch gegriffen, so Mittelstaedt. „Aber Baden-Württemberg ist längst abgerutscht, was Bildungsqualität angeht. Und unsere Kinder stehen vor riesigen Herausforderungen: Energiekrise, Klimakrise, Digitalisierung. Wir müssen sie bestmöglich vorbereiten.“
Kultusministerin Schopper sagte, der Mangel sei bekannt und werde längst bekämpft – etwa durch zusätzliche Studienplätze. Angesichts von Pensionierungswellen und steigenden Schülerzahlen sei die Herausforderung jedoch groß. In den kommenden zwei Jahren wollen Grüne und CDU außerdem 500 neue Lehrerstellen schaffen. Mittelstaedt reicht das nicht. „Es wirkt, als wolle die Kultusministerin mit einer Kaffeetasse einen Großbrand löschen“, erklärte er.