Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Habecks Atomkraft-Schlingerkurs schadet den Grünen in Hannover
In Niedersachsen ketteten sich einst Atomkraftgegner an Schienen. Im Wendland gingen Landwirte gegen Atommüllendlager auf die Straße. Die Region war eine der Keimzellen für den Widerstand gegen die „Hochrisikotechnologie“, wie ihre Gegner sagen. Die Grünen waren stets eng verwoben mit diesem Protest. Bis heute macht die Atomgegnerschaft ihren Kern, ihr Selbstverständnis aus. Doch genau das könnte ihnen nun bei der Landtagswahl zum Verhängnis werden. Über kein anderes Thema wurde im Sommer und während des Wahlkampfes so sehr debattiert wie die Energieversorgung. Recht früh wollte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne/Foto: dpa) das Thema abräumen, um ein gutes Abschneiden seiner Grünen in Niedersachsen nicht zu gefährden. Also eröffnete er: Das AKW Emsland geht wie geplant Ende des Jahres vom Netz. Doch der Schlingerkurs bei den verbliebenen Meilern im Süden kam gar nicht gut an, heißt es in Berlin. Statt von vornherein den Streckbetrieb von Isar 2 und Neckarwestheim zu verkünden, pirschte sich Habeck mit einer Notfallreserve an. Es war ein Zugeständnis an die Bundestagsfraktion und Kabinettskollegin Annalena Baerbock, die den Streckbetrieb bis heute vehement ablehnen. Zuletzt sagte Habeck, dass man die Notreserve immer wahrscheinlicher wird ziehen müssen. Doch da war es schon zu spät. Sein Kurs sorgte für Verunsicherung und verschreckte jene Wähler, die um die Stromversorgung im Winter fürchten, heißt es aus der Partei. Das Ergebnis davon lässt sich nun in seinen Beliebtheitswerten, aber auch den Umfragen in Niedersachsen ablesen. Im Juli lagen die niedersächsischen Grünen noch bei starken 22 Prozent. Heute haben sie deutlich an Zustimmung verloren. In den neuesten Befragungen würden sie nur 16 Prozent der Wähler für sich gewinnen können. Das wäre zwar immer noch eine Verdoppelung gegenüber den Landtagswahlen vor fünf Jahren. Doch der Anspruch ist weitaus größer. Nun müssen sie darum bangen, ob sie mit der SPD überhaupt eine ZweierKoalition bilden können. Sogar von der AfD, die derzeit bei elf Prozent liegt, könnten sie eingeholt werden. Es wäre nicht nur eine Niederlage für die Landesgrünen, sondern auch für Vizekanzler Habeck. (dot)