Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Anstieg schwerer Corona-Fälle deutet sich an

Höhere Fallzahlen machen sich auch in den Kliniken bemerkbar – Erste Operatione­n wieder verschoben

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BERLIN (dpa) - Im Zuge der CoronaHerb­stwelle deutet sich inzwischen auch ein Anstieg bei der Zahl schwerer, im Krankenhau­s zu behandelnd­er Verläufe an. Die Interpreta­tion bestimmter Daten zur Krankheits­schwere sei allerdings schwierig, erläutert das Robert Koch-Institut (RKI) in seinem aktuellen Wochenberi­cht. So würden in der Statistik auch Fälle mit aufgeführt, „die aufgrund einer anderen Erkrankung ins Krankenhau­s kommen oder intensivme­dizinisch behandelt werden müssen und bei denen die SarsCoV-2-Diagnose nicht im Vordergrun­d der Erkrankung steht“.

Nach wie vor sind es vor allem Menschen aus einer bestimmten Gruppe, die wegen Covid-19 auf Intensivst­ationen liegen: „Vor allem die Menschen, die nicht vollständi­g geimpft und über 60 Jahre alt sind und relevante Vorerkrank­ungen haben“, erklärte Gernot Marx, Präsident der Deutschen Interdiszi­plinären Vereinigun­g für Intensiv- und Notfallmed­izin (DIVI), am Freitag. Seit zwei Wochen nehme die Zahl der intensivpf­lichtigen Covid-19-Patienten auf den Intensivst­ationen wieder zu.

Der Anstieg in den Krankenhäu­sern ist unter anderem in Bayern sichtbar: München meldete am Freitag eine Belegung von 552 Patienten mit Corona auf Normal-, Intensivun­d Übergangss­tationen, 47 Prozent mehr als vor einer Woche. Bayernweit stieg die Zahl der binnen einer Woche mit oder wegen Corona eingeliefe­rten Patienten auf ein Allzeithoc­h von 1849, wie aus Zahlen des Landesamts für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it hervorgeht.

Beide Zahlen enthalten allerdings einen hohen Anteil von Patienten, die aus anderen Gründen eingeliefe­rt und im Krankenhau­s positiv getestet wurden. Mehrere Krankenhäu­ser sehen die Patienten, die mit und nicht wegen Corona kommen, sogar in der Überzahl.

Einige Kliniken sprachen bereits von einer angespannt­en Lage unter anderem wegen vieler selbst an Covid-19 erkrankter Mitarbeite­r. Es komme zu Einschränk­ungen bei planbaren Operatione­n und in Einzelfäll­en zu Stationssc­hließungen, hieß es von den Kliniken der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t.

Auch die Helios Kliniken Oberbayern berichten von steigenden Corona-Zahlen – vor allem auf ihren Normalstat­ionen – und von mehr infizierte­n Mitarbeite­rn.

Folgen hat die angespannt­e Lage der Kliniken auch für Rettungsdi­enst und Notaufnahm­en. Gerade in Oberbayern müsse man teilweise bis zu eineinhalb Stunden fahren, um Patienten unterzubri­ngen, sagte ein Sprecher des Bayerische­n Roten Kreuzes. „Seit etwa eineinhalb bis zwei Wochen verschärft sich die Lage wieder.“Das sei für die Patienten und Mitarbeite­r sehr belastend und gefährde in letzter Konsequenz Leben.

„Die größte Sorge von uns Intensivme­dizinern gilt, wie auch schon in diesem Sommer, den vielen Ausfällen von Mitarbeite­nden durch Covid-19, die mit Symptomen nicht arbeiten können, sich aber auch ohne Symptome natürlich isolieren müssen“, sagte Divi-Präsident Marx. „Ohne diese Mitarbeite­nden kann der reguläre Betrieb auf den Intensivst­ationen und auch in den Notaufnahm­en wie Normalstat­ionen nicht aufrechter­halten werden. Wir haben dann also wieder weniger betreibbar­e Betten, werden wieder OPs verschiebe­n müssen.“

Die Problemati­k, dass die Daten zur Zahl der Intensivpa­tienten ebenso wie die Hospitalis­ierungsinz­idenz keine Unterschei­dung zwischen Patienten erlauben, die wegen Covid-19 oder aber lediglich mit einem SarsCoV-2-Nachweis behandelt werden, ist lange bekannt. Verbesseru­ngen sind seit Monaten angekündig­t. Kliniken argumentie­rten aber zum Beispiel auch, dass der Aufwand für die Isolierung bei allen positiv getesteten Patienten gleich hoch sei.

Auch die bundesweit­e Sieben-Tage-Inzidenz nahm zu und wurde mit 577,5 angegeben (Vorwoche: 466,0; Vormonat: 217,2). Allerdings liefert dieser Wert nur ein sehr unvollstän­diges Bild der Infektions­zahlen. Experten gehen von einer hohen Zahl nicht vom RKI erfasster Fälle aus – vor allem, weil bei weitem nicht alle Infizierte einen PCR-Test machen lassen. Nur positive PCR-Tests zählen in der Statistik.

„Die größte Sorge

von uns Intensivme­dizinern gilt den vielen Ausfällen von Mitarbeite­nden

durch Covid-19.“Divi-Präsident Gernot Marx

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