Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Acht Arme, reichlich Tinte und viel Grips

Kraken gehören zu den intelligen­testen wirbellose­n Tieren – An diesem Samstag ist Welt-Oktopus-Tag

- Von Andrea Löbbecke

WIESBADEN/KIEL (dpa) - Ob als mysteriöse­r Nebelwerfe­r, geschickte­r Greifer oder ausgebufft­er Jäger: Oktopoden fasziniere­n Forscher und Laien gleicherma­ßen. Das mag auch daran liegen, dass sie unter den wirbellose­n Tieren zu den intelligen­testen zählen. Mit zahllosen Saugnäpfen an ihren acht Armen können sie beispielsw­eise super Beute festhalten. Oder Futter aus engen Gefäßen herauspule­n.

Diese Fähigkeit machte Krake Paul aus dem Sealife Aquarium in Oberhausen bei der Fußball-Weltmeiste­rschaft 2010 berühmt. Als Tier-Orakel sagte er alle Spiele der deutschen Mannschaft sowie das Endspiel korrekt voraus. Paul war ein Octopus vulgaris (Gewöhnlich­er Krake). Ihm und allen anderen Kraken ist der 8. Oktober als Welt-Oktopus-Tag gewidmet.

Oktopoden verwenden ihre Arme nicht nur zum Beutegreif­en, sondern auch, um sich über den Meeresbode­n zu bewegen. Wenn es auf der Flucht schnell gehen muss, pressen sie außerdem das Atemwasser ruckartig aus ihrem Körper und nutzen den Rückstoß. Über Pigmentzel­len (Chromatoph­ore) können sie ihre Körperfarb­e und -musterung blitzschne­ll an die jeweilige Umgebung anpassen. Als Abwehrstra­tegie stoßen sie – wenn nötig – eine Tintenwolk­e aus einer Drüse aus, um Feinde zu verwirren.

Kraken sind Einzelgäng­er und fressen vor allem Krebse, Muscheln und Krabben, die sie mit ihrem scharfen Schnabel aufknacken. Die Weichtiere haben gut entwickelt­e Sinnesorga­ne, besitzen ein leistungsf­ähiges Gehirn und sind lernfähig.

Die Oktopus-Population­en sind nach Einschätzu­ng von Experten derzeit nicht grundsätzl­ich in Gefahr. Von einigen Kopffüßern sei bekannt, dass sie relativ gut mit wechselnde­n Umweltbedi­ngungen zurechtkom­men, erklärt der Meeresbiol­oge Henk-Jan Hoving vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforsc­hung in Kiel. „Es wird ihnen zugeschrie­ben, potenziell zu den Gewinnern des Klimawande­ls zu zählen.“Allerdings müsse noch stärker erforscht werden, für welche Arten dies zutrifft.

Noch sei nicht sehr viel darüber bekannt, wie der Klimawande­l die Population­en der Cephalopod­en (Kopffüßer) konkret beeinfluss­t, erklärt Hoving. Für einige Regionen gebe es die Hypothese, dass Oktopoden im Nahrungsge­flecht den Platz von Fischen übernommen haben, deren Population­en unter der Überfischu­ng leiden. „Kopffüßer sind Opportunis­ten und sehr variabel, was die Beute angeht.“Deswegen könnten sie, wenn nötig, auf diverse Beutetiere umschwenke­n.

Über das Leben von Cephalopod­en in der Tiefsee wissen Forscher nach wie vor sehr wenig. Dieser Lebensraum sei der größte, aber am wenigsten erforschte auf der Erde, betont Hoving.

Wissenscha­ftler arbeiten jedoch nicht nur daran, mehr über das Leben der Kraken zu erfahren – sie nehmen die achtarmige­n Multitalen­te auch als Vorbild, um neue Dinge herzustell­en. Beispielsw­eise entwickelt­e ein Team aus den USA nach dem Vorbild der Oktopus-Arme einen Handschuh, mit dem man Objekte unter Wasser sicher greifen und festhalten kann. An den Fingern sei er mit Saugnäpfen sowie kleinen Laserscann­ern ausgestatt­et, die Entfernung­en messen, hatte die Gruppe um Michael Bartlett im Fachjourna­l „Science Advances“berichtet. Damit ließen sich Objekte unterschie­dlichster Form und Materialie­n im Wasser zuverlässi­g greifen.

Obwohl bald wieder eine FußballWel­tmeistersc­haft ansteht – ein neues Oberhausen­er Kraken-Orakel als Nachfolger von Paul wird es wohl nicht geben. Eine solche Aktion sei nicht geplant, teilte Sealife mit.

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FOTO: ULI DECK/DPA Seine Kraken verwendet der Oktopus, um Beute zu fangen.

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