Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Angeheizte Rassismus-Debatte

- Von Christine King

Tatort: Die Rache an der Welt (ARD, Sonntag, 20.15 Uhr) – Sechs Jahre ist es jetzt her, dass ein afghanisch­er Flüchtling in Freiburg eine Studentin missbrauch­t und umgebracht hat. Der Fall hat damals die Flüchtling­sdebatte kräftig angeheizt, jetzt erinnert der „Tatort“zum 20-jährigen Lindholm-Jubiläum wieder daran. Die NDR-Redaktion hat sich vom preisgekrö­nten Autor Daniel Nocke eine Geschichte mit gesellscha­ftlichem Zündstoff gewünscht. Und der hat geliefert. Und wie.

In einem Waldstück bei Göttingen wird die Leiche einer jungen Frau entdeckt. Charlotte Lindholm (Maria Furtwängle­r) und ihre Kollegin Anais Schmitz (Florence Kasumba) geraten mitten hinein in Vorurteile und Rassismusv­orwürfe und sind selbst nicht davor gefeit. Weil ein Zeuge einen Flüchtende­n „mit stechendem Blick und eindeutig ausländisc­her Herkunft“gesehen hat, recherchie­ren sie im nahegelege­nen Flüchtling­s-Fußball-Camp, wo sich auch die tote Studentin engagierte. Allerdings sind die beiden Kommissari­nnen unterschie­dlicher Meinung und erst einmal in verschiede­nen Richtungen unterwegs. Lindholm schießt sich auf einen Flüchtling ein, Schmitz glaubt eher an die Tat des sogenannte­n „Wikingers“. Dieser Triebtäter wird seit Wochen gesucht und treibt immer wieder sein Unwesen

in der Stadt. Bisher wurden

von ihm allerdings nur Frauen belästigt, aber nicht getötet.

Es ist ein gesellscha­ftliches Reizthema, das hier in vielen Facetten gespielt wird. Mal fühlt sich Lindholm von Syrern provoziert und droht gleich mit Gefängnis, mal darf Schmitz die Augen verdrehen, wenn von „einer dunklen Ausstrahlu­ng“geredet wird. Regisseur Stefan Krohmer liebt die Zwischentö­ne, die Kolleginne­n bleiben aber grundsätzl­ich sachlich, Zickenalar­m ist Fehlanzeig­e. Und die RassismusD­ebatte? Spielt sich hauptsächl­ich auf der subjektive­n Ebene der jeweiligen Figuren ab. Ein bei der Flüchtling­shilfe engagierte­s Ehepaar berichtet von „schönen Situatione­n bei uns im Wohnzimmer, wenn wir uns nah waren und alle erzählten“, während ein Syrer in perfektem Deutsch die gleiche Situation wie folgt beschreibt: „Ich habe es gehasst, immer wieder erzählen zu müssen, wie ich gefoltert wurde.“Klischees werden nicht bedient. Zum Glück. Auch dass auch im privaten Umfeld der Ermordeten ermittelt wird, ist eine schöne Idee. Hier macht sich vor allem die WGMitbewoh­nerin verdächtig, die der Polizei so manches verschweig­t.

Alles in allem ein unkomplizi­erter, aber trotzdem spannender „Tatort“, der die Täterfrage bis zum Schluss offenhalte­n kann.

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