Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Angeheizte Rassismus-Debatte
Tatort: Die Rache an der Welt (ARD, Sonntag, 20.15 Uhr) – Sechs Jahre ist es jetzt her, dass ein afghanischer Flüchtling in Freiburg eine Studentin missbraucht und umgebracht hat. Der Fall hat damals die Flüchtlingsdebatte kräftig angeheizt, jetzt erinnert der „Tatort“zum 20-jährigen Lindholm-Jubiläum wieder daran. Die NDR-Redaktion hat sich vom preisgekrönten Autor Daniel Nocke eine Geschichte mit gesellschaftlichem Zündstoff gewünscht. Und der hat geliefert. Und wie.
In einem Waldstück bei Göttingen wird die Leiche einer jungen Frau entdeckt. Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) und ihre Kollegin Anais Schmitz (Florence Kasumba) geraten mitten hinein in Vorurteile und Rassismusvorwürfe und sind selbst nicht davor gefeit. Weil ein Zeuge einen Flüchtenden „mit stechendem Blick und eindeutig ausländischer Herkunft“gesehen hat, recherchieren sie im nahegelegenen Flüchtlings-Fußball-Camp, wo sich auch die tote Studentin engagierte. Allerdings sind die beiden Kommissarinnen unterschiedlicher Meinung und erst einmal in verschiedenen Richtungen unterwegs. Lindholm schießt sich auf einen Flüchtling ein, Schmitz glaubt eher an die Tat des sogenannten „Wikingers“. Dieser Triebtäter wird seit Wochen gesucht und treibt immer wieder sein Unwesen
in der Stadt. Bisher wurden
von ihm allerdings nur Frauen belästigt, aber nicht getötet.
Es ist ein gesellschaftliches Reizthema, das hier in vielen Facetten gespielt wird. Mal fühlt sich Lindholm von Syrern provoziert und droht gleich mit Gefängnis, mal darf Schmitz die Augen verdrehen, wenn von „einer dunklen Ausstrahlung“geredet wird. Regisseur Stefan Krohmer liebt die Zwischentöne, die Kolleginnen bleiben aber grundsätzlich sachlich, Zickenalarm ist Fehlanzeige. Und die RassismusDebatte? Spielt sich hauptsächlich auf der subjektiven Ebene der jeweiligen Figuren ab. Ein bei der Flüchtlingshilfe engagiertes Ehepaar berichtet von „schönen Situationen bei uns im Wohnzimmer, wenn wir uns nah waren und alle erzählten“, während ein Syrer in perfektem Deutsch die gleiche Situation wie folgt beschreibt: „Ich habe es gehasst, immer wieder erzählen zu müssen, wie ich gefoltert wurde.“Klischees werden nicht bedient. Zum Glück. Auch dass auch im privaten Umfeld der Ermordeten ermittelt wird, ist eine schöne Idee. Hier macht sich vor allem die WGMitbewohnerin verdächtig, die der Polizei so manches verschweigt.
Alles in allem ein unkomplizierter, aber trotzdem spannender „Tatort“, der die Täterfrage bis zum Schluss offenhalten kann.