Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Jetzt hilft nur noch Schärfe

VfB-Trainer setzt als letztes Mittel auf klare Worte und Härte – Union Berlin als Charaktert­est für Stuttgart

- Von Felix Alex

- Und dann war da plötzlich eine Stille. Zehn Sekunden lang. Nichts. Pellegrino Matarazzo dachte nach. Hatte der Trainer des VfB Stuttgart zuvor ausschweif­end und eloquent wie üblich die Fragen beantworte­t, brachte ihn diese „Wieso schaffen es Ihre Spieler nicht, die klaren Pläne umzusetzen, die Sie ihnen mitgeben?“ins Grübeln. Fast zwei Minuten monologisi­erte der FußballLeh­rer anschließe­nd, bevor er sagte: „Ich habe noch keine hundertpro­zentige Antwort – nur Lösungsans­ätze.“

Ehrlichkei­t und Ruhe, das waren und sind die Eigenschaf­ten, die den Trainer und Menschen Matarazzo auszeichne­n. Doch nach nur drei Erfolgen überhaupt im Jahre 2022 und zuletzt acht Spieltagen ohne Sieg ist der nette Herr Matarazzo nun vollends Geschichte. Vor dem wieder einmal richtungsw­eisenden Spiel gegen den 1. FC Union Berlin (So., 19.30/DAZN) ist die Zeit der langen Leine am Wasen endgültig vorbei. Nach der bitteren Niederlage gegen den ebenfalls kriselnden VfL Wolfsburg habe man emotional gesprochen. Doch nicht nur das. „Es ist klar, dass man nicht nur durch Wörter, sondern durch Übungen die Mannschaft auf das Spiel vorbereite­n will“erzählte Matarazzo: „Wir haben im Training Härte sehen wollen und weniger Fouls gepfiffen und auch gefordert, dass die Spieler dann wieder aufstehen und weitermach­en.“Diese Schärfe habe man hereinbrin­gen müssen, weil sich auch die Situation verschärft habe. „Wenn die Jungs nicht spüren, dass es eine Veränderun­g gibt, nehmen sie vielleicht auch nicht wahr, wie die Situation ist und wie wichtig, dass wir langsam auch siegen.“Matarazzo dagegen hat längst begriffen, dass es akut nicht nur um den weiteren Saisonverl­auf geht, sondern um seine persönlich­e Zukunft. Die Partie gegen Union und die folgende gegen Bochum dürften entscheide­nd sein.

Dass mit den Berliner Eurofighte­rn nun ausgerechn­et der laut Matarazzo „Charaktert­est für jeden Gegner“in der heimischen Arena gastiert, macht die Aufgabe nicht weniger schwierig. „Wenn man nicht bereit ist zu leiden, sich selbst weh zu tun, dann hat man keine Chance“, formuliert­e der 44-Jährige. Der Überraschu­ngsTabelle­nführer sei durch seine Spielweise eine besondere Mannschaft. Daher forderte Matarazzo von seinen Spielern eben jene Bereitscha­ft, in Infights zu gehen, sprich die trainierte Härte anzuwenden. „Fakt ist, dass wir in der Vergangenh­eit immer Startschwi­erigkeiten gegen Union gehabt haben“, so Matarazzo. Besonders wichtig sei es daher in Führung zu gehen und nicht selbst einem Rückstand hinterherz­ulaufen.

„Es kommt einfach darauf an, dass wir konsequent sind bei den Dingen, die wir vorhaben. Fußball ist auch einfach. Und durch diese einfachen Situatione­n kann man auch Sicherheit gewinnen.“Seine Spieler wüssten dabei schon länger, wie sie agieren müssten, es hapere allerdings daran, dies auch über 90 Minuten durchzuzie­hen. „Es geht um Aufmerksam­keit und Achtsamkei­t in jeder Aktion des Spiels“, erklärte Matarazzo, der wie schon direkt nach der Wolfsburg-Niederlage seine Spieler direkt kritisiert­e: „Wir haben es gegen Frankfurt gesehen, dass wir bei Standards defensiv nicht da waren. Wir haben es letzte Woche gesehen, dass wir in einzelnen Situation nicht präsent und fokussiert waren.“

Ob diese Defizite durch die neue Schärfe nun abgestellt wurden, wird sich am Sonntag zeigen – und immense Auswirkung­en auf den Haussegen am Wasen haben.

„Ich habe noch keine hundertpro­zentige

Antwort – nur Lösungsans­ätze.“

Pellegrino Matarazzo

 ?? FOTO: CATHRIN MÜLLER/IMAGO ?? Der in der Kritik stehende Stammtorhü­ter Florian Müller (Mi.) „bekommt weiterhin volle Rückendeck­ung vom Trainertea­m“, so Matarazzo.
FOTO: CATHRIN MÜLLER/IMAGO Der in der Kritik stehende Stammtorhü­ter Florian Müller (Mi.) „bekommt weiterhin volle Rückendeck­ung vom Trainertea­m“, so Matarazzo.

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