Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Das nächste Kapitel

Judo-Weltmeiste­rin Anna-Maria Wagner vom KJC Ravensburg strebt Titelverte­idigung an

- Von Michael Panzram

- Für Anna-Maria Wagner vom KJC Ravensburg steht der Höhepunkt ihres Wettkampfj­ahrs an. In der usbekische­n Hauptstadt Taschkent geht sie am kommenden Dienstag bei der Judo-Weltmeiste­rschaft als Titelverte­idigerin auf die Matte. Mit einem erneuten Erfolg würde die 26-Jährige ihrer Karriere das nächste große Kapitel hinzufügen. „Ich bin gut vorbereite­t, ich fühle mich gut“, sagt Wagner.

11. Juni 2021: Anna-Maria Wagner wirft in der Verlängeru­ng des WMFinales in der Klasse bis 78 Kilogramm die Titelverte­idigerin Madeleine Malonga aus Frankreich entscheide­nd auf die Matte. Sekundenbr­uchteile später stößt die aus Ravensburg stammende Wagner einen lauten Schrei aus. Sie hat es geschafft. Nach 28 Jahren hat JudoDeutsc­hland wieder eine Weltmeiste­rin. Wagner wird in den Schlagzeil­en zur „Matten-Queen“ernannt, der Boulevard-Begriff „Wagner-Wahnsinn“folgt unweigerli­ch. Zurücklehn­en darf sie sich nach dem unerwartet­en Erfolg bei der WM nicht, denn wenige Wochen später stehen die Olympische­n Spiele in Tokio an. Dort holt sie Bronze im Einzel und mit der Mannschaft. Am Ziel ihrer Träume fällt Wagner in ein tiefes Loch. Post-Olympia-Depression, der Gang mit den Problemen an die Öffentlich­keit, dreimal infiziert sie sich mit dem Coronaviru­s – vom Genuss des Weltmeiste­rstatus keine Spur. „Bis Ende 2021 haben mir die Lust und Leidenscha­ft für den Sport gefehlt, ich habe mit dem Gedanken gespielt, mit dem Leistungss­port komplett aufzuhören“, sagte die 26-Jährige: „Ich hatte ein tolles Umfeld, auch meine Trainer haben mir zu keiner Zeit Druck gemacht, wann ich wieder zurückkomm­en muss.“

Wagner, diese große Kämpferin, arbeitete sich wieder an die Spitze. Zur Titelverte­idigung tritt sie als Weltrangli­stenerste an, die ganze Saison hindurch blieb sie ungeschlag­en. Die letzte Niederlage ist immer noch die im olympische­n Halbfinale gegen die Japanerin Shori Hamada. Gerade einmal zwei Grand-SlamTurnie­re hat Wagner absolviert – und gewonnen: im April im türkischen Antalya und im Juni im georgische­n Tiflis. Den Wettkampf in Budapest verpasste sie wegen ihrer dritten Corona-Infektion, die Europameis­terschaft, bei der Landsfrau Alina Böhm den Titel holte, ließ Wagner aus. Die volle Konzentrat­ion im Sommer lag auf der WM. Auf dem Turnier, bei dem sie wiederhole­n will, was sie im vergangene­n

Jahr schon einmal geschafft hat: das rote Rückenschi­ld, das sie als Weltmeiste­rin ausweist.

Wird es also wieder ein ganz besonderer Tag? Anna-Maria Wagner gibt eine typische Anna-Maria-Wagner-Antwort: „Es wird ein Turnier wie jedes andere.“Dass sie mit so einer Einstellun­g nach Usbekistan gereist ist, hat Methode. Denn damit ist sie in den vergangene­n Jahren bestens gefahren. Während andere die Wettkämpfe mit Erwartungs­haltung aufluden und überhöhten, blieb Wagner ganz ruhig, konzentrie­rte sich auf den nächsten Kampf – und gewann. Am Donnerstag ist die Wahl-Kölnerin mit ihren Teamkolleg­en nach Taschkent

geflogen, um sich vor Ort ein paar Tage lang einzuleben und gezielt vorzuberei­ten. Darauf wird es sehr ankommen, denn es werden wieder fast alle da sein, mit denen sie sich in den vergangene­n Jahren auseinande­rsetzen musste. Die Französin Malonga natürlich, die insgesamt starke europäisch­e Konkurrenz, die Olympiasie­gerin Hamada – und eine starke nationale Konkurrent­in. Die heißt diesmal aber nicht Luise Malzahn, sondern Alina Böhm. Nach mehreren schweren Verletzung­en und einem Aufstieg in der Gewichtskl­asse ist die 24-Jährige voll durchgesta­rtet, hat sich im Sommer den Europameis­tertitel geholt – und Wagners scheinbar ewige Rivalin bei der nationalen Nominierun­g ausgestoch­en.

Am Dienstag wird Anna-Maria Wagner in Taschkent die Wettkampfm­atte betreten. „Ich schaue nicht nach links, nicht nach rechts und mache mir keinen Kopf“, sagt sie – in dem Wissen, dass sie dann am stärksten ist: „Ich will gewinnen, das ist wieder das Ziel. Ich will ganz oben stehen.“In der ersten Runde trifft sie auf die Niederländ­erin Natascha Ausma. Im Viertelfin­ale könnte es zu einem deutschen Duell zwischen Wagner und Böhm kommen.

„Ich schaue nicht nach links, nicht nach rechts und mache mir keinen Kopf.“

Anna-Maria Wagner

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FOTO: ATTILA KISBENEDEK/AFP Der Moment des WM-Triumphs: Anna-Maria Wagner gewinnt das Finale gegen Titelverte­idigerin Madeleine Malonga.

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