Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Auch gesunde Schokolade lässt Pickel sprießen

Zucker und Milch, Stress und Sonne können Akne fördern – Aktuelle Studien zeigen, welche Faktoren besonders problemati­sch sind

- Von Jörg Zittlau ●

Eine aktuelle Studie zeigt: Der Genuss von Schokolade fördert tatsächlic­h Akne. Aber das liegt nicht – wie viele vermuten – an ihrem hohen Fett- und Zuckerante­il, sondern am enthaltene­n Kakao. Und das ist nicht der einzige erstaunlic­he Befund, den Wissenscha­ftler zu den Ursachen der oft entstellen­den Pickel aufgestell­t haben. Ein Überblick.

„Wenn du keine Pickel haben willst, dann lass die Finger von Schokolade!“Diesen Tipp mussten sich Jugendlich­e schon vor 50 Jahren anhören, und bis heute hat sich daran nichts geändert. Wobei heute nicht mehr die Leckerei an sich, sondern ihre Zusammense­tzung im Fokus steht. Laut Umfragen glauben mittlerwei­le viele Akne-Patienten, dass nicht die Schokolade an sich, sondern deren hoher Zuckergeha­lt die entzündete­n Pickel sprießen lässt. Doch das ist wohl ein Irrtum.

Ein Forscherte­am um Federica Dall’Oglio von der Universitä­t Catania hat die aktuelle Studienlag­e zum Thema „Akne und Ernährung“analysiert und kommt dabei zu dem Schluss, dass nicht nur die hellen und süßen Vollmilch-Schokorieg­el, sondern auch die dunklen, bitteren Varianten zu der Erkrankung beitragen. Die italienisc­hen Dermatolog­en können dazu auf mehrere Studien verweisen. In einer davon hat man 25 Akne-Patienten täglich 25 Gramm dunkle Schokolade mit 99 Prozent Kakaoantei­l essen lassen, vier Wochen lang – und danach sahen ihre Gesichter deutlich schlimmer aus als zuvor.

In einer US-amerikanis­chen Untersuchu­ng ließ man die Probanden täglich entweder Schokolade oder Bonbons essen, beide mit identische­m Zuckergeha­lt. Am Ende hatten die Schoko-Probanden rund fünf Pickel mehr im Gesicht. „Das mag sich nicht wie eine große Sache anhören“, betont Studienlei­ter Gregory Delost vom Medical Center in Cleveland. „Aber wenn jemand kurz vor seinem Abschlussb­all steht, dann sind fünf Pickel definitiv klinisch relevant.“Erklären ließe sich dieser Effekt daraus, dass die Gerbsäuren und einfach gesättigte­n Fette des Kakaos nicht nur Entzündung­en, sondern auch das Wachstum von Akne-Bakterien fördern. „Aber dazu muss sicherlich noch näher geforscht werden“, betont Dall’Oglio. Dennoch ist Zucker keineswegs unproblema­tisch. Die Forscherin betont, dass ein Speiseplan mit einem hohen Glykämisch­en Index – der GI gibt an, wie stark und schnell der Blutzucker­spiegel nach einer Mahlzeit ansteigt – das Akne-Risiko deutlich ansteigen lässt. Der Grund: Ein hoher GI lässt mehr Hormone und Wachstumsf­aktoren kursieren, die gerade im jugendlich­en Körper dazu führen, dass sich die Talgdrüsen an den Haarfollik­eln verstopfen – und dann haben die dortigen Bakterien ein leichtes Spiel.

Als besonders problemati­sch haben sich in dieser Hinsicht industriel­l gesüßte Nahrungsmi­ttel wie Cornflakes, Pommes, Kräcker und Toast herausgest­ellt, weil sie den Blutzucker­spiegel heftig nach oben treiben. Und Softdrinks sind in diesem Zusammenha­ng besonders verhängnis­voll. Gesüßte Tees etwa steigern das Akne-Risiko auf das 2,5-fache.

Aber auch Milch ist ein Problem. Sie steigert laut einer chinesisch­en Studie das Akne-Risiko um 16 Prozent, und bei Magermilch sind es sogar 24 Prozent. Letzterer Befund bedeutet, dass offenbar nicht die Fette, sondern andere Substanzen des Molkereipr­odukts zum Wachstum von Pickeln beitragen. Die Forscher vermuten, dass Magermilch weniger satt macht, so dass die Konsumente­n mehr davon trinken und dadurch mehr Eiweiße und andere Wachstumsf­aktoren der Milch verzehren, die ja eigentlich als Powernahru­ng für Kälber gedacht ist. Und das, so die Autoren weiter, steigere – ähnlich wie der hohe GI – die Talgproduk­tion in der Haut und am Ende das Akne-Risiko.

Fermentier­te Milchprodu­kte müssen Akne-Patienten hingegen nicht unbedingt meiden. Denn mittlerwei­le steht fest, dass bestimmte

Mitglieder der Darmflora das Entzündung­sgeschehen in der Haut dämpfen können. Dazu gehören auch einige Laktobazil­len, die an der Fermentati­on von Milch beteiligt sind. Einem italienisc­h-portugiesi­schen Forscherte­am gelang es, die Pickelanza­hl von Akne-Patienten um rund ein Drittel zu verringern, indem man ihnen zwölf Wochen lang ein probiotisc­hes Präparat mit Lactobacil­lus rhamnosus verabreich­te. Prinzipiel­l findet man diese Milchsäure­bakterie auch in Joghurt. Doch in welcher Anzahl, das sieht man ihm natürlich nicht an, wenn man ihn im Supermarkt in den Warenkorb packt.

Außerdem sollte man seinen Joghurt nicht unbedingt vor dem Tablet, Laptop oder Smartphone verspeisen. Denn ein chinesisch­es Forscherte­am hat die maßgeblich­en Umwelteinf­lüsse für Akne zusammenge­tragen und dabei herausgefu­nden, dass diese Geräte durch ihr kurzwellig­es Licht das Wachstum von Staphyloco­ccus aureus, also dem bakteriell­en Hauptübelt­äter im Akne-Geschehen anstacheln. Als weitere Faktoren, die Pickel begünstige­n, haben sich Städte mit viel Smog und wenig Grün herausgesc­hält, weil sie die natürliche­n Barrierefu­nktionen der Haut schwächen. Dies gilt auch für Schlafmang­el und psychische­n Stress, wobei der,

wie Studienlei­ter Jianting Yang von der East China Normal University in Shanghai betont, noch durch eine weitere Eigenschaf­t zur Akne beiträgt: „Er führt zur Freisetzun­g von Neuropepti­den und Hormonen, die das Akne-Geschehen antreiben.“

Sonne und heißes Wetter spornen ebenfalls die Pickelbild­ung an, weil mehr Talg in der Haut gebildet wird. Beim Rauchen allerdings sind die wissenscha­ftlichen Daten widersprüc­hlich. Es stimuliert einerseits die Ausschüttu­ng von Entzündung­sbotenstof­fen, anderseits hemmen mehr als 20 Zigaretten täglich die Funktion von nikotinsen­siblen Cholin-Rezeptoren, die sonst die Talgproduk­tion ankurbeln würden. In einer

israelisch­en Studie an rund 27 000 Männern zeigten Raucher ein etwa um ein Drittel niedrigere­s Akne-Risiko. Was natürlich nicht zur Kippe animieren sollte. Aber die Forscher könnten sich durchaus Nikotinpfl­aster als Therapieop­tion in der Behandlung von Akne vorstellen.

Eine weitere Option könnte das Warten auf bessere Zeiten sein. Zumindest für Männer. Denn Jungen leiden in der Pubertät zwar doppelt so oft wie Mädchen an Akne, doch im Erwachsene­nalter dreht sich der Spieß zusehends um. In den Vierzigern kämpft noch jede vierte Frau mit den Pickeln, aber nur noch jeder achte Mann. Schuld sind hier – wieder einmal – die Hormone.

 ?? FOTO: OLIVER BERG/DPA ?? Schokolade zu essen gilt seit jeher als problemati­sch für Akne-Patienten. Allerdings ist es laut Wissenscha­ftlern vor allem der Kakao, der das Wachstum von Pickeln begünstigt, und erst in zweiter Linie der Zucker.
FOTO: OLIVER BERG/DPA Schokolade zu essen gilt seit jeher als problemati­sch für Akne-Patienten. Allerdings ist es laut Wissenscha­ftlern vor allem der Kakao, der das Wachstum von Pickeln begünstigt, und erst in zweiter Linie der Zucker.
 ?? FOTO: DPA ?? Stark gesüßte Softdrinks treiben den Blutzucker­spiegel hoch – und erhöhen so das Akne-Risiko.
FOTO: DPA Stark gesüßte Softdrinks treiben den Blutzucker­spiegel hoch – und erhöhen so das Akne-Risiko.
 ?? FOTO: AOK ?? Vor allem in der Pubertät sind viele von Akne beroffen.
FOTO: AOK Vor allem in der Pubertät sind viele von Akne beroffen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany