Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Bloß nicht bibbern am Beckenrand
Hallenbäder senken die Wassertemperatur und erlauben Neoprenanzüge – Wie sinnvoll ist das für kleine und große Schwimmer?
Badeanzug oder -hose scheint manchem Badegast nicht mehr zu reichen. „Kinder sind teils schon in Neopren zu den Schwimmkursen erschienen“, berichtet Martina van der Wehr, die in der Pressestelle der Berliner Bäderbetriebe arbeitet. In den Hallen- und Freibädern der Hauptstadt ist die Nutzung von Neoprenanzügen nun erlaubt. Eine Ankündigung, die manch einen Badegast verunsichern mag: Sollten wir im Schwimmbad jetzt alle Gummianzüge tragen, die „vor großem Wärmeverlust“schützen, wie es die Berliner Bäderbetriebe anraten?
Aber von vorn: Die Schwimmbäder verringern die Wassertemperatur der Becken, um Energie zu sparen. „Typisch ist ein Absenkung von 28 auf 26 Grad“, sagt Ann-Christin von Kieter von der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen (DGfdB), bei der bundesweit viele Betriebe organisiert sind. Allerdings liegt eine Wassertemperatur von 26 Grad immer noch in dem Bereich, den die Richtlinien für den Bäderbau für Hallenbäder vorsehen. Alles also ein Fehlalarm? Nicht ganz. Denn Auswirkungen hat die Sparmaßnahme
durchaus. „Nicht von der Hand zu weisen ist, dass zumindest für einen Teil der Badbesucher die Reduzierung der Wassertemperatur den Wohlfühlfaktor verringert“, sagt Matthias Stoll. Er ist Teamleiter Prävention bei der Deutschen LebensRettungs-Gesellschaft (DLRG).
Angesichts der kühleren Wassertemperaturen sollte man daher umso mehr darauf achten, Pausen zum Aufwärmen einzulegen. Zumindest, wenn man sich länger im Wasser aufhält. Trainierte Schwimmerinnen und Schwimmer allerdings fühlten sich teils selbst bei 22 Grad noch wohl und halten lange durch – wenn sie sich stetig bewegen. Denn durch die Arbeit der Muskeln entsteht im Körper Wärme.
Bibbert man jedoch oder bekommt bläuliche Lippen, beendet man das Schwimmtraining besser. Insbesondere bei Kindern sollte man auf diese Anzeichen achten, rät Andreas Kästner, Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie vom medizinischen Team der Nationalmannschaft beim Deutschen Schwimmverband (DSV). Denn die Kleinen kühlen schneller aus als Erwachsene. Und auch Menschen mit wenig Unterfettgewebe stecken kühle Wassertemperaturen schlechter weg.
Dann heißt es: sich schnell abtrocknen, ein Handtuch umlegen oder sich in einem Bademantel einhüllen. Kleinen Kindern kann man gut ein Handtuch mit Kapuze überwerfen. Ratsam ist laut Stoll auch eine zweite Garnitur Badebekleidung, um sich schnell umziehen zu können. Lange tropfend am Beckenrand stehen, das mag in diesen Zeiten keiner. Schließlich wurde laut DGfdBAuskunft in den meisten Bädern die Raumtemperatur gleich mit abgesenkt – auf zwei Grad mehr als die Wassertemperatur.
Und was ist nun mit Neopren? Eine
generelle Empfehlung, nun beim Schwimmbadbesuch einen Neoprenanzug zu tragen, geben weder die DLRG noch der Deutsche Schwimmverband (DSV). „Bei der Kältetoleranz im Wasser gibt es erhebliche individuelle Unterschiede“, sagt Facharzt Andreas Kästner. „Bei sehr geringen Fettpolstern können bereits Wassertemperaturen von 19 Grad trotz Schwimmbewegung zu einer Hypothermie führen.“Hypothermie bedeutet: Die Körperkerntemperatur fällt unter 35 Grad – das kann gefährlich werden. Eine solche Unterkühlung droht allerdings nicht im Hallenbad. Denn so niedrig sind die Wassertemperaturen längst nicht.
Ganzkörper-Neoprenanzüge etwa seien laut Kästner nur bei sehr kühlen Wassertemperaturen von weniger als 21 Grad sinnvoll. Und sie bringen einige Nachteile mit sich – gerade die billigen Exemplare. Die seien, so Kästner, oft nicht zum Schwimmsport geeignet, weil sie die Beweglichkeit einschränkten. Qualitätsware für Kinder etwa gibt es erst ab rund 50 Euro. DLRG-Mitarbeiter Stoll sähe aus schwimmpädagogischer Sicht übrigens am liebsten keine Neoprenanzüge während des Schwimmunterrichts. „Das Problem ist, dass selbst zwei Millimeter dicke Anzüge mehr Auftrieb verleihen und man einfacher schwimmen lernt.“Sind die Kinder später ohne Anzug im Wasser, kann das zu Verunsicherung führen. „Ein Kompromiss könnte sein, während der Lerneinheiten auch mal ohne Neopren zu schwimmen – dass man den Unterschied spürt“, sagt Stoll.
Aber es gibt Alternativen, um den Körper im Schwimmbad warm zu halten. Etwa eine Badekappe, die dafür sorgt, dass man weniger Wärme über den Kopf verliert. Und auch Shortys, also Schwimmanzüge mit kurzen Ärmeln und Beinen, können für kälteempfindliche Menschen „ein sinnvoller Kompromiss“sein, sagt Kästner. Und was ist mit den Allerkleinsten? „Hier sollten schon Wassertemperaturen um die 30 Grad vorhanden sein“, sagt DLRG-Mitarbeiter Stoll.
Für Eltern gut zu wissen: Die Babybecken sind nicht betroffen, dort bleibe es in der Regel bei 30 Grad, sagt DGfdB-Sprecherin von Kieter. Vor einem Schwimmbadbesuch mit den Kleinsten macht man sich am besten schlau, ob im Babybecken überhaupt geplanscht werden kann, denn manche Bäder schließen diesen Bereich auch komplett.