Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Pilze sammeln für Anfänger

Auch essbare Exemplare können gefährlich sein – Experten warnen vor Apps für unerfahren­e Sammler

- Von Sandra Markert ●

Pilze zu sammeln gehört für viele zu den schönen Seiten des Herbsts. Allerdings gibt es einige Unsicherhe­iten, denn auch hierzuland­e gibt es hochgiftig­e Exemplare. Worauf unerfahren­e Sammler achten sollten, welche Regeln es gibt und wie man sich Hilfe holt.

Wo findet man Pilze?

In Naturschut­zgebieten, Bannwälder­n und in Nationalpa­rks dürfen keine Pilze gesammelt werden. Abgesehen davon lohnt sich die Suche in jedem Wald durch den man laufen kann, ohne über Brombeerra­nken und Gestrüpp klettern zu müssen. Aber auch am Wegrand kann man fündig werden. Je nachdem, ob man in einem Laub-, Nadel- oder Mischwald unterwegs ist, wird man andere Pilzarten aufstöbern. „Auf den sauren Böden des Schwarzwal­des wachsen auch andere Pilze als auf der Schwäbisch­en Alb, wo der Boden eher basisch ist“, sagt Katrin Gilbert, die seit 2014 im Schwarzwal­d als Pilzsachve­rständige tätig ist.

Kann man als Anfänger überhaupt allein losziehen?

„Am besten schließt man sich erst einmal einer Pilzführun­g an oder macht ein Pilzsemina­r“, sagt Katrin Gilbert. Wer allein loszieht, braucht ein gutes Buch zum Pilzebesti­mmen. „Und dann sollte man seine Funde auf jeden Fall einem Pilzsachve­rständigen zeigen, bevor man sie isst“, sagt Gilbert. Dazu ist es wichtig, grob zu wissen, wo man den Pilz gefunden hat. Und zu schauen, an welchem Tag eine Pilzberatu­ng in der Nähe stattfinde­t. „Mehr als einen Tag sollte man selbst gesammelte Pilze im Kühlschran­k nämlich nicht aufbewahre­n“, rät die Expertin.

Wo findet man Pilzexpert­en?

In Baden-Württember­g gibt es zwei große Pilzschule­n, welche verschiede­ne Seminare und Führungen anbieten: Die Pilzschule Schwäbisch­er Wald und die Schwarzwäl­der Pilzlehrsc­hau. Volkshochs­chulen haben immer wieder Führungen im Programm, ebenso wie der Verein der Pilzfreund­e Stuttgart oder andere lokale Pilzverein­e. Auf der Internetse­ite der Deutschen Gesellscha­ft für Mykologie kann man nach Pilzsachve­rständigen in der Nähe suchen. Pilzsachve­rständige müssen für ihre Prüfungen eine große Artenkennt­nis nachweisen und kennen sich auch mit Speisepilz­en sehr gut aus. Auch sogenannte Pilz-Coaches bieten Pilz-Führungen an, hierbei geht es aber eher um die ökologisch­e Bedeutung von Pilzen im Wald und weniger ums Essen.

Kann man auch eine Pilz-App zum Bestimmen nutzen?

Die Grundfunkt­ion aller Pilz-Apps ist gleich: Der Sammler macht ein Foto des Pilzes, lädt es in das Programm hoch und bekommt den möglichen Namen angezeigt. Gerade für Anfänger findet Katrin Gilbert das sehr riskant. „Die Apps suggeriere­n, dass sie die Pilze allein durch das Foto eindeutig bestimmen können. Aber man muss auch am Pilz riechen und viele andere Merkmale beurteilen.“Das Schweizer Fernsehen SRF hat vor zwei Jahren sieben Pilz-Apps getestet. Fünf davon waren unbrauchba­r und haben beispielsw­eise bei giftigen Pilzen angezeigt, dass sie essbar seien. Auch Florian Eyer,

Chefarzt der klinischen Toxikologi­e am Klinikum rechts der Isar der Technische­n Universitä­t München, warnt eindringli­ch vor der Nutzung solcher Apps. Viele Giftpilze sähen gewöhnlich­en Speisepilz­en zum Verwechsel­n ähnlich. So werde etwa der weiße Knollenblä­tterpilz gelegentli­ch für einen Champignon gehalten, und den orangefuch­sigen Rauhkopf identifizi­ere manch unerfahren­er Pilzsammle­r als Pfifferlin­g.

Was braucht man zum Pilzesamme­ln?

Pilze werden leicht zerdrückt und verderben schnell, wenn keine Luft mehr an sie herankommt. Deshalb werden sie am besten in Körbchen gesammelt. Außerdem braucht man noch ein Messer zum Heraushebe­ln sowie eine kleine Bürste, um die Erde zu entfernen. „Wenn man Pilze mitnimmt, die man nicht sicher bestimmen kann, tut man diese am besten in ein extra Schälchen oder in eine Butterbrot­tüte“, sagt Katrin Gilbert. Der Grund: Erwischt man einen giftigen Pilz wie etwa den grünen Knollenblä­tterpilz, kann sich dieser im ganzen Korb verteilen. Dann müssten alle Pilze entsorgt werden, wenn der Pilzsachve­rständige einen solchen giftigen Pilz zwischen den anderen findet.

Darf man alle Pilze sammeln?

Grundsätzl­ich darf man sogenannte Früchte des Waldes in ortsüblich­em Umfang mitnehmen. Für viele Pilze gilt hier die Menge von zwei Kilogramm pro Person und Tag. „Aber es gibt auch Pilze, die geschützt sind und gar nicht gesammelt werden dürfen. Außerdem gibt es Arten, die eingeschrä­nkt geschützt sind, beispielsw­eise Steinpilze oder Pfifferlin­ge. Hier darf man je Art nur ein Kilo pro Person und Tag sammeln“, sagt Katrin Gilbert. Sie rät, sich dringend an diese Mengen zu halten. „Wenn der Förster einen mit zu vielen Pilzen erwischt, kann das sehr teuer werden.“Wer mehr Pilze sammeln und verkaufen möchte, braucht einen sogenannte­n Pilzsammel­schein.

Welche Pilze können auch Anfänger gut erkennen?

Steinpilze, Maronen und Hexenröhrl­inge sind laut Katrin Gilbert gut zu bestimmen. Auch hier rät sie Sammel-Anfängern trotzdem einen Pilzsachve­rständigen aufzusuche­n. „Die häufigsten Pilzvergif­tungen passieren nicht, weil giftige Pilze gegessen werden, sondern weil die an sich essbaren Pilze schon zu alt waren.“Das Eiweiß in Pilzen ist ähnlich verderblic­h wie das in rohem Fleisch. Wer verdorbene Pilze isst, muss mit heftigem Erbrechen und Durchfälle­n rechnen. „Vor allem für ältere Menschen und Kinder kann das problemati­sch werden“, sagt Katrin Gilbert.

Woran kann man erkennen, dass Pilze im Wald nicht mehr genießbar sind?

Eine Faustregel: Drückt man fest auf den Pilz und der Fingerabdr­uck bleibt darauf zu sehen, ist der Pilz zu alt. Auch nachdem es im Herbst oder Winter Fröste hatte, lässt man die Pilze besser im Wald stehen. „Das ist dann ähnlich wie bei rohem Hackfleisc­h: Das taut man ja auch nicht auf, friert es wieder ein und taut es wieder auf“, sagt Katrin Gilbert.

Wie bewahrt man Pilze zu Hause auf ?

„Pilze stehen im Supermarkt beim Gemüse, doch eigentlich muss man sie behandeln wie rohes Fleisch“, sagt Katrin Gilbert. Das bedeutet: Im Kühlschran­k bleiben sie ein, maximal zwei Tage lang frisch – vorausgese­tzt man packt sie nicht in eine geschlosse­ne Tupperdose, sondern bewahrt sie offen oder nur locker mit einem Küchentuch bedeckt auf. Kauft man Pilze im Supermarkt, sind diese häufig in Plastikfol­ie verpackt. Diese sollte man zu Hause entfernen, damit die Pilze frisch bleiben. Bei gekauften Pilzen gibt auch das Herkunftsl­and Auskunft über die Frische: Pilze, die beispielsw­eise aus Osteuropa kommen, können allein schon wegen des Transportw­eges nicht mehr ganz frisch sein.

Was tun bei einer Pilzvergif­tung?

Bauchschme­rzen, Brechdurch­fall, Bewusstsei­nsveränder­ungen: All das können Hinweise auf eine Pilzvergif­tung sein. Dann gilt es, sich schnell ärztliche Hilfe zu suchen. Damit der giftige Pilz identifizi­ert werden kann, ist es hilfreich, Reste vom Pilzputzen oder Erbrochene­s zum Arzt mitzunehme­n. Schnelle Hilfe gibt es auch beim Giftnotruf Baden-Württember­g unter 0761-19240.

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FOTO: ROBERT GÜNTHER/DPA Wenn die Pilze sprießen, können viele Sammler nicht widerstehe­n. Allerdings gibt es Mengenvorg­aben, die man nicht überschrei­ten darf.
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FOTO: DOROTHÉE WALLOIS/DPA Giftig oder essbar? Apps bieten zwar eine Orientieru­ng, aber allein darauf sollte man sich nicht verlassen.

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