Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Mit Willenskraft und OP-Technik
Tennisprofi Andy Murray spielt mit einer künstlichen Hüfte
Dass es Menschen mit Beinprothesen auf den 5895 Meter hohen Kilimandscharo schaffen, ist bekannt. Sie können auch genauso schnell laufen oder weitspringen wie Sportler ohne künstliche Gliedmaße und Gelenke. Der britische Tennisspieler Andy Murray aber, der 2016 Weltranglistenerster war, hat das Kunststück vollbracht, mit einer künstlichen Hüfte in den Profisport zurückzukehren. Derzeit liegt der 35-Jährige im Ranking auf Position 46.
„Birmingham Hip“nennt sich die Operationstechnik, der sich der Sportler im Januar 2016 nach jahrelangen Hüftschmerzen unterzogen hat. Bei dieser Methode wird ein Metallstab in die Hüfte eingeführt und eine Metallkappe auf den Oberschenkelhalskopf gesetzt. Nur der geschädigte Knorpel wird als Teilprothese ersetzt.
Erst ein paar Wochen zuvor hatte Murray nach seinem Erstrunden-Aus bei den Australian Open in Melbourne in der Pressekonferenz unter Tränen sein Karriereende verkündigt. Der dreifache Grand-SlamChampion, Olympiasieger und zweifache Wimbleon-Gewinner konnte nicht mehr. Zu groß waren die Schmerzen in seiner rechten Hüfte nach jedem
Match, zu entmutigend die Rückschläge nach jeder Behandlung, zu aufwendig die Rehabilitationsmaßnahmen.
Wie man in dem beeindruckenden Dokumentarfilm „Resurfacing“(Wiederauftauchen) über den vierfachen Vater aus Glasgow sehen kann, hatten in den Jahren zuvor weder eine Nervenablation, also eine Schmerznervverödung, noch eine Arthroskopie zur Glättung der Knorpelflächen einen anhaltenden Erfolg gebracht.
Der amerikanische Tennisdoppelspezialist Bob Bryan war es schließlich, der Andy
Murray zur Operation riet. Bryan selbst hatte sich erfolgreich mit der Birmingham-Hip-Methode operieren lassen und war hochzufrieden.
Das Wagnis gelang. Bereits fünf Monate nach dem Eingriff stand Murray wieder auf dem Tennisplatz – schmerzfrei. Im gleichen Jahr gewann er das Turnier in Antwerpen. Dieser Erfolg ist nicht nur dem Können des Chirurgen geschuldet, sondern in gleichem Maß auch der unbedingten Willenskraft des Schotten Murray. Der Verschleiß seines künstlichen Gelenks dürfte bei der Stop-andgo-Sportart Tennis allerdings ungleich höher sein als bei einem Hobbyathleten.
„Ich habe mich gefragt, warum soll ich denn nicht auf die Tour zurückkommen und mein altes Level erreichen können?“, sagte er im Juni dieses Jahres in einem Interview in der „FAZ“anläßlich seiner Turnierteilnahme auf dem Stuttgarter Weißenhof. Und: „Ich möchte noch so lange wie möglich auf der Tour aktiv sein, auch mit einer künstlichen Hüfte. Damit bin ich glücklich.“