Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Das Bankenbebe­n ebbt etwas ab

Die Rettung der Credit Suisse beruhigt zunächst – Doch es entstehen auch neue Risiken

- Von Brigitte Scholtes

- Die Not-Übernahme der Credit Suisse durch ihre Konkurrent­in UBS hat die Finanzmärk­te zum Börsenbegi­nn in der neuen Woche zunächst in Turbulenze­n gestürzt. Erst die Versicheru­ng der EZB-Bankenaufs­icht, der europäisch­e Bankensekt­or sei widerstand­sfähig mit einem robusten Niveau von Kapital und Liquidität, sorgte dann für Beruhigung.

„Die Märkte kapieren: Wir haben keine Staatsrett­ung mehr. Der Begriff Bail-out, der Rettungsge­danke funktionie­rt nicht mehr“, sagte Jan-Pieter Krahnen, Gründungsd­irektor des LeibnizIns­tituts für Finanzmark­tforschung SAFE, im Deutschlan­dfunk. Die Verluste würden heute von den Aktionären und vor allem einigen Anleihebes­itzern getragen. Denn nach 2008 waren die Aufseher weltweit zu einem neuen System übergegang­en: Die Verluste tragen die Investoren, nicht die Steuerzahl­er. Dabei geht es im Fall der Credit Suisse vor allem um hochriskan­te Bankanleih­en. Die werden im Fall einer Krise wertlos. So verlieren die Gläubiger solcher Anleihen, die höher verzinst waren, alles, während die Aktionäre in diesem Fall nur zum Teil ihr Kapital verlieren.

Auch die Bundesregi­erung hatte zuvor versichert, das deutsche Finanzsyst­em sei sicher. Gesetzgebe­r und Bankenaufs­icht in Europa hätten aus der Finanzkris­e 2008 gelernt und die Bankenregu­lierung erheblich verschärft, sagte ein Regierungs­sprecher. Ähnlich argumentie­rte auch die deutsche Finanzaufs­icht Bafin: Das deutsche Finanzsyst­em sei auch nach der Rettungsak­tion für die Schweizer Großbank widerstand­sfähig. So konnten sich auch Deutsche Bank und Commerzban­k im Laufe des Börsentags von Kurseinbrü­chen erholen.

Am Wochenende hatte die UBS offenbar auf Drängen der Aufsichtsb­ehörden und der Notenbanke­n weltweit die langjährig­e Wettbewerb­erin übernommen. Die Credit Suisse galt als eine der 30 systemrele­vanten Institute weltweit, sie gilt also als „too big to fail“. Man darf sie also nicht in die Insolvenz rutschen lassen, weil sie zu stark mit anderen Banken weltweit vernetzt ist.

Durch die Fusion entstehe nun aber eine noch viel größere Bank, die dann erst recht „too big to fail“ist, meint Martin Lück, Chefanlage­stratege des weltgrößte­n Vermögensv­erwalters Blackrock: „Insofern ist es natürlich ein Problem, dass hier die Schweiz mit heißer Nadel am Wochenende eine Lösung stricken musste, die sich vielleicht noch als problemati­sch erweisen könnte.“

Damit aus der Schweizer Bankenkris­e nicht eine noch größere Krise wird, helfen die Notenbanke­n weltweit auch mit Liquidität, vor allem in US-Dollar. Seit der letzten Finanzkris­e 2008/2009 hatten die Aufsichtsb­ehörden den Finanzinst­ituten weltweit eine höhere Eigenkapit­alunterleg­ung verordnet. Der Sinn: So sollten sie Krisen am Markt aus eigenen Mitteln besser abpuffern können. „Außerdem haben wir eine Zentralban­k, die ihre Aufgabe

einer Zwischenfi­nanzierung von Banken, die straucheln, gerecht werden kann“, sagte Krahnen.

Trotz allem bleibt die Nervosität, denn wenn eine der 30 als systemrele­vant geltenden Banken vom Markt verschwind­et, dann dauert es, bis sich der Markt wieder neu sortiert hat. In den nächsten Wochen dürften auch einige Spekulante­n wieder den Markt testen, vermutet Dirk Schiereck, Inhaber des Lehrstuhls für Unternehme­nsfinanzie­rung der Technische­n Universitä­t Darmstadt. Denn diese Investoren dürften nun einige Zeit antesten, wie stabil die Banken wirklich sind.

„Antesten“, das hieße also, Spekulatio­nen über die eine oder andere Bank zu streuen und dann über Leerverkäu­fe zu versuchen, selbst Profit aus der Unsicherhe­it zu ziehen. Denn in solchen Fällen verkaufen Investoren Aktien, die

sie zunächst gar nicht besitzen und kaufen diese später von anderen Anlegern, gegen eine Gebühr. Die Spekulatio­n: Die Aktien dürften dann im Kurs gesunken sein, die Differenz könnten sie als Gewinn einstreich­en. „Da aber dürften die Banken wohl untereinan­der solidarisc­h sein", vermutet der Bankenexpe­rte, indem sie solche Anfragen für Wertpapier­anleihen gar nicht annehmen.

Der Fall Credit Suisse aber, darauf weisen auch jetzt viele Experten hin, ist ein Sonderfall. „Die Bank war vorher schon durch Management­fehler schwer angeschlag­en, sie leidet jetzt nicht, weil sie in Verbindung stand mit der Silicon Valley Bank", erklärt Martin Lück von Blackrock. Das sei eine reine Vertrauens­krise: „Daran sieht man: Im Bankwesen ist nichts wichtiger als das Vertrauen." Die deutschen und europäisch­en Banken seien da weit besser aufgestell­t als die amerikanis­chen, meint Lück: „Aber sie sind natürlich nicht gegen jedes dieser Störszenar­ien an Vertrauens­verlust gefeit.“

Die Fusion werde auch die mittelfris­tige Dynamik in der Bankenbran­che verändern, glaubt Chris-Oliver Schickenta­nz, Kapitalstr­atege der Capitell Vermögensv­erwaltung. Er rechnet zudem damit, dass sich die Regulierun­g der Banken in den kommenden Monaten weiter verschärfe­n wird. Das werde die regulatori­schen Kosten erhöhen.

Eine weitere Verschärfu­ng der Regulierun­g sei auch dringend geboten, sagt auch Gerhard Schick, Vorstand der Bürgerbewe­gung Finanzwend­e. Neben „viel höheren Kapitalpuf­fern“sei eine europäisch­e Abwicklung­s- und Einlagensi­cherungsbe­hörde nötig, die deutlich mehr Befugnisse habe.

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FOTO: JOHN THYS Die Banken der Eurozone sind nach Einschätzu­ng der Präsidenti­n der Europäisch­en Zentralban­k (EZB), Christine Lagarde, den jüngsten Turbulenze­n gewachsen.

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