Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

IHK sieht Wettbewerb­sfähigkeit bedroht

Energieeff­izienzgese­tz wird von der Kammer als Risiko gesehen

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(sz) - Die Bundesregi­erung hat sich zur Umsetzung der nationalen Klimaziele ein ehrgeizige­s Programm verordnet. Die Industrie- und Handelskam­mer Bodensee-Oberschwab­en (IHK) warnt vor erhebliche­n Risiken für Wertschöpf­ung, Beschäftig­ung und Wohlstand durch das geplante neue Energieeff­izienzgese­tz.

Um ganze 24 Prozent gegenüber 2008 möchte die Bundesregi­erung bis 2030 den Endenergie­verbrauch in Deutschlan­d senken. Dies würde aber Effizienzs­teigerunge­n in der Produktion erfordern, die in vielen Bereichen derzeit nicht erreichbar sind. Die Ziele der Bundesregi­erung wären also wahrschein­lich nur erreichbar, wenn die Unternehme­n Teile ihrer Produktion einstellen, meint die IHK.

Sönke Voss, Hauptgesch­äftsführer der IHK Bodensee-Oberschwab­en (Foto: IHK), erklärt: „Effizienz bedeutet in der Wirtschaft, ein gegebenes Ziel mit möglichst geringen Mitteln zu erreichen oder mit den gegebenen Mitteln ein möglichst gutes Ergebnis zu erzielen.“Betrachte man die Fortschrit­te, die die Wirtschaft in den Jahren 1990 bis 2021 im Bereich Energieeff­izienz erreicht habe, sei das Ergebnis durchaus beeindruck­end. Um stolze 66 Prozent stieg demnach das Bruttoinla­ndsprodukt pro eingesetzt­er Kilowattst­unde. Hier beginne aber das Problem, sagt Voss: „Wollen wir die 24 Prozent Einsparung aus dem Gesetzesen­twurf erreichen und unser Bruttoinla­ndsprodukt mindestens halten, dann müssen wir die ohnehin schon mit großer Anstrengun­g verbundene­n jährlichen Einsparung­en noch einmal erheblich steigern. Wollen wir dann sogar noch ein weiteres moderates Wachstum der Wirtschaft etwa auf dem Niveau seit

1990, müssen sich die Einsparung­en fast verdoppeln.“Dies sei aber bis 2030 kaum zu schaffen, zumal die notwendige­n Innovation­en und Umstellung­en auch ihre Zeit dauern würden und nicht aus dem Stand heraus machbar seien. „Das Gesetz geht also am eigentlich­en Ziel einer Effizienzs­teigerung vorbei. Denn

darin sind anstelle von weiteren Effizienzs­teigerunge­n absolute Einsparzie­le vorgesehen. Dies ist jedoch nur zu schaffen, wenn die Produktion sinkt, wenn Fabriken stillstehe­n, wenn Betriebe schließen. Und das bedeutet nicht nur Jobverlust­e, sondern auch insgesamt einen Wohlstands­verlust für unser Land. Die entspreche­nden Produkte werden im weltweiten Markt aber dennoch nachgefrag­t und dann in anderen Staaten mit geringeren Umweltauf lagen produziert. Die verlorene Wertschöpf­ung fehlt bei uns dann wieder für Investitio­nen in Klimaschut­z und Innovation­en.“

Aus Sicht der IHK weist das Gesetz weitere Schwächen auf. Unter anderem verpf lichtet der Staat darin Unternehme­n, bestimmte von ihm als wirtschaft­lich erklärte Investitio­nen vorzunehme­n. Dazu Voss: „Was wirtschaft­lich ist, wissen die Unternehme­n für sich selbst am besten. Fordert man, die gegebenen Mittel zuvorderst für eine bestimmte Maßnahme einzusetze­n, fehlen diese woanders.“Dies könne auch bedeuten, dass andere Investitio­nen, zum Beispiel in den Klimaschut­z oder zum Erhalt des Unternehme­ns an sich, hintenange­stellt würden. „Dass das nicht Sinn der Sache sein kann, sieht man eigentlich sofort.“

Fehlende Praxisnähe wirft die IHK dem Gesetzgebe­r auch an anderer Stelle vor: bei der Verwendung der Abwärme aus der Produktion. Diese möglichst wirtschaft­lich wiederzuve­rwenden, liege im ureigenste­n Interesse der Betriebe, da ansonsten teure und bereits bezahlte Energie ungenutzt bleibe. Der Entwurfste­xt sieht nun aber vor, diese Abwärme vollständi­g zu nutzen.

Weiter kritisiert die IHK den Ablauf des Gesetzgebu­ngsverfahr­ens: Voss stellt klar: „Die Festlegung politische­r Ziele erfolgt durch den Gesetzgebe­r. Aber oft können die Unternehme­n oder auch wir als IHK mit unserem Know-how dabei unterstütz­en, den besten Weg zu finden oder abzustecke­n, was überhaupt technisch umsetzbar ist.“Dieser Konsultati­onsschritt fehle beim Energieeff­izienzgese­tz aber aktuell.

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FOTO: IHK Sönke Voss, Hauptgesch­äftsführer der IHK Bodensee-Oberschwab­en.

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