Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Wohnungsnot im Urlaubsparadies
Gesetz in Frankreich soll Saisonvermietung über Plattformen wie Airbnb einschränken
- Die Bucht von Arcachon gehört zu Frankreichs beliebtesten Urlaubsregionen. Weiße Sandstrände, Pinienwälder, Austern in Hülle und Fülle. Doch die Postkartenidylle am Golf von Biskaya in der Nähe von Bordeaux hat auch eine Kehrseite. Sie liegt auf dem Wohnungsmarkt, wo inzwischen kaum noch bezahlbare Unterkünfte zu finden sind, weil die Besitzer nur noch in der Feriensaison zu hohen Preisen vermieten. „Es gab nichts für uns“, zitiert eine Lokalzeitung ein Rentnerpaar, das im Auto hausen musste, weil es nach einer Wohnungskündigung keine neue Bleibe fand. In Städten wie Arcachon machen Zweitwohnsitze inzwischen 60 Prozent aller Unterkünfte aus. Der Anteil derer, die im Sommer für viel Geld Touristen aufnehmen, steigt. 2016 wurden frankreichweit 300.000 Unterkünfte für Saisonvermietungen angeboten, 2021 waren es bereits 800.000.
In beliebten Städten wie SaintMalo in der Bretagne wurden im
Juni 2021 knapp ein Drittel der Wohnungen im malerischen Zentrum über Touristenplattformen wie Airbnb vermietet. Die Folge: Die Mietpreise stiegen deutlich und vertrieben nicht nur lang jährige Mieterinnen und Mieter, sondern auch so wichtige Institutionen wie das Gericht, das Finanzamt und die Post. Apotheken und Metzgereien wurden durch Läden für bretonische Kekse oder andere Souvenirs ersetzt. Dass die Stadt inzwischen Quoten für Saisonvermietungen einführte, änderte an der Situation nur wenig.
Gerade in Urlaubsregionen wie der Bretagne oder der Côte d’Azur werden Mietverträge nur noch für zehn Monate gemacht, um die lukrativen Monate Juli und August für Feriengäste frei zu halten. Wer langfristig eine Wohnung sucht, hat dort kein Glück. Kein Wunder, dass junge Leute wegziehen. In den Hotels und Restaurants, aber auch in Krankenhäusern und Altersheimen fehlt es in der Folge an Personal.
Die Wut auf Plattformen für Saisonvermietungen ist deshalb groß. In der Hafenstadt Marseille wurde im März eine Airbnb-Wohnung mit Farbe und Mehl verwüstet. „Airbnb lässt die Preise explodieren. Haut ab“, sprühten die Täter an die Wand. Dabei gab der Besitzer an, nur eine einzige Wohnung über Airbnb zu vermieten – und das auch nur, weil seine Dauermieter zuvor zu oft Party gemacht hatten. Um das Problem in den Griff zu bekommen, kündigte die Stadtverwaltung an, die Saisonvermietungen stärker zu reglementieren.
In Paris, wo Wohnungen ohnehin kaum bezahlbar sind, ist das bereits der Fall. Wer eine Wohnung in ein Feriendomizil verwandelt, muss dafür anderswo Wohnraum schaffen. In Touristenvierteln wie Montmartre sollen außerdem neue Urlaubsunterkünfte von professionellen Anbietern verboten werden. Die Privatvermietung bleibt allerdings 120 Tage im Jahr erlaubt.
Um das Problem der Ferienwohnungen frankreichweit zu regeln, soll die Nationalversammlung im Juni einen Gesetzentwurf debattieren. „Niemand kann die
Schwierigkeiten ignorieren, die die Franzosen vor allem in den attraktivsten Kommunen haben, zu vernünftigen Preisen zu wohnen“, heißt es in dem Text, den die Abgeordnete der Regierungskoalition, Annaig Le Meur, zusammen mit zwölf Kolleginnen und Kollegen vorlegte.
Die Parlamentarier fordern, mit Privilegien für Ferienhäuser aufzuräumen. So sollen Steuererleichterungen für Wohnungsbesitzer, die an Urlauber vermieten, nur noch in Regionen erlaubt werden, in denen das Angebot die Nachfrage übersteigt. Außerdem sollen Ferienhäuser denselben Energievorschriften unterliegen wie normale Vermietungen.
In Gemeinden, in denen die Wohnungslage angespannt ist, sollen Saisonunterkünfte zudem genehmigungspflichtig werden. „Wir wollen nicht, dass Wohnungen sich zwischen Juni und September in Ferienlager verwandeln und den Rest des Jahres Schlafstädte sind“, sagte der Abgeordnete des Regierungslagers, Christophe Plassard, der Zeitung „Le Figaro“.