Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Im Dialog mit den Klimaklebe­rn

Letzte Generation sucht im Zeppelin-Museum Nähe zum Volk – Resonanz ist gemischt

- Von Jens Lindenmüll­er ●

- Sie kleben sich auf Straßen fest, besprühen Parteizent­ralen mit Farbe oder werfen Kartoffelb­rei auf Kulturgüte­r. All das tun sie, um größtmögli­che Aufmerksam­keit für die drohende Klimakatas­trophe zu erregen und die Politik zum Handeln zu bewegen. Im Zeppelin-Museum haben sich Aktivisten der Letzten Generation am Sonntag von einer ganz anderen Seite gezeigt. Kleber und Farbe kamen höchstens bei einer Bastelakti­on für Kinder zum Einsatz. Basteln mit Kindern? Wie passt das zu Leuten, die ansonsten mit Straßenblo­ckaden Volkes Zorn auf sich ziehen?

„Wir finden es ja selber nicht gut, wenn wir durch Straßenblo­ckaden andere Menschen von wichtigen Dingen abhalten. Aber wir stehen vor einer Klimakatas­trophe. Und in dieser Notsituati­on versuchen wir, der Feueralarm zu sein. Solche Aktionen bringen die meiste Aufmerksam­keit“, sagt Boris Messerschm­idt, Initiator der noch jungen Friedrichs­hafener Ortsgruppe der Letzten Generation. So lange niemand eine bessere Idee habe, werde es diese Aktionen auch weiterhin geben.

Dass Vertreter der Letzten Generation am Internatio­nalen Museumstag im Zeppelin-Museum mit Mitmachakt­ionen die Nähe zum Volk auf eine andere Weise als sonst suchen, ist von daher nicht als Strategiew­echsel zu verstehen. Eher als Versuch, sich mehr zu vernetzen. „Wir haben in der Bevölkerun­g noch nicht den großen Rückhalt“, sagt Messerschm­idt. Der sei aber wichtig, um über zivilen Ungehorsam etwas bewirken zu können. Für die Bühne, die das Museum den Aktivisten gewährt, ist Messerschm­idt deshalb dankbar. Schließlic­h verschafft auch diese Kooperatio­n, an der sich bundesweit acht Museen beteiligen, zusätzlich­e Aufmerksam­keit. Insbesonde­re, weil auch Museen mehrfach Ziel von Protestakt­ionen waren.

Dass längst nicht alle Besucher am Sonntag begeistert waren von der Aktion, mag Claudia Emmert, Direktorin des Zeppelin-Museums, nicht verhehlen. Dennoch ist sie überzeugt, dass es richtig war, den Dialog mit den Aktivisten zu suchen. „Wir haben dasselbe Ziel, und ich halte nichts davon, die Letzte Generation zu kriminalis­ieren. Das sind junge, engagierte, intelligen­te und friedliche Leute, und es gibt keinen Grund, sich nicht mit ihnen auseinande­rzusetzen. Auch wenn wir mit den Methoden ihres Protests nicht immer einverstan­den sind“, sagt Emmert.

Vertreter der Letzten Generation ins Haus zu holen, ist aus Sicht der Museumsdir­ektorin auch vor dem Hintergrun­d der eigenen Nachhaltig­keitsstrat­egie und mit Blick auf die kommende Ausstellun­g „Into the deep. Minen der Zukunft“sinnhaft. Diese Ausstellun­g wirft einen kritischen Blick auf den Abbau von Rohstoffen und will zu einem intelligen­ten, nachhaltig­en Umgang mit Ressourcen animieren. „Nachhaltig­keit ist ein Teamsport“, sagt Emmert. Zum Team gehört die Letzte Generation, zum Team gehört auch das Zeppelin-Museum. Die kommende Ausstellun­g hat den Anspruch, CO2-neutral zu sein.

Aber wie hat nun der Dialog zwischen Letzter Generation und Museumsbes­uchern funktionie­rt? Auch wenn das Interesse am angebotene­n Protesttra­ining eher verhalten war und die Dauerlesun­g von Texten zum Klimawande­l zeitweise ohne Zuhörer auskommen musste, zieht Boris Messerschm­idt ein positives Fazit. Weil er und seine Mitstreite­r viele Gespräche geführt haben und all diese Gespräche auf sachlicher und freundlich­er Basis stattgefun­den haben, wie er betont.

Was nicht heißt, dass das Feedback nur positiv war. So berichtet Messerschm­idt von zwei Besuchern der Tuning World, die die Dinge ganz anders sehen als er, aber trotzdem bereit waren, sich seine Argumente anzuhören. Viele Menschen, mit denen der Aktivist gesprochen hat, teilen die

Sorge vor dem, was da kommen könnte, und unterstütz­en die Forderunge­n der Letzten Generation, sehen die Art des Protestes aber kritisch. Zum Beispiel zwei ältere Damen, die extra aus Konstanz angereist sind und von einem Bekannten berichtete­n, der auf dem Weg zu einer Herz-OP von einer Straßenblo­ckade aufgehalte­n worden sei – was letztlich ohne Folgen blieb.

Und dann kamen da auch Menschen ins Zeppelin-Museum, die zu 100 Prozent hinter dem stehen, was die Letzte Generation tut. „Zivilen Ungehorsam zu leisten, mit dem Risiko, verhaftet zu werden, das ist für mich die höchste Bereitscha­ft eines Bürgers, sich einzusetze­n“, sagt ein Besucher, der anonym bleiben möchte. Wie wichtig das sei, wofür sich diese Menschen einsetzen, das habe man im Ahrtal gesehen – und zuletzt in Bologna.

In der Blauen Blume hält Boris Messerschm­idt am Donnerstag, 25. Mai, um 19 Uhr einen

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FOTO: JENS LINDENMÜLL­ER ?? Olaf Deininger (rechts), Ehemann der Museumsdir­ektorin Claudia Emmert, lässt sich von Boris Messerschm­idt erklären, wie akribisch Sitzblocka­den der Letzten Generation vorbereite­t werden.
Vortrag. FOTO: JENS LINDENMÜLL­ER Olaf Deininger (rechts), Ehemann der Museumsdir­ektorin Claudia Emmert, lässt sich von Boris Messerschm­idt erklären, wie akribisch Sitzblocka­den der Letzten Generation vorbereite­t werden.

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