Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Im Dialog mit den Klimaklebern
Letzte Generation sucht im Zeppelin-Museum Nähe zum Volk – Resonanz ist gemischt
- Sie kleben sich auf Straßen fest, besprühen Parteizentralen mit Farbe oder werfen Kartoffelbrei auf Kulturgüter. All das tun sie, um größtmögliche Aufmerksamkeit für die drohende Klimakatastrophe zu erregen und die Politik zum Handeln zu bewegen. Im Zeppelin-Museum haben sich Aktivisten der Letzten Generation am Sonntag von einer ganz anderen Seite gezeigt. Kleber und Farbe kamen höchstens bei einer Bastelaktion für Kinder zum Einsatz. Basteln mit Kindern? Wie passt das zu Leuten, die ansonsten mit Straßenblockaden Volkes Zorn auf sich ziehen?
„Wir finden es ja selber nicht gut, wenn wir durch Straßenblockaden andere Menschen von wichtigen Dingen abhalten. Aber wir stehen vor einer Klimakatastrophe. Und in dieser Notsituation versuchen wir, der Feueralarm zu sein. Solche Aktionen bringen die meiste Aufmerksamkeit“, sagt Boris Messerschmidt, Initiator der noch jungen Friedrichshafener Ortsgruppe der Letzten Generation. So lange niemand eine bessere Idee habe, werde es diese Aktionen auch weiterhin geben.
Dass Vertreter der Letzten Generation am Internationalen Museumstag im Zeppelin-Museum mit Mitmachaktionen die Nähe zum Volk auf eine andere Weise als sonst suchen, ist von daher nicht als Strategiewechsel zu verstehen. Eher als Versuch, sich mehr zu vernetzen. „Wir haben in der Bevölkerung noch nicht den großen Rückhalt“, sagt Messerschmidt. Der sei aber wichtig, um über zivilen Ungehorsam etwas bewirken zu können. Für die Bühne, die das Museum den Aktivisten gewährt, ist Messerschmidt deshalb dankbar. Schließlich verschafft auch diese Kooperation, an der sich bundesweit acht Museen beteiligen, zusätzliche Aufmerksamkeit. Insbesondere, weil auch Museen mehrfach Ziel von Protestaktionen waren.
Dass längst nicht alle Besucher am Sonntag begeistert waren von der Aktion, mag Claudia Emmert, Direktorin des Zeppelin-Museums, nicht verhehlen. Dennoch ist sie überzeugt, dass es richtig war, den Dialog mit den Aktivisten zu suchen. „Wir haben dasselbe Ziel, und ich halte nichts davon, die Letzte Generation zu kriminalisieren. Das sind junge, engagierte, intelligente und friedliche Leute, und es gibt keinen Grund, sich nicht mit ihnen auseinanderzusetzen. Auch wenn wir mit den Methoden ihres Protests nicht immer einverstanden sind“, sagt Emmert.
Vertreter der Letzten Generation ins Haus zu holen, ist aus Sicht der Museumsdirektorin auch vor dem Hintergrund der eigenen Nachhaltigkeitsstrategie und mit Blick auf die kommende Ausstellung „Into the deep. Minen der Zukunft“sinnhaft. Diese Ausstellung wirft einen kritischen Blick auf den Abbau von Rohstoffen und will zu einem intelligenten, nachhaltigen Umgang mit Ressourcen animieren. „Nachhaltigkeit ist ein Teamsport“, sagt Emmert. Zum Team gehört die Letzte Generation, zum Team gehört auch das Zeppelin-Museum. Die kommende Ausstellung hat den Anspruch, CO2-neutral zu sein.
Aber wie hat nun der Dialog zwischen Letzter Generation und Museumsbesuchern funktioniert? Auch wenn das Interesse am angebotenen Protesttraining eher verhalten war und die Dauerlesung von Texten zum Klimawandel zeitweise ohne Zuhörer auskommen musste, zieht Boris Messerschmidt ein positives Fazit. Weil er und seine Mitstreiter viele Gespräche geführt haben und all diese Gespräche auf sachlicher und freundlicher Basis stattgefunden haben, wie er betont.
Was nicht heißt, dass das Feedback nur positiv war. So berichtet Messerschmidt von zwei Besuchern der Tuning World, die die Dinge ganz anders sehen als er, aber trotzdem bereit waren, sich seine Argumente anzuhören. Viele Menschen, mit denen der Aktivist gesprochen hat, teilen die
Sorge vor dem, was da kommen könnte, und unterstützen die Forderungen der Letzten Generation, sehen die Art des Protestes aber kritisch. Zum Beispiel zwei ältere Damen, die extra aus Konstanz angereist sind und von einem Bekannten berichteten, der auf dem Weg zu einer Herz-OP von einer Straßenblockade aufgehalten worden sei – was letztlich ohne Folgen blieb.
Und dann kamen da auch Menschen ins Zeppelin-Museum, die zu 100 Prozent hinter dem stehen, was die Letzte Generation tut. „Zivilen Ungehorsam zu leisten, mit dem Risiko, verhaftet zu werden, das ist für mich die höchste Bereitschaft eines Bürgers, sich einzusetzen“, sagt ein Besucher, der anonym bleiben möchte. Wie wichtig das sei, wofür sich diese Menschen einsetzen, das habe man im Ahrtal gesehen – und zuletzt in Bologna.
In der Blauen Blume hält Boris Messerschmidt am Donnerstag, 25. Mai, um 19 Uhr einen