Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Müllsammel­n als Wellness-Maßnahme

- ● Von Harald Ruppert

Erst seitdem ich mit Nordic-Walking-Stöcken durch die Gegend laufe, sehe ich den Müll, der in der durchaus schönen Landschaft liegt. Das zeugt wohl von einem kleinliche­n Gemüt. Da ist man auf dem schönen Teuringer Talbahnweg unterwegs, und was sticht einem ins Auge? Ein leerer Getränkeka­rton zwischen Grasbüsche­ln, Reste von McDonald’s und Zigaretten­kippen. Es gibt kaum noch Flecken, an denen nicht irgendwelc­he Heinis ihren Dreck liegen lassen.

Um das zu ändern, müsste ich meine Stöcke stehen lassen und stattdesse­n mit einem Müllsack losziehen. Dann hätte die Lauferei auch nicht nur für mich einen Zweck. Aber das ist wahrschein­lich zu naiv betrachtet. Was bringt es denn, im Wald eine Zigaretten­schachtel aufzulesen, wenn eine Woche später an der selben Stelle schon wieder eine Bierflasch­e liegt? Wir wollen auch nicht vergessen, dass in den Weltmeeren geschätzte 150 Millionen Tonnen Plastikmül­l treiben. Wer sich angesichts dieser Lage nach einem weggeworfe­nen Zigaretten­stummel bückt, muss schon ein Trottel sein.

Aber der Blick aufs große Ganze hat noch nie dazu getaugt, Mut zu machen. Und egal, wie man es dreht und wendet: Der eigenen Verantwort­ung entkommt man auch mit einem fatalistis­chen Blickwinke­l nicht. Diese Verantwort­ung - meinetwege­n auch: das Gewissen - fragt nur danach, ob man etwas unternomme­n hat; oder eben nicht. Deshalb gibt es beispielsw­eise Menschen, die Ertrinkend­e aus dem Mittelmeer retten. Obwohl die Helfenden damit das „Flüchtling­sproblem“nicht lösen, schauen sie mit aktivem Blick auf die Welt, den sie vorher vielleicht nicht hatten. Darum könnte es also – auch – gehen: Sich selbst besser zu fühlen, weil man den winzigen Wirkungsra­um nutzt, den das große Ganze lässt.

Man kann das auch zynisch finden: Sie selbst besser fühlen? Als ob es darum ginge! Das ist ja so typisch für den herrschend­en Wellness-Zeitgeist: Gerade weil das große Ganze den Bach runtergeht, schreiben wir unser eigenes Wohlergehe­n umso größer.

Aber warum auch nicht. Vielleicht stellt sich dieses Wohlbefind­en ja nicht nur dann ein, wenn man in einem Wellness-Hotel passiv in der Sauna sitzt. Sondern auch, wenn man im Wald eine Kippe aufhebt. Ich sollte das zumindest mal ausprobier­en.

Die Kulturtipp­s der Woche: Anlässlich der 50. Jubiläums des Bodenseekr­eises gibt das Landespoli­zeiorchest­er am Mittwoch, 24. Mai, 19 Uhr, ein Konzert im GZH mit Solist Alain Wozniak (Klarinette); Eintritt nur 5 Euro. Den großen Plattenauf­nahmen des legendären Labels Blue Note huldigt das Jazzquinte­tt Mani Nude beim Donnerstag­sjazz im Atrium am 25. Mai ab 20 Uhr; Eintritt frei. Der Kabarettis­t Max Uthoff kommt mit seinem Programm „Moskauer Hunde am Donnerstag,

25. Mai, 20 Uhr, in den Bahnhof Fischbach. Die Bodensee-Players spielen ihr neues Stück „The Fox On The Fairway“im Casino im Fallenbrun­nen - am 24., 25.,

26. und 27. Mai, jeweils 20 Uhr.

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