Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Pipeline-Erkenntnis­se mit politische­r Sprengkraf­t

Nach neuen Recherchen führt die Spur in Sachen Nord Stream in Richtung Ukraine – Bald soll die Nato helfen

- Von Andreas Becker

- Geheim- und Nachrichte­ndienste arbeiten im Verborgene­n, die Generalbun­desanwalts­chaft ermittelt und will sich zu einem laufenden Verfahren nicht äußern, Medien recherchie­ren und versuchen, das Geheimnis des Anschlags Ende September vergangene­n Jahres auf das Milliarden-Projekt Nord Stream 1 und 2 zu lüften – Zutaten für einen Agententhr­iller in bester JamesBond-Manier. Waren es die Amerikaner als erklärte Gegner der Gasleitung­en aus Russland quer durch die Ostsee nach Deutschlan­d? Oder haben die Russen ihre eigene Pipeline zerstört, obwohl sie doch jederzeit die Chance gehabt hätten, den Gashahn einfach selbst zuzudrehen? Oder aber waren es am Ende doch die Ukrainer? Schließlic­h gab es in Osteuropa viele Gegner des Nord-Stream-Projektes. In Polen, in den baltischen Ländern und eben auch in der Ukraine war die Pipeline bereits vor dem Einmarsch der Russen am 24. Februar 2022 nicht wohl gelitten.

Schließlic­h hatten diese osteuropäi­schen Staaten als Transitlän­der an den Gaslieferu­ngen aus Russland in den Westen stets gut mitverdien­t. Diese Einnahmequ­elle

war durch die Umleitung des Gases aus Russland durch die Nord-Stream-Pipelines größtentei­ls versiegt. Vor diesem Hintergrun­d hat es enorme politische Sprengkraf­t, wenn „Süddeutsch­e Zeitung“, NDR, WDR sowie schwedisch­e, dänische und polnische Medien berichten, dass offenbar zwei Spuren in Militärkre­ise der Ukraine führen. Im Mittelpunk­t steht dabei immer noch die Charter-Yacht „Andromeda“, die um den Anschlagst­ag am 26. September 2022 auf der Ostsee unterwegs war. Das Schiff soll laut der Medienrech­erchen von einer Brief kastenf irma in der polnischen Hauptstadt Warschau gemietet worden sein. Diese Firma soll von zwei Ukrainern gegründet und registrier­t worden sein. Dass an Bord des Schiffes bei den offizielle­n staatsanwa­ltschaftli­chen Ermittlung­en Sprengstof­fspuren gefunden worden war, verschärft zumindest den Verdacht, dass die „Andromeda“an dem Anschlag beteiligt gewesen sein könnte.

Steffen Hebestreit, Sprecher der Ampel-Koalition in Berlin, erkennt bei einer entspreche­nden Anfrage nach einer möglichen Beteiligun­g der Ukraine die politische Brisanz – und will sich an Spekulatio­nen sowie der Kommentier­ung von Medienberi­chten nicht beteiligen. Es gebe drei oder vier Theorien, was die Täterschaf­t angehe – in Deutschlan­d ermittele der Generalbun­desanwalt wegen "verfassung­sfeindlich­er Sabotage", sagt der Sprecher von Bundeskanz­ler Olaf Scholz. Er wolle das „heikle Thema politisch nicht bewerten“.

Gleichzeit­ig kündigt Hebestreit an, dass das Thema Sicherheit von Gasinfrast­ruktur beim Nato-Gipfel im Juni eine Rolle spielen werde. Man werde gemeinsam mit den Partnern schauen, inwiefern sich die Nato beim Schutz von Pipelines, Versorgung­sleitungen oder jetzt auch LNG-Terminals gegebenenf­alls stärker engagieren könne. Der Regierungs­sprecher verwies darauf, dass in Deutschlan­d – ob unter- oder überirdisc­h – zig Leitungen verlaufen würden. Es sei in dem Zusammenha­ng sicherlich nicht leistbar, einen Rundumschu­tz zu gewährleis­ten. Doch stärker in den Fokus werde dieses Thema schon rücken, so Hebestreit. Schließlic­h habe man spüren müssen, wie schwer es sei, den Ausfall von Gas- oder auch anderen Energielie­ferungen kurzfristi­g zu kompensier­en. Und noch etwas Erwähnensw­ertes stellte der Sprecher klar: „Es gehört schon eine gehörige Portion terroristi­scher und auch kriminelle­r Energie dazu, um solche Pipelines auf dem Meeresbode­n zu zerstören.“

Insofern überrascht es auch nicht, dass die Verantwort­lichen in deutschen Sicherheit­skreisen von staatliche­n Akteuren ausgehen, die drei der vier Nord-Stream-Leitungen tief unter der Ostsee gesprengt haben. Mit anderen Worten: Es müsse mindestens ein Geheimdien­st am Sprengkomm­ando im September 2022 beteiligt gewesen sein.

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FOTO: ESA/DPA Satelliten­aufnahme des Gaslecks in der Pipeline Nord Stream 1 in der Ostsee.

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