Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Suchtberatung der Diakonie schlägt Alarm
Die Kosten steigen und steigen, doch der Anteil des Landes ist seit 1999 eingefroren
- Weil die Finanzierung ihrer Suchthilfe immer schwieriger wird, beteiligt sich die Diakonie Oberschwaben-Allgäu-Bodensee am landesweiten Aktionsbündnis „Suchtberatung retten“. Es ist ein Hilferuf, der sich vor allem an das Land richtet. Denn dessen Anteil an der Finanzierung der Suchtberatung ist seit 1999 eingefroren.
„Menschen mit Sucht sind in der Regel diejenigen, die die schwächste Lobby haben“, sagt Ralf Brennecke, Geschäftsführer der Diakonie Oberschwaben-Allgäu-Bodensee. Dass in den vergangenen Jahren in Stuttgart für die Suchtberatung nicht allzu kräftig die Werbetrommel gerührt worden ist, wird recht deutlich in einer Gesprächsrunde, zu der Brennecke und Fachbereichsleiterin Janine Stark Landtagsabgeordnete aus der Region eingeladen haben. Weder Martin Hahn (Bündnis 90/Die Grünen) noch Klaus Hoher (FDP) war die Problemlage bislang bekannt.
Konkret im Bodenseekreis sieht diese Problemlage so aus, dass durch Landesmittel nur noch rund 17 Prozent der Gesamtkosten der Suchtberatungsstelle gedeckt werden. Diese Gesamtkosten belaufen sich laut Diakonie auf rund 750.000 Euro. Mehr als die Hälfte davon übernimmt der Bodenseekreis. Der Anteil des Landes ist mit rund 129.000 Euro sogar deutlich niedriger als der Eigenanteil der Diakonie: 190.000 Euro entsprechen etwa 25 Prozent.
„Auf Dauer ist das nicht leistbar“, sind sich Ralf Brennecke und Janina Stark einig – nicht nur mit Blick auf Tarifsteigerungen und wachsende Anforderungen, sondern auch, weil durch Kirchenaustritte die Einnahmen aus der Kirchensteuer schrumpfen. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass wir künftig nicht mehr über die Mittel verfügen werden wie früher“, sagt Brennecke. Und das bedeute, dass sich die Diakonie mit der Frage auseinandersetzen müsse, wie sie ihre Aufgaben künftig priorisiert. In dem Zusammenhang weist der Geschäftsführer
darauf hin, dass Suchthilfe eine staatliche Aufgabe sei.
Auch Ignaz Wetzel, Sozialdezernent des Bodenseekreises, sieht das Land in der Pflicht. Der Kreis trägt seit jeher den größten Teil der Suchthilfekosten: Aktuell sind es knapp 58 Prozent beziehungsweise rund 432.000 Euro. Während die Anteile der Diakonie und des Bodenseekreises in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen sind, zahlt das Land seit 1999 einen unveränderten Fixbetrag: 17.900 Euro je Fachkraftstelle. Ziel der Kampagne „Suchtberatung retten“ist nun, die Landesregierung davon zu überzeugen, diesen Fixbetrag auf 25.000 Euro anzuheben. Für
die mit 7,2 Fachkraftstellen ausgestattete Suchtberatung im Bodenseekreis würde sich der Zuschuss dadurch um rund 51.000 auf 180.000 Euro erhöhen. Landesweit geht es um eine Erhöhung der Mittel um rund 3,6 Millionen Euro.
Was sich die Träger der Suchtberatung nach 24 Jahren wünschen, hält Ignaz Wetzel für „absolut moderat“– übrigens auch vor dem Hintergrund der Legalisierung von Cannabis. „Wenn man sowas macht, muss man auch Angebote zur Suchtberatung verstärken und entsprechend finanzieren“, so Wetzel. Dass die Zahl der Klienten in den Beratungsstellen steigt, wenn es leichter wird, Cannabis zu bekommen,
davon ist nicht nur der Sozialdezernent des Bodenseekreises überzeugt. Auch Janina Stark prophezeit, dass durch die Legalisierung die Zahl derer, die Cannabis konsumieren, zunehmen wird – und zwar vor allem bei den Erwachsenen.
Bislang berät die Suchthilfe der Diakonie in Friedrichshafen und in den Außenstellen in Überlingen und Tettnang laut Stark durchschnittlich rund 1200 Klientinnen und Klienten pro Jahr. Mit dem Vorurteil, dass es hier vor allem um Arbeits- und Obdachlose geht, räumt die Fachbereichsleiterin auf: Ein Blick in die Statistik zeigt, dass sich mehr als die Hälfte der Klientel aus berufstätigen Menschen zusammensetzt,
vom Arbeiter bis zum Manager.
Weil der Schwerpunkt der Suchthilfe der Diakonie auf Prävention und Beratung und nicht auf der Behandlung von Suchtkrankheiten liegt, spielen Krankenkassen und Rentenversicherung bei ihrer Finanzierung eine untergeordnete Rolle. Über die können Leistungen nämlich erst ab ambulanten Rehabilitationsmaßnahmen abgerechnet werden. Und die machen nur einen kleinen Teil in der Arbeit der Suchthilfe der Diakonie aus.
Die beiden Landtagsabgeordneten, die der Einladung der Diakonie gefolgt sind, sagen zumindest zu, das Thema in ihre Fraktionen mitzunehmen.