Kultur ist mehr, als man so denkt

Als diese Kolumne ihren Namen bekommen sollte, wurde ich vom Rest der Redaktion überstimmt. Kulturbeutel – da fällt mir ein heruntergekommener Waschraum ein. Andererseits: In so einen Beutel passt ja alles Mögliche. Ihn nur mit Veranstaltungstipps zu füllen, stand nie zur Debatte. Der Kulturbeutel sollte schon ein wenig hinter die Kulissen des Kulturlebens linsen und dabei mit Standpunkten nicht hinterm Berg halten.

Aber was ist das Kulturleben? Laut Duden „das kulturelles Geschehen in einem bestimmten Bereich“. Alles klar? Natürlich nicht. Diese Begriffsklärung klärt nichts. Ganz einfach, weil niemand genau sagen kann, was Kultur eigentlich ist oder wozu sie dient. Klar ist aber: Kultur passiert nicht nur, wenn sich im Graf-ZeppelinHaus der Vorhang öffnet und im Kunstverein Vernissage gefeiert wird. Kultur ist mehr. Es wird von Leitkultur gesprochen, von Jugendkultur, Unternehmenskultur, Streitkultur und etlichen andere Komposita-Kulturen. Der Mensch kann offenbar nicht anders, als in allen Lebensbereichen Kulturen hervorzubringen. Der Kulturbegriff ist im Lauf der Zeit immer weiter geworden, genauso wie der Kunstbegriff. Bereits 1904 umfasste Kultur für den

Soziologen Max Weber schlichtweg alles. „Eine Kulturerscheinung ist die Prostitution so gut wie die Religion oder das Geld“, führte er als Beispiel aus.

Gegen diese Breite hat der Kulturbeutel auch gar nichts. Im Gegenteil: Gerade so können in dieser Kolumne auch Themen aufgegriffen werden, die mit der Veranstaltungskultur nichts zu tun haben. Zum Beispiel Wohnkultur: Es gibt in den privaten Gärten immer weniger Bäume, dafür immer mehr Schwimmbecken – eine zu kurz gedachte Reaktion auf die Klimaerwärmung. Oder die Kultur der Angst während Corona, die ganz normale Leute in Prepper verwandelte. Schließlich die Sprachkultur, die zur Beschönigung neigt, wo es unbequem wird – etwa beim geplanten „Hochpunkt“, der eigentlich ja ein Hochhaus ist. Zuletzt wurde auch die Wegwerfkultur zum Thema gemacht. Wer hat sich in freier Natur nicht schon über liegen gelassene Getränkedosen und in Bäumen hängende Plastiktüten aufgeregt?

Am Ende scheren aber auch solche Kulturbeutelthemen wieder ins gewohnte Gleis ein: mit Empfehlungen, bei welchen Kulturveranstaltungen man in der laufenden Woche einen lohnenden Abend erleben kann.