Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Eine Zeitung ohne Redaktion

Beim Umzug der SZ läuft vieles nicht so wie geplant – Über eine verrückte und herausford­ernde Zeit

- Von Florian Peking

FRIEDRICHS­HAFEN - Wie sieht es aus, wenn eine Zeitung umzieht? Nun, im Normalfall sollte sich das nicht von einem gewöhnlich­en Firmenumzu­g unterschei­den. So richtig „normal“lief in den Monaten des Umzugs der „Schwäbisch­en Zeitung“in Friedrichs­hafen allerdings kaum etwas.

Rückblick ins Jahr 2020: Die Corona-Pandemie verändert im Frühjahr in Blitzgesch­windigkeit den Alltag auf der ganzen Welt. Andere Menschen sollen auf einmal, wo möglich, gemieden werden. Für eine Lokalzeitu­ng ein Riesenprob­lem – ist es doch der Job von Redaktion, Anzeigen und Vertrieb, nah an den Leuten vor Ort zu sein. Aber Sicherheit geht vor. Und so heißt es für viele im Team erst einmal: ab ins Homeoffice. Die Geschäftss­telle der „Schwäbisch­en“in der Schanzstra­ße dünnt personell ordentlich aus, nur noch einzelne Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r halten die Stellung. Der Rest arbeitet von zu Hause aus.

Damals ahnt noch niemand, dass es für viele, viele Monate so bleiben wird. Denn Corona und später auch der Krieg in der Ukraine sorgen für neue Probleme. Das Wort „Lieferkett­en“ist auf einmal in aller Munde – und das Versagen besagter Ketten sorgt wie auf vielen anderen Baustellen auch in der ehemaligen Zeppelin-Apotheke für Verzögerun­gen. Der Einzug in die neuen Räumlichke­iten verschiebt sich, zugleich sind die alten aber schon gekündigt. Ende April 2022 ziehen wir aus unserer Geschäftss­telle in der Schanzstra­ße aus.

Lange nicht alles, was sich über die Jahrzehnte angesammel­t hat, landet in den Umzugskist­en, die bis zum Einzug in der Eugenstraß­e eingelager­t werden. Insbesonde­re das alte und sehr gut erhaltene Redaktions­mobiliar zieht nicht mit um. Es wird für ukrainisch­e Gef lüchtete gespendet, von denen inzwischen einige in der Stadt leben. Auch unsere gebundenen Zeitungsbä­nde der Erscheinun­gsjahre 1998 bis 2011, die in der

Schanzstra­ße bislang im Keller lagerten, verschenke­n wir. Denn das Archiv der „Schwäbisch­en“Friedrichs­hafen liegt inzwischen komplett digital vor.

Ab Mai 2022 beginnt dann eine seltsame Zeit des „Zwischendr­ins“. Noch können wir die neuen Räume nicht beziehen – aber die „alte“Geschäftss­telle gibt es auch nicht mehr. Das komplette Team arbeitet von zu Hause aus. Technisch ist das absolut kein Problem. Aber es führt doch zu Kuriosität­en. Zum Beispiel bei der Post: Natürlich braucht eine Zeitung weiterhin eine Anschrift. Der Brief kasten in der Schanzstra­ße bleibt zunächst, dann hängen wir einen in der Eugenstraß­e auf. Und unsere Lieblingsk­ollegin Marion ZinserMach­o schwingt sich täglich aufs Rad, um die Post dort abzuholen und zu verteilen.

Ohne Büro fehlt natürlich auch der Ort, um seinen Kollegen zu begegnen. Volontärin­nen, die während ihrer Ausbildung zur Redakteuri­n nur einige Monate Station bei uns am See machen, verlassen Friedrichs­hafen wieder, ohne jemals sämtliche Mitglieder des Teams von Angesicht zu Angesicht getroffen zu haben. Aber alle ziehen an einem Strang, improvisie­ren – und stellen auch ohne Redaktions­räume jeden Tag den Lokalteil ihrer Tageszeitu­ng auf die Beine.

Trotzdem herrscht kollektive­s Aufatmen, als wir im Sommer endlich in der Eugenstraß­e einziehen können. Die kurze Absprache über den Tisch, der Plausch an der Kaffeemasc­hine – all das geht in der Realität doch wirklich besser als per Videoanruf. Trotzdem hat sich das Arbeiten verändert. Feste Plätze an den Schreibtis­chen gibt es nicht mehr. Da wir mobile Endgeräte haben, kann theoretisc­h jeder sitzen, wo er möchte – ob im Großraum-, im Einzel- oder eben im Heimbüro.

Verändert hat sich übrigens auch der frühere Ort unseres Wirkens in der Schanzstra­ße. Dort hat inzwischen das Hotel „City Krone“erweitert – und einen großen Spa-Bereich errichtet, in dem es sich auch Nicht-Hotelgäste gutgehen lassen können.

 ?? FOTO: SILJA MEYER-ZURWELLE ?? Schränke, Stühle, Tische: Alles muss raus und soll den ukrainisch­en Geflüchtet­en zugutekomm­en. Redaktions­chef Martin Hennings und Hendrik Schwabe von der Stadt Friedrichs­hafen packen mit an.
FOTO: SILJA MEYER-ZURWELLE Schränke, Stühle, Tische: Alles muss raus und soll den ukrainisch­en Geflüchtet­en zugutekomm­en. Redaktions­chef Martin Hennings und Hendrik Schwabe von der Stadt Friedrichs­hafen packen mit an.
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FOTO: FLORIAN PEKING Beim Umzug trennt sich die „Schwäbisch­e“auch von gebundenen Bänden der Ausgabe. Praktikant Matteo Schraff präsentier­t einen der Bände, der verschenkt wurde.
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FOTO: RALF SCHÄFER Für den Elefantenf­uß „Slavko“, der jahrelang in der Redaktion in der Schanzstra­ße stand, wurde vor dem Umzug ein neues Zuhause gefunden. Wie es ihm wohl mittlerwei­le geht?

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