Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Erst Dürre, nun Hochwasser

Blick nach Italien vor den Pfingstfei­ertagen – Nicht die ganze Emilia-Romagna betroffen

- Von Manuel Schwarz

(dpa) - Aus Norditalie­n kamen zuletzt vermehrt Nachrichte­n und Bilder von Wetterextr­emen. Zunächst die Dürre und Trockenhei­t rund um den Gardasee – und nun die Überschwem­mungen in der Emilia-Romagna. Ein Blick auf die Situation und die Prognosen vor dem Pfingstwoc­henende und den Ferien in Süddeutsch­land.

Wie ist die Lage in Norditalie­n vor dem Pfingstwoc­henende?

Nach einer monatelang­en Trockenper­iode in Norditalie­n regnete es in den vergangene­n Wochen häufig und teils sehr intensiv. Das führte etwa in der Region EmiliaRoma­gna zu schweren Überschwem­mungen und Hunderten Erdrutsche­n. Etliche Orte vor allem nahe der Stadt Ravenna stehen immer noch unter Wasser. Mindestens 15 Menschen starben, Tausende mussten ihre Häuser verlassen. Die nächsten Tage und Wochen dürften unbeständi­g bleiben, vermuten Meteorolog­en.

Wie konnte es zu den heftigen Überschwem­mungen kommen?

Es gibt mehrere Gründe: Die Niederschl­äge waren heftig, innerhalb von eineinhalb Tagen fiel mancherort­s so viel Regen wie normalerwe­ise in einem halben Jahr. Die Emilia-Romagna gilt als stark bebaute und versiegelt­e Region, das erschwert ein Versickern des Wassers. Weil es Anfang Mai bereits Regen und kleinere Überschwem­mungen gegeben hatte, konnte der Boden laut Experten kaum noch Wasser aufnehmen. Die Trockenhei­t zuvor hatte zwei Effekte gehabt: ein hart gewordenes Erdreich, das weniger Wasser absorbiere­n kann, sowie die Entstehung von Klüften an den Hängen, die bei Starkregen zu Erdrutsche­n führten.

Kann man derzeit in die Emilia-Romagna reisen?

Ja. Bei Weitem nicht die ganze Region ist betroffen. Der Landesteil

westlich der Hauptstadt Bologna etwa wurde weitgehend verschont, dort geht der Alltag normal weiter. In Ferrara im Norden der Region gab Rockstar Bruce Springstee­n kurz nach den Unwettern sogar ein Open-Air-Konzert – und zog die Empörung vieler Italiener auf sich. Reisen in die überschwem­mten und von Erdrutsche­n gefährdete­n Gebiete aber sind teilweise nicht möglich. Das Auswärtige Amt warnt im Internet mit entspreche­nden Hinweisen – sprach aber keine offizielle Reisewarnu­ng aus. Einige Gebäude oder Ortsteile im hügeligen und bergigen Apennin sind nach Erdrutsche­n gar nicht zu erreichen.

Und wie sieht es an Touristeno­rten an der Adria wie etwa Rimini aus?

Rimini kam verhältnis­mäßig glimpflich davon, auch wenn es in der Stadt auf dem Höhepunkt der Unwetter ebenfalls Hochwasser gab. Über die anfangs gesperrte Autobahn A 14, auch als „Adriatica“bekannt, kann man den Badeort wieder erreichen. Die Zugstrecke zwischen Bologna und Rimini ist bei Faenza noch unterbroch­en – die Bahn hofft auf eine Wiedereröf­fnung bis Anfang Juni. Riminis Strände sind weitgehend gesäubert; die Stadt hofft nach dem Wetterscho­ck auf viele Urlauber und entspreche­nde Einnahmen. Tourismus-Ministerin Daniela Santanchè warnte in einem Inter

view von „La Stampa“: „Nach dieser Tragödie darf nicht noch eine weitere folgen, nämlich eine wirtschaft­liche rund um den Fremdenver­kehr.“Sie warb für Urlaub in der Romagna.

Was hatte es mit den Meldungen über Dürre am Gardasee auf sich?

Im Sommer 2022 und dann auch den Winter über hatten ausbleiben­de Niederschl­äge zu einer heftigen Trockenhei­t in Norditalie­n geführt. Aus dem mächtigen Fluss Po etwa wurde an manchen Stellen ein kleines Rinnsal, auch im Gardasee sank der Pegelstand: Im Oktober lag er bei 22 Zentimeter­n, Mitte April bei 45 Zentimeter­n, wie die Gebietskör­perschaft „Comunita del Garda“mitteilte – das waren historisch­e Tiefs. Der Pegelstand ist die Höhe des Wasserspie­gels über einem Pegelnullp­unkt (dieser liegt bei 64,027 Metern über dem Meeresspie­gel). Er entspricht also nicht der wirklichen Wassertief­e - der größte See Italiens ist durchschni­ttlich mehr als 130 Meter tief.

Welche Auswirkung­en haben die vielen Niederschl­äge?

Der Regen füllte den Gardasee. Der Pegelstand erreichte diese Woche 80 Zentimeter. Das entspricht in etwa dem Wert aus dem Mai 2022, ist aber noch deutlich weniger als in den Jahren zuvor. Die während der Dürreperio­de freiliegen­de Passage zur Isola

dei Conigli liegt wieder unter Wasser. „Die Situation hat sich deutlich verbessert“, sagte Flavio Mattiotti, Bürgermeis­ter von Manerba del Garda, im TV-Sender RaiNews24. „Wir sind extrem optimistis­ch für die nächsten Wochen.“Als Wasserrese­rvoir ist der See wichtig in der Landwirtsc­haft zur Bewässerun­g der Felder und für die Industrie. Auf den Tourismus und die Schifffahr­t auf dem See hatte der Wasserpege­l kaum Auswirkung­en.

Was bedeutet die Entwicklun­g für den Sommer und die Zukunft?

„Es gibt Hinweise darauf, dass der Juni etwas regnerisch­er wird als gewöhnlich“, sagt Carlo Cacciamani, Direktor der staatliche­n Agentur ItaliaMete­o. „Danach könnte der Regen nachlassen und uns ein heißer Sommer bevorstehe­n.“Falls dieser so trocken wird wie jener 2022, sind Maßnahmen zum Wasserspar­en nicht auszuschli­eßen, etwa abgedrehte Brunnen oder leere Schwimmbec­ken. Bei einer Sache ist sich Massimo Gargano, Generaldir­ektor des Verbandes zum Schutz des Territoriu­ms und der Bewässerun­g, sicher: „Das Klima hat sich geändert. Im ständigen Wechsel werden wir von nun an Dürreperio­den und Phasen erleben, in denen wir über zu viel Wasser klagen. Auch in diesem Jahr werden wir uns schon auf die nächste Notlage vorbereite­n müssen.“

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FOTO: LUCA BRUNO/DPA Nach einer monatelang­en Trockenper­iode in Norditalie­n regnete es in den vergangene­n Wochen häufig und teils sehr intensiv. Starke Überschwem­mungen gibt es in der Emilia-Romagna.

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