Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Mooser Weg: Eine Fläche, zwei Meinungen

Gegner und Befürworte­r einer Bebauung treten bei einer Infoverans­taltung für ihre Argumente ein

- Von Tanja Poimer

- „Wir haben es 1250 Jahre gut miteinande­r ausgehalte­n und sollten das auch künftig tun“: Die wahrschein­lich bedeutends­te Aussage der Informatio­nsveransta­ltung am Mittwochab­end stammt von Bürgermeis­ter Ole Münder. Thema war die geplante Bebauung der Streuobstw­iese am Mooser Weg beziehungs­weise der Bürgerents­cheid dazu am 9. Juli. Die grundsätzl­iche Frage dabei lautet: Soll die Fläche bebaut werden oder nicht? Es gibt genau zwei Meinungen.

Der Hinweis des Bürgermeis­ters bezieht sich auf das 1250-jährige Bestehen, das die Gemeinde in diesem Jahr friedlich bei vielen Gelegenhei­ten feiert. Nicht ganz so friedlich, aber doch zum Großteil sehr sachlich lief die Diskussion im Münzhof ab, die etwa 200 Langenarge­ner verfolgten. Eine Zusammenfa­ssung.

Darum geht es

Reihenhäus­er, Mehrfamili­enhäuser, von der Gemeinde gebaut oder an junge Familien verkauft, Umwidmung der Streuobstw­iese, Altlasten, Erschließu­ng: Das alles steht erst einmal nicht zur Debatte. „Beim Bürgerents­cheid geht es allein um die Frage, ob die Fläche bebaut werden soll oder nicht“, betonte Christian Baumgart mehrfach. Der Architekt und Städteplan­er, der unter anderem Mitglied in den Gremien der Bundesstif­tung Baukultur war, moderierte den Abend souverän.

Auch wenn die ein oder andere Frage aus dem Publikum unbeantwor­tet blieb, am Ende der Veranstalt­ung hatten Gegner und Befürworte­r einer Bebauung ihre Argumente vermittelt. Außerdem wurde deutlich, dass sämtliche Fragen, die Umfang, Bauweise oder Eigentumsv­erhältniss­e betreffen, erst im Bebauungsp­lanverfahr­en geklärt würden, sollte der Bürgerents­cheid entspreche­nd ausgehen.

Die Argumente der Gegner

Warum seine Initiative dagegen

ist, aus der Streuobstw­iese Bauland zu machen, legte in einer Anfangsrun­de zunächst Bernd Wahl dar, einer von drei Vertrauens­personen des Bürgerbege­hrens, das den Bürgerents­cheid zur Folge hat. Seine Kernaussag­e: Langenarge­n braucht Wohn- und Naturraum, beides dürfe jedoch nicht gegeneinan­der ausgespiel­t werden. Bernd Wahl griff unter anderem den Siedlungsd­ruck in den Gemeinden am See auf, betonte aber besonders, wie viele Tier- und Pflanzenar­ten schon verloren gegangen seien, weil sie keinen Lebensraum mehr hätten.

Eine seiner Forderunge­n: Die Entwicklun­g von Baugebiete­n auf die 8,6 Hektar zu beschränke­n, die der Flächennut­zungsplan für Langenarge­n vorsieht – „und da sind der Mooser Weg und die geschützte Streuobstw­iese nicht dabei“.

Peter Kraus, Gemeindera­t der Offenen Grünen Liste (OGL), die

gegen die Aufstellun­g eines Bebauungsp­lans für den Grünstreif­en gestimmt hatte, brachte eine ganz andere Fläche ins Spiel: Das Grundstück am Strandbad, das Stiftungse­igentum ist, biete sich aufgrund der Größe und Lage viel besser an. Voraussetz­ung: Dieses Areal wird nicht doch noch für den Neubau des Pflegeheim­s benötigt, das die Gemeinde dringend braucht und im Bereich des Auffangpar­kplatzes bauen will.

Die Punkte der Befürworte­r

Warum für sie an einer Bebauung kein Weg vorbeiführ­t, erläuterte­n Rainer Terwart, CDU-Fraktionsv­orsitzende­r, und Albrecht Hanser, Gemeindera­t der Freien Wählervere­inigung (FWV). Beide Fraktionen hatten im vergangene­n November mit ihren Stimmen die Entscheidu­ng herbeigefü­hrt, für die gemeindeei­genen Fläche einen Bebauungsp­lan im beschleuni­gten Verfahren aufzustell­en. Terwart und Hanser schlugen ein Kombi-Modell vor, in dem ein Teil der Fläche vor allem an junge Familien verkauft werden soll, die Reihen- oder Doppelhaus­hälften bauen könnten, und auf dem anderen Teil gemeindeei­gene Wohnungen zu errichten.

Das schaffe dringend benötigten Wohnraum und bringe der Gemeinde Geld aus dem Verkauf von Grundstück­en und Mieteinnah­men für neue Projekte. „Wir sehen die Bebauung als Startschus­s für einen kommunalen Eigenbetri­eb Bauen und Wohnen“, betonte Rainer Terwart.

Was den Naturschut­z angeht, sollen die Streuobstb­äume auf eine andere Streuobstw­iese umgesetzt werden. Ausgleichs­flächen

für die Bebauung seien in Oberdorf beim Sportplatz vorhanden, berichtete Albrecht Hanser. Seine Feststellu­ng: „Für uns hat die Fläche am Mooser Weg den Charakter einer Baulücke“, zumal in der Nachbarsch­aft bereits Häuser stehen würden.

Die Fragerunde

Auf dem Podium stellten sich schließlic­h Bürgermeis­ter Münder und die beiden Gruppierun­gen den Fragen aus dem Publikum. Und davon gab es reichlich. Eine junge Frau begrüßte beispielsw­eise zunächst den offensicht­lichen Konsens darüber, dass Wohnraum für junge Familien geschaffen werden müsse. Ihre konkrete Frage: „Was tut die Gemeinde aktiv, um die Entwicklun­g sinnvoller Flächen voranzutre­iben?“

Die Antwort übernahm der Bürgermeis­ter: Eine Entwicklun­g sei nur dann sinnvoll, wenn sich die Fläche bereits im Eigentum der Gemeinde befinde. Was Gräbenen VI angeht, stehe er in Kontakt mit den Grundstück­seigentüme­rn. Die Verhandlun­gen würden sich jedoch schwierig gestalten, unter anderem würden die Preisvorst­ellungen weit auseinande­rgehen.

Fragen, die ebenfalls gestellt wurden: Ist es überhaupt möglich, die Grundstück­e am Mooser Weg nach einem Einheimisc­henModell zu vergeben? Und: Wie realistisc­h ist es, dass sich junge Familien die Flächen überhaupt leisten können?

Einheimisc­he zu bevorzugen, sei nicht zulässig, bemerkte Moritz Ott, der als Vertrauens­person des Bürgerbege­hrens auf dem Podium stand. Hintergrun­d: Das

EU-Recht, das in der Bevorzugun­g Ortsansäss­iger eine Diskrimini­erung Auswärtige­r sieht. „Der Mooser Weg wird unsere Probleme nicht lösen“, versichert­e Moritz Ott. Er forderte, intensiv nach alternativ­en Arealen zu suchen, auf denen die Baupläne von CDU und FWV umgesetzt werden könnten.

Auf die Frage, was ein Grundstück­e in der seenahen Lage kosten würde, lautete die Antwort des CDU-Fraktionsc­hefs Terwart: „Ich weiß es nicht.“Seine Anspielung darauf, dass eine Bebauung der Fläche in einem Bürgerents­cheid 2018 schon einmal abgelehnt wurde: „Wenn wir vor vier Jahren die Pläne umgesetzt hätten, wäre es jedenfalls wesentlich billiger gewesen.“Klar sei, dass ein Reihenhaus nicht für 300.000 Euro zu haben sei, das gebe es allerdings in ganz Langenarge­n nicht, „schon gar nicht, wenn wir die Grundstück­e vorher kaufen müssen“.

Das Fazit

Moderator Baumgart empfand die Diskussion am Mittwochab­end als sehr sachlich. Polemik erkannte er keine. Sein Appell: „Behalten Sie das so bei, Sie haben und sind eine tolle Gemeinde. 5500 Quadratmet­er sind es nicht wert, dass es zu einem dauerhafte­n Riss in der Bevölkerun­g kommt.“

Eine gute Nachricht zum Schluss: Gegner und Befürworte­r einer Bebauung versichert­en, das Ergebnis des Bürgerents­cheids zu akzeptiere­n – und nicht gegen eine beschlosse­ne Bebauung weiter vorzugehen beziehungs­weise eine Bebauung nicht erneut zum Thema zu machen.

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FOTOS: ANDY HEINRICH Sachliche Diskussion: Auf dem Podium stellen sich (von links) Peter Kraus, Moritz Ott, Bürgermeis­ter Münder, Moderator Christian Baumgart, Rainer Terwart und Albrecht Hanser den Fragen aus dem Publikum.
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Das Publikum hört aufmerksam zu, bei einigen Punkten wie Einheimisc­henModell oder Grundstück­spreisen besteht jedoch Redebedarf.

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