Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Landkreis richtet Notunterkunft in Bürgermoos ein
Bis zu 170 Geflüchtete finden dort ab Spätherbst Platz – Öffentlichkeit soll Räume vor Start besichtigen können
- Eine Notunterkunft für bis zu 170 Geflüchtete wird der Bodenseekreis in Bürgermoos einrichten. Der Betrieb in den bisherigen Räumen des Opti-Mega Store soll im Spätherbst 2023 starten. Der Mietvertrag ist laut Landratsamt erst seit wenigen Tagen in trockenen Tüchern.
In seiner Mitteilung stellte das Landratsamt klar, dass die künftigen Bewohnerinnen und Bewohner rund um die Uhr durch Fachpersonal (wie Heimleitung, hauswirtschaftliches Personal oder Flüchtlingssozialarbeit) begleitet werden sollen. Auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“präzisierte Landkreis-Sprecher Robert Schwarz, dass an einem normalen Tag bei einer Unterkunft dieser Größe tagsüber meist drei bis fünf Personen da seien. Und: „Wichtig ist, dass der Sicherheitsdienst rund um die Uhr da ist.“
Als Information auf die Frage zur Dauer des Mietvertrags äußert Schwarz „mehrere Jahre“und zu den Umrüstungskosten: „Wir gehen aktuell von Kosten zwischen ein und zwei Millionen Euro aus. Genauer können wir das erst sagen, wenn die Planungen und Vergaben erfolgt sind.“
Das Material für den Umbau der Immobilie müsse zum Gros noch beschafft werden, heißt es in der Antwort auf eine Anfrage der SZ: „Es sind auch wesentliche Bauleistungen erforderlich, vor allem für die Um- und Einbauten der Versorgungsbereiche.“
In seiner Mitteilung von Mittwochnachmittag verweist der Bodenseekreis darauf, dass er seiner gesetzlichen und humanitären Verpf lichtung nachkommen muss, diese Menschen zu beherbergen und zu versorgen. Die Stadt Tettnang äußert auf Anfrage
der „Schwäbischen Zeitung“, dass die Kommune in den letzten Tagen vom Landratsamt über die Anmietung des Gebäudes informiert worden sei.
Die Information habe auch das Ziel des Kreises beinhaltet, die Belegung von Hallen zu vermeiden, damit das gesellschaftliche sowie Vereinsleben aufrecht erhalten werden könne. „Nachdem nicht genügend freie Wohnungen zur Verfügung stehen, muss angesichts der hohen Flüchtlingszahlen für Notunterkünfte auch auf leerstehende Betriebsgebäude von Unternehmen zurückgegriffen werden“, sagt die Stadt weiter.
Zentrale Aufgabe sei, den gef lüchteten Menschen ein Dach über dem Kopf anbieten zu können. Die Stadt habe in der Vergangenheit mit der Belegung der Seldner- und der Stadthalle positive Erfahrungen gesammeln können. Erst zum Monatswechsel hatte der Landkreis die Seldnerhalle wieder an die Stadt Tettnang übergeben, nachdem die baulichen Einrichtungen der dortigen Notunterkunft abgebaut worden waren.
Vorausgegangen war nach einem Brandbrief des Ortschaftsrats ein längerer Prozess, in dem immer wieder die hohe Bedeutung der Seldnerhalle für die Dorfgemeinschaft und die Vereine dargestellt worden war.
In der Diskussion spielt auch der Schlüssel eine Rolle, nach dem der Landkreis Kommunen im Kreis Geflüchtete zuweist. Notunterkünfte oder auch Gemeinschaftsunterkünfte, die vom Landkreis getragen werden, werden hier mit angerechnet.
Einrichtungen wie die geplante Notunterkunft in Bürgermoos sind erste Auffangstationen, von denen aus die Menschen dann zum Beispiel auf kreiseigene oder
kommunale Unterbringungen verteilt werden.
Laut Landratsamt wird die Notunterkunft im früheren Möbelhaus die zweitgrößte im Bodenseekreis. In der Notunterkunft Sporthalle Berufsschulzentrum Friedrichshafen gibt es bis zu 230 Plätze, an anderen Standorten sind es 70 bis 80. Das entspricht übrigens der Größenordnung der Seldnerhalle.
Laut Mitteilung des Landkreises sollen die Menschen wie in anderen Unterkünften dieser Art in Abteilen aus Leichtbauwänden beherbergt werden. In Bürgermoos sollen sie sich selbst mit Mahlzeiten versorgen können. Die nötigen Sanitär-, Küchen- und Wascheinrichtungen hierfür müssen noch nachgerüstet werden. Außerdem werden Sozialund Schulungsräume eingerichtet.
Das Landratsamt plant, die Unterkunft vor Betriebsbeginn der Öffentlichkeit vorzustellen. Interessierte Bürgerinnen und Bürger können dann die Lebenssituation der künftigen Bewohner sowie Teile des verantwortlichen Betreuungspersonals kennenlernen.
Aktuell muss der Landkreis eigenen Angaben zufolge monatlich zwischen 50 und 100 gef lüchtete Menschen zusätzlich aufnehmen. Rund 800 Personen leben bereits in regulären Gemeinschaftsunterkünften des Kreises (vorläufige Unterbringung). Weil diese Kapazitäten laut Landratsamt längst nicht mehr ausreichen, muss der Landkreis viele Menschen in Notunterkünften in provisorisch hergerichteten Sporthallen oder anderen Gebäuden beherbergen.
Aktuell leben bereits rund 300 Menschen in derzeit fünf Notunterkünften. Für vier dieser Unterkünfte mussten laut Mitteilung Sport- oder Mehrzweckhallen umgerüstet werden. Diese stehen dem Schul- und Vereinssport für längere Zeit nicht zur Verfügung.
Erklärtes Ziel des Landratsamts ist es deshalb, diese Hallen schnellstmöglich wieder für ihren eigentlichen Zweck freizugeben.
Neben der Liegenschaft in Bürgermoos bereitet der Landkreis aktuell auch die Umrüstung einer ehemaligen Markthalle in SalemMimmenhausen zu einer Notunterkunft vor.