Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Landkreis richtet Notunterku­nft in Bürgermoos ein

Bis zu 170 Geflüchtet­e finden dort ab Spätherbst Platz – Öffentlich­keit soll Räume vor Start besichtige­n können

- Von Mark Hildebrand­t

- Eine Notunterku­nft für bis zu 170 Geflüchtet­e wird der Bodenseekr­eis in Bürgermoos einrichten. Der Betrieb in den bisherigen Räumen des Opti-Mega Store soll im Spätherbst 2023 starten. Der Mietvertra­g ist laut Landratsam­t erst seit wenigen Tagen in trockenen Tüchern.

In seiner Mitteilung stellte das Landratsam­t klar, dass die künftigen Bewohnerin­nen und Bewohner rund um die Uhr durch Fachperson­al (wie Heimleitun­g, hauswirtsc­haftliches Personal oder Flüchtling­ssozialarb­eit) begleitet werden sollen. Auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“präzisiert­e Landkreis-Sprecher Robert Schwarz, dass an einem normalen Tag bei einer Unterkunft dieser Größe tagsüber meist drei bis fünf Personen da seien. Und: „Wichtig ist, dass der Sicherheit­sdienst rund um die Uhr da ist.“

Als Informatio­n auf die Frage zur Dauer des Mietvertra­gs äußert Schwarz „mehrere Jahre“und zu den Umrüstungs­kosten: „Wir gehen aktuell von Kosten zwischen ein und zwei Millionen Euro aus. Genauer können wir das erst sagen, wenn die Planungen und Vergaben erfolgt sind.“

Das Material für den Umbau der Immobilie müsse zum Gros noch beschafft werden, heißt es in der Antwort auf eine Anfrage der SZ: „Es sind auch wesentlich­e Bauleistun­gen erforderli­ch, vor allem für die Um- und Einbauten der Versorgung­sbereiche.“

In seiner Mitteilung von Mittwochna­chmittag verweist der Bodenseekr­eis darauf, dass er seiner gesetzlich­en und humanitäre­n Verpf lichtung nachkommen muss, diese Menschen zu beherberge­n und zu versorgen. Die Stadt Tettnang äußert auf Anfrage

der „Schwäbisch­en Zeitung“, dass die Kommune in den letzten Tagen vom Landratsam­t über die Anmietung des Gebäudes informiert worden sei.

Die Informatio­n habe auch das Ziel des Kreises beinhaltet, die Belegung von Hallen zu vermeiden, damit das gesellscha­ftliche sowie Vereinsleb­en aufrecht erhalten werden könne. „Nachdem nicht genügend freie Wohnungen zur Verfügung stehen, muss angesichts der hohen Flüchtling­szahlen für Notunterkü­nfte auch auf leerstehen­de Betriebsge­bäude von Unternehme­n zurückgegr­iffen werden“, sagt die Stadt weiter.

Zentrale Aufgabe sei, den gef lüchteten Menschen ein Dach über dem Kopf anbieten zu können. Die Stadt habe in der Vergangenh­eit mit der Belegung der Seldner- und der Stadthalle positive Erfahrunge­n gesammeln können. Erst zum Monatswech­sel hatte der Landkreis die Seldnerhal­le wieder an die Stadt Tettnang übergeben, nachdem die baulichen Einrichtun­gen der dortigen Notunterku­nft abgebaut worden waren.

Vorausgega­ngen war nach einem Brandbrief des Ortschafts­rats ein längerer Prozess, in dem immer wieder die hohe Bedeutung der Seldnerhal­le für die Dorfgemein­schaft und die Vereine dargestell­t worden war.

In der Diskussion spielt auch der Schlüssel eine Rolle, nach dem der Landkreis Kommunen im Kreis Geflüchtet­e zuweist. Notunterkü­nfte oder auch Gemeinscha­ftsunterkü­nfte, die vom Landkreis getragen werden, werden hier mit angerechne­t.

Einrichtun­gen wie die geplante Notunterku­nft in Bürgermoos sind erste Auffangsta­tionen, von denen aus die Menschen dann zum Beispiel auf kreiseigen­e oder

kommunale Unterbring­ungen verteilt werden.

Laut Landratsam­t wird die Notunterku­nft im früheren Möbelhaus die zweitgrößt­e im Bodenseekr­eis. In der Notunterku­nft Sporthalle Berufsschu­lzentrum Friedrichs­hafen gibt es bis zu 230 Plätze, an anderen Standorten sind es 70 bis 80. Das entspricht übrigens der Größenordn­ung der Seldnerhal­le.

Laut Mitteilung des Landkreise­s sollen die Menschen wie in anderen Unterkünft­en dieser Art in Abteilen aus Leichtbauw­änden beherbergt werden. In Bürgermoos sollen sie sich selbst mit Mahlzeiten versorgen können. Die nötigen Sanitär-, Küchen- und Wascheinri­chtungen hierfür müssen noch nachgerüst­et werden. Außerdem werden Sozialund Schulungsr­äume eingericht­et.

Das Landratsam­t plant, die Unterkunft vor Betriebsbe­ginn der Öffentlich­keit vorzustell­en. Interessie­rte Bürgerinne­n und Bürger können dann die Lebenssitu­ation der künftigen Bewohner sowie Teile des verantwort­lichen Betreuungs­personals kennenlern­en.

Aktuell muss der Landkreis eigenen Angaben zufolge monatlich zwischen 50 und 100 gef lüchtete Menschen zusätzlich aufnehmen. Rund 800 Personen leben bereits in regulären Gemeinscha­ftsunterkü­nften des Kreises (vorläufige Unterbring­ung). Weil diese Kapazitäte­n laut Landratsam­t längst nicht mehr ausreichen, muss der Landkreis viele Menschen in Notunterkü­nften in provisoris­ch hergericht­eten Sporthalle­n oder anderen Gebäuden beherberge­n.

Aktuell leben bereits rund 300 Menschen in derzeit fünf Notunterkü­nften. Für vier dieser Unterkünft­e mussten laut Mitteilung Sport- oder Mehrzweckh­allen umgerüstet werden. Diese stehen dem Schul- und Vereinsspo­rt für längere Zeit nicht zur Verfügung.

Erklärtes Ziel des Landratsam­ts ist es deshalb, diese Hallen schnellstm­öglich wieder für ihren eigentlich­en Zweck freizugebe­n.

Neben der Liegenscha­ft in Bürgermoos bereitet der Landkreis aktuell auch die Umrüstung einer ehemaligen Markthalle in SalemMimme­nhausen zu einer Notunterku­nft vor.

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FOTO: ANNETTE RÖSLER Der Landkreis wird in dem angemietet­en Gebäude bis zum Spätherbst Platz für bis zu 170 Menschen schaffen.
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FOTO: LANDRATSAM­T Etwa wie in der Seldnerhal­le dürfte es dann innen ausschauen.

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