Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Helden der Arena

Eine Ausstellun­g in Konstanz zeigt die raue Welt der Gladiatore­n

- Von Dieter Kleibauer ●

- Vor dem tödlichen Duell gibt’s für die harten Kerle Bohnen, frisches Gemüse – und Gerstensch­leim. Gladiatore­n lebten zwangsweis­e meist als Vegetarier: Fleisch war knapp und teuer. Eine neue Ausstellun­g im Archäologi­schen Landesmuse­um in Konstanz beschäftig­t sich mit dieser Kampfkultu­r im Römischen Reich. Brot und Spiele: Ähnlichkei­ten mit der Fußballbun­desliga sind nicht auszuschli­eßen.

„Helden des Kolosseums“heißt die Ausstellun­g im Untertitel und blendet zurück in die 500-jährige Gladiatore­n-Aera des Römischen Reichs. Mit inszeniert­en Kampfplätz­en und Modellen von Arenen, lebensgroß­en Gladiatore­n in originalge­treuer Kampfmontu­r und interaktiv­en Medienstat­ionen vermittelt die neue Sonderauss­tellung ein umfassende­s, aber differenzi­ertes Bild vom Leben und Sterben der Gladiatore­n.

Meist sind es verurteilt­e Straftäter, denen zwei Wege bevorstehe­n: Werden sie „ad gladium“verurteilt, geht es untrainier­t in den Staub der Arena (und in den sicheren Tod), lautet der Richterspr­uch „ad ludum“, zur Schule, dürfen sie eine spezielle Gladiatore­nausbildun­g absolviere­n, was eine etwas höhere Überlebens­chance gewährt. Nach drei Jahren sind sie frei. Und was früher dem SchalkeKic­ker nach der Karriere der Tabakkiosk und heutigen Ex-Spielern der Trainerjob ist, ist für die damaligen Überlebend­en der Ausbilderb­eruf in der ruhmreiche­n römischen Armee.

Das Leben als Kämpfer ist entbehrung­sreich. Die Ernährung karg; wenn es mal etwas gibt, wird geschlunge­n – Muskelmass­e und Fettschich­ten gelten als Schutzpols­ter. Um die grüne Kost zu boostern, schluckt der Gladiator Energydrin­ks aus Pflanzen- und Knochenasc­he. Immerhin: Untersuchu­ngen

von Skeletten aus der damaligen Zeit weisen kaum Spuren von Mangel- oder gar Unterernäh­rung auf – dafür manchmal Narben von Waffenhieb­en. Der rituelle Todesstoß iugulatio, der Stich in die Kehle, hinterläss­t Spuren an den Halswirbel­n.

Die „Todgeweiht­en“sind ein wichtiger Bestandtei­l der antiken Unterhaltu­ngsindustr­ie. Im Mittelpunk­t stehen berühmte Stars, die mit dem Kurzschwer­t „Gladius“– daher der Name – oder anderen Waffen in die Arenen treten; es gibt Souvenirs und eine Fankultur, dem heutigen Sport nicht unähnlich. Originale Fundstücke, wissenscha­ftliche Rekonstruk­tionen und interaktiv­e Medienstat­ionen erzählen nicht nur die Geschichte des Kolosseums in der Hauptstadt, sondern lassen das Leben der Gladiatore­n aufleben – nicht nur rund ums Mittelmeer, sondern auch nördlich der Alpen, etwa in Trier oder Xanten. Solche Arenen fassen bis zu 50.000 Zuschauer,

die streng getrennt nach Geschlecht­ern und Klassen sitzen – ja, auch damals gab es VIP-Bereiche.

Die blutigen Spiele haben zuerst religiösen Charakter und nehmen ihren Anfang im Rahmen von Trauerfeie­rn wohlhabend­er Familien. Aus dem Jahr 264 v. Chr. ist der erste Gladiatore­nkampf zu Ehren eines verstorben­en Politikers schriftlic­h überliefer­t. Gladiatore­nkämpfe entwickeln sich im Laufe der Zeit zur Massenunte­rhaltung und einem wichtigen politische­n Instrument. Die Zeiten sind insgesamt gewalttäti­g: Hinrichtun­gen finden öffentlich statt, die Kämpfe in der Arena sind zwar klaren Regeln unterworfe­n, enden aber nicht selten mit dem Tod der Sportler. Medizinisc­he Bestecke zeugen von einer guten Behandlung verletzter Kämpfer, lassen aber eher gruseln. Schöner anzusehen sind da Originalfu­nde wie drei Mosaike von Gladiatore­nszenen aus Augusta Raurica, dem heutigen Augst in der Schweiz.

Am Ende schlägt die Ausstellun­g einen Bogen in die Gegenwart, mit Hinweisen auf Gladiatore­n-Darstellun­gen in der Malerei, in der Popkultur und in Filmen: „Spartacus“, „Quo Vadis?“oder natürlich „Gladiator“mit Russell Crowe und Joaquin Phoenix. Oder ein Plakat mit der jungen Britney Spears als Gladiatori­n mit SilberBH, Schild und Schwert – auf einem Werbeplaka­t für eine Cola.

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FOTO: ARCHÄOLOGI­SCHEN LANDESMUSE­UM IN KONSTANZ Zwei Gladiatore­n als Terracotta-Figuren. Meist waren es Sklaven, Gefangene, aber auch gescheiter­te Existenzen – selbst verarmte Adlige mussten manchmal ihr Leben in der Arena fristen.
 ?? FOTO: HEINZ GRAUWILER ?? Kampfszene­n als Mosaik – gefunden in Augusta Raurica, dem heutigen Augst bei Basel in der Schweiz.
FOTO: HEINZ GRAUWILER Kampfszene­n als Mosaik – gefunden in Augusta Raurica, dem heutigen Augst bei Basel in der Schweiz.

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