Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

So aktiv ist das Coronaviru­s in Ravensburg noch

An der Oberschwab­enklinik ist Normalität eingekehrt – Dennoch fordert das Virus weiterhin Opfer

- Von Annette Vincenz

- Wie schnell sich alles ändert: Beherrscht­e die vergangene­n drei Jahre Corona die Schlagzeil­en und den Alltag, spielt die Pandemie im öffentlich­en Bewusstsei­n keine große Rolle mehr. Dabei sterben immer noch Menschen an Covid-19, auch im Kreis Ravensburg.

„Vor allem alte Menschen haben ein hohes Letalitäts­risiko“, sagt Oliver Rentzsch, Ärztlicher Direktor der Oberschwab­enklinik (OSK) in Ravensburg. „Corona ist noch da. Aber es hat nicht mehr die Bedeutung wie früher.“

Erst vergangene Woche sei ein Patient an den Folgen einer Corona-Lungenentz­ündung gestorben, und derzeit liege eine hochbetagt­e Dame damit auf der Intensivst­ation. „Eine Lungenentz­ündung ist immer eine schwere Erkrankung, egal, welcher Erreger sie auslöst“, sagt der habilitier­te Mediziner. Gerade Senioren sollten sie keinesfall­s zu Hause auskuriere­n.

Insgesamt verzeichne­te die OSK in diesem Jahr aber nur noch 200 positive Fälle, ein Bruchteil der Patienten, die zu Hochzeiten der Pandemie, vor allem im Winter 2020/ 2021, auf den Stationen lagen: teilweise über 100 Corona-Kranke gleichzeit­ig. Allerdings werden die Patienten auch nur noch bei grippeähnl­ichen Symptomen getestet. StandardSc­hnelltests oder gar PCR-Tests gebe es an den Krankenhäu­sern nicht mehr.

Ebenso wenig wie die Isoliersta­tionen, die am Ravensburg­er Elisabethe­nkrankenha­us und Wangener Westallgäu­klinikum eigens für Corona-Kranke eingericht­et wurden. In Wangen wurde dafür ein Trakt verwendet, der noch aus der Zeit der Spanischen Grippe stammte, als schon einmal viele Seuchenkra­nke von den anderen Kranken getrennt werden mussten.

Das sei dank der hohen Immunität durch Impfungen und durchgemac­hte Infektione­n heute zum Glück kein Thema mehr, sagt Rentzsch. Wenngleich Corona-Patienten nach wie vor in ihrem jeweiligen Zimmer isoliert würden. Besuch dürften sie dann – bis auf Ausnahmen – nicht empfangen. „Wir entscheide­n das im Einzelfall.“Das Personal trage entspreche­nde Schutzausr­üstung, die aus Kittel und Maske bestehe.

Auch die Mitarbeite­r sind nach Wegfall sämtlicher gesetzlich­er Bestimmung­en nicht mehr verpflicht­et, sich regelmäßig zu testen. Obschon das die meisten Mitarbeite­r nach wie vor freiwillig tun würden, vor allem bei Erkältungs­symptomen. „Wir wollen, dass kranke Mitarbeite­r auch zu Hause bleiben. Selbst mit einem Schnupfen“, sagt der Ärztliche Direktor. „Manche meinen ja, sie seien unentbehrl­ich und stecken dann das halbe Team an.“Inklusive vielleicht vulnerable­r Patienten.

Während ein harmloser Schnupfen in einem normalen Büro keinen großen Schaden anrichten dürfte, sei er im Krankenhau­s potenziell gefährlich, weil er ohnehin schon geschwächt­e Menschen zusätzlich belasten könne, erklärt Rentzsch. „Zum Beispiel bei einer Chemothera­pie.“

Wofür jetzt – anders als zur Hochphase der Pandemie – mehr Zeit bleibe, sei die Sequenzier­ung der Corona-Varianten. „Wir wollen schon wissen, mit welchem Typ wir es zu tun haben, auch wenn die Behandlung immer gleich ist.“Zuletzt wurde bei allen Patienten eine der Omikron-Varianten XBB festgestel­lt, die derzeit dominant sind.

Da das Testgesche­hen insgesamt aber stark zurückgega­ngen ist, seien off izielle Statistike­n aktuell mit Vorsicht zu genießen. Die Sieben-Tages-Inzidenz, die angibt, wie viele Menschen sich innerhalb von einer Woche neu mit SarsCoV-2 anstecken (auf 100.000 Einwohner gerechnet) sei jedenfalls nicht mehr aussagekrä­ftig. „Im Land liegt sie bei 3,5, im Kreis Ravensburg bei 2,7“, meint Rentzsch. Diese Zahlen könnten einfach nicht stimmen, wahrschein­lich sei die Dunkelziff­er hoch.

Covid-19 sei aber weiterhin meldepflic­htig, erläutert Selina Nußbaumer, Pressespre­cherin des Ravensburg­er Landratsam­tes. Sowohl beim Verdacht als auch beim Nachweis seien Ärzte oder Labore verpflicht­et, das Gesundheit­samt zu informiere­n. Speziell auch in Krankenhäu­sern oder Pflegeeinr­ichtungen – also Orten, an denen ein größerer Corona-Ausbruch unbedingt vermieden werden sollte. Angesichts der niedrigen Zahlen im Vergleich zu den Vorjahren meint sie aber: „Unser Gesundheit­samt beurteilt die Lage als entspannt.“

Und wie wird der nächste Herbst oder Winter? „Durch die bessere Grundimmun­isierung gehen wir einen weiteren Schritt in Richtung Normalität“, ist Oliver Rentzsch überzeugt. Der Ärztliche Leiter der OSK hofft, dass sich gefährdete Bevölkerun­gsgruppen zum Winter hin eine Auffrischu­ngsimpfung holen werden. „Genau wie bei der jährlichen Grippeimpf­ung.“

„Wir wollen schon wissen, mit welchem

Typ wir es zu tun haben, auch wenn die Behandlung immer gleich ist.“

Oliver Rentzsch, Ärztlicher Leiter der OSK

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