Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Unbekannter Geldsegen: 200 Euro für alle 18-Jährigen
Wenn die Bundesregierung Geld für Kultur ausgibt, hat das auf das Leben des Einzelnen normalerweise kaum spürbare Auswirkungen. Beim Kulturpass ist das anders: Alle, die im Jahr 2023 volljährig werden, erhalten nämlich ein Guthaben von 200 Euro. Wie sie es ausgeben, entscheiden die Betreffenden selbst.
Wie funktioniert das Ganze? Der Kulturpass kann ab den 14. Juni genutzt werden. Dazu brauchen die 18-Jährigen einen elektronischen Personalausweis. Mit ihm können sie sich bei der Kulturpass-App registrieren und das Guthaben freischalten lassen. Die 200 Euro können innerhalb von zwei Jahren aufgebraucht werden - beispielsweise für Konzertkarten, Theateraufführungen, Kino- und Museumsbesuche, Bücher, Tonträger, Noten oder Musikinstrumente. Genaueres findet sich auf der Homepage www.kulturpass.de.
Eine tolle Sache also, die aber einen Haken hat: Der Kulturpass ist noch weithin unbekannt. Kulturpass? Da schaut man in Friedrichshafen in fragende Gesichter. Es wäre hilfreich, wenn dieses Thema im Schulunterricht besprochen würde: Allein in Friedrichshafen können 614 junge Leute die 200 Euro Kulturguthaben abrufen - sofern sie aktiv werden. Damit das klappt, ist der Bund in der Pflicht: Ohne eine baldige Info-Kampagne wird der Kulturpass zu einem Reinfall.
Das wäre nicht nur für die jungen Erwachsenen schade, sondern auch für die von Corona schwer gebeutelten Kulturanbieter. In ihren Taschen wird das Geld ja am Ende landen. Um vom Kulturpass-Budget zu profitieren, müssen auch sie sich registrieren.
Eine Stichprobe zeigt: In Friedrichshafen tun das einige. Darunter das städtische Kulturbüro, die Buchhandlungen Fiederer und „RavensBuch“sowie die Kulturhaus Caserne gGmbh. Bei großen Internet-Versandhändlern kann man das Kulturguthaben übrigens nicht einlösen. So unterstützt der Kulturpass die Infrastruktur in den Städten, die arg unter der Abwanderung der Kauf kraft ins Netz leiden.
Es gibt aber auch Kritik am Zuschnitt des Kulturpasses. Die „Süddeutsche Zeitung“fragt: Warum kann man sich von den 200 Euro Musikinstrumente kaufen, aber nicht Pinsel, Staffelei oder Fotoequipment? Warum sind Bücher aller Art Kultur, aber Zeitungen und Zeitschriften nicht? Und wenn der Kulturpass für Konzerte in Anspruch genommen werden kann: Deckt das auch einen Abend in der Disko ab, wo ein DJ Platten auflegt? Mal sehen, wie sich das zurechtrüttelt.
Aber jetzt will man vor allem den 614 jungen Häflerinnen und Häflern zurufen: Nehmt diese 200 Euro mit! Dieses Geschenk gibt es nur einmal.
Die Kulturtipps der Woche: Im Theater Atrium spielt Ladwigs Dixieland-Kapelle am Samstag, 10. Juni, 20 Uhr, den Swing der Roaring Twenties und den Jazz der 1930er Jahre. Der Gitarrist Wawau Adler und seine Band spielen am Freitag, 9. Juni, 19.30 Uhr, bei den Langenargener Sommerkonzerten im Schloss Montfort Gypsy Jazz.