Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Debatte um Klinikster­ben

Südwest-Krankenhäu­ser fühlen sich vom Bund ignoriert

- Von Andreas Becker und Katja Korf

- Wie viele Krankenhäu­ser soll es in Deutschlan­d geben – und mit welchem Versorgung­sangebot? Während sich Bund und Länder zumindest bei den Grundlagen für die anstehende Klinikrefo­rm annähern, kritisiere­n die Kliniken im Südwesten die Pläne. Eine Modellrech­nung des Verbands der Gesetzlich­en Krankenver­sicherung (GKV) befeuert die Debatte weiter.

Demnach könnte aus Sicht der GKV fast jedes vierte Krankenhau­s schließen. Mit den übrigen 1247 Kliniken sei eine gute Versorgung gesichert, betonte die zuständige Vorständin der GKV, Stefanie Stoff Ahnis. Die restlichen 428 Krankenhäu­ser müssten erklären, warum sie unnötig Fachkräfte binden und aus Beiträgen der Versichert­en finanziert werden sollten.

Eine Einschätzu­ng mit Brisanz, wie die Reaktion der Deutschen Krankenhau­sgesellsch­aft zeigt. „Die Aussage, dass es 500 Krankenhäu­ser zu viel gibt, ist genauso falsch und unsachlich wie die Aussage, dass 80 Krankenkas­sen zu viel da sind“, sagte deren Vizechefin Henriette Neumeyer.

Einigkeit herrscht darüber, dass die Krankenhau­slandschaf­t in Deutschlan­d neu ausgericht­et werden muss. Ein Großteil der Kliniken schreibt rote Zahlen, die Personalno­t ist groß und die Qualität im Vergleich zum investiert­en Geld im EU-Vergleich nur im Mittelfeld. Bundesgesu­ndheitsmin­ister

Karl Lauterbach (SPD) hat Reformvors­chläge präsentier­t. In der vergangene­n Woche gab es eine deutliche Annäherung mit den Bundesländ­ern.

Während Baden-Württember­gs Gesundheit­sminister Manferd Lucha (Grüne) große Fortschrit­te sieht, fühlen sich die Krankenhäu­ser im Südwesten hingehalte­n. Die Finanznot sei akut, weiteres Warten führe zu ungeplante­n Insolvenze­n. „Das Vorgehen des Bundesgesu­ndheitsmin­isters in dieser Frage grenzt schon an Ignoranz und negiert die dramatisch­e finanziell­e Situation der Krankenhäu­ser. Diese brauchen jetzt schnell Hilfe. Das Vertrösten auf eine Reform, deren Umsetzung Jahre brauchen wird, reicht absolut nicht aus“, teilte Heiner Scheffold, Vorsitzend­er der badenwürtt­embergisch­en Krankenhau­sgesellsch­aft und Landrat des Alb-Donau-Kreises, mit.

Zudem werde die Reform in der vorgeschla­genen Form die Probleme nicht lösen. Man setzte zu sehr auf Größe und Spezialisi­erung, so Scheffold. Das sei nicht immer zielführen­d. „Eine zukunftsfä­hige Krankenhau­sstruktur kann es nur geben, wenn sie die Bedürfniss­e der Menschen vor Ort berücksich­tigt und auch die Versorgung in der Fläche im Blick hat.“Befürworte­r von Klinik-Konzentrat­ionen verweisen auf Studien, nach denen bestimmte Operatione­n und Behandlung­en bessere Ergebnisse erzielen, wenn eine Klinik sie oft durchführt.

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