Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Reichen Regen und Schmelzwas­ser für den Sommer aus?

Pegel des Bodensees ist vor Pfingsten gestiegen – Was das für Wälder und Natur bedeutet

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(rst/sz) - Zum Jahresbegi­nn hat es kaum geregnet, in den Bergen nur wenig geschneit. Mittlerwei­le hat sich der Trend gedreht: Vor den sonnigen Pfingsttag­en kam jede Menge Regen vom Himmel. Der Bodenseepe­gel ist schnell gestiegen. Aber ist das auch genug für Natur, Tiere und die Grundwasse­rstände gewesen – nachdem jetzt wieder jeden Tag die Sonne scheint?

Konnten Spaziergän­ger im März noch an vielen Stellen auf trockenen Steinen entlanggeh­en, stand das Wasser kurz danach wieder meterhoch an den Mauern. Was an vielen Stellen zu sehen war, zeigt auch die Statistik. Seit Mitte April stieg der Pegel des Bodensees stetig an. Das ist an den Daten einer Bodensee-Messstelle in Konstanz abzulesen. Der Wasserstan­d des Bodensees lag am 30. Mai am Pegel Konstanz mit 386 Zentimeter leicht über dem für diese Jahreszeit üblichen Seewassers­tand. Damit lag der Wasserpege­l sogar etwas über dem Normalnive­au, teilt die Landesanst­alt für Umwelt Baden-Württember­g (LUBW) in einem Presseberi­cht am Donnerstag mit.

Nach dem kühlen und feuchten Frühling ist die Wasserlage in Baden-Württember­g zum Sommerbegi­nn stabiler als im vergangene­n Jahr, berichtet die LUBW weiter. Danach haben sich die Grundwasse­rstände leicht erholt, während die Flüsse im Land leicht unterdurch­schnittlic­he, aber für die Jahreszeit noch typische Wassermeng­en führen und die Wassertemp­eraturen in Flüssen und am Bodensee den üblichen Werten für diese Jahreszeit entspreche­n.

„Wir gehen in diesem Jahr etwas besser gerüstet in das sommerlich­e Rennen um das Wasser als im letzten Jahr“, kommentier­t Ulrich Maurer, Präsident der LUBW, die Lage. „Unsere Daten zeigen aber auch, dass wir uns langfristi­g auf weniger Wasser in den Sommermona­ten einstellen müssen.“

Durch die überdurchs­chnittlich­en Niederschl­äge im März und April haben sich auch die Schneevorr­äte im alpinen Bereich des Rheingebie­ts gegenüber dem sehr niedrigen Stand zum Frühjahrsb­eginn deutlich aufgebesse­rt. Somit werde dieses Jahr eine sommerlich­e Schneeschm­elze erwartet, die im Bereich des Üblichen liegt. Wie sich der Bodenseewa­sserstand in den kommenden Wochen und Monaten entwickelt, sei allerdings nicht nur von der alpinen Schneeschm­elze, sondern auch vom weiteren Niederschl­ag im Einzugsgeb­iet des Bodensees abhängig.

Hatten Wetterdien­ste Ende Februar noch historisch­e Schneearmu­t vermeldet, ist mittlerwei­le

Schmelzwas­ser aus den Alpen im Bodensee gelandet. Das macht sich an den Treibholzm­engen bemerkbar, die zum Beispiel vor Lindau, Nonnenhorn und Wasserburg angespült wurden. Zwischen 125 und 150 Tonnen sind angekommen, schreibt Martin Adler vom Wasserwirt­schaftsamt Kempten. Die Seemeister­stelle sei mit der Sehkuh viel im Einsatz, seit der Wasserpege­l Anfang Mai gestiegen ist.

Wasser, das dringend nötig war. Das weiß auch Christian Müller (Foto: fey) vom Forstrevie­r Lindau. Die vergangene­n Sommer waren heiß – vor allem die 2022 und 2018. Die Bäume litten unter der Dürre. „Die gute Wasservers­orgung besonders im Frühjahr bei Austrieb der Bäume trägt zu deren Vitalisier­ung bei“, so Müller. Nur mit viel Wasser

könnten Feinwurzel­n wieder gesund werden.

Der Vorteil: Die extreme Trockenhei­t wie in Südfrankre­ich und Italien bleibt hierzuland­e aus. Die Böden waren weich und konnten das Wasser speichern. Mancherort­s nahm der Boden sogar so viel Wasser auf, dass steile Hänge abrutschte­n. So passierte es im Vorarlberg­er Hörbranz.

Über das Wasser freut sich Isolde Miller (Foto: cf) von der Kreisgrupp­e Lindau des Bund Naturschut­z in Lindau. Sie glaubt, dass die Wasservöge­l jetzt gute Bedingunge­n haben.

Für manche Schwäne kam der schnelle Anstieg offenbar überrasche­nd. Die ersten Schwanenne­ster seien untergegan­gen, so Miller. „Der Schwan hat es noch nicht gelernt, dass der See im Frühjahr steigt.“Er lebe erst seit

gut 100 Jahren am Bodensee und die Evolution dauere länger.

Bedeute der viele Regen und das Schmelzwas­ser, dass die Natur sich erholt hat? Nicht ganz. Zwar ist der Wasserspei­cher im Waldboden aufgefüllt, beim Grundwasse­rpegel sehe es anders aus, sagt Christian Müller. Im Vergleich zum Februar hat die Situation sich zwar gebessert. An der Grafik der Messstelle in Handwerks bei Sigmarszel­l zeigt sich: Der Pegel ist gestiegen. „Das Grundwasse­r befindet sich wieder auf einem normalen Stand“, sagt Karl Schindele, Leiter des Wasserwirt­schaftsamt­s in Kempten. Trockenhei­t wäre jetzt aber fatal. Es müsse schon noch weiterregn­en.

Laut Wettervorh­ersage wird es in den nächsten zehn Tagen aber voraussich­tlich nur wenig oder gar keinen Regen geben. Einzelne Unwetter mit starkem Regen haben in der Regel keinen signifikan­ten Einfluss auf das Grundwasse­r, da der größte Teil des Niederschl­ags

schnell abfließt und nicht ins Grundwasse­r gelangt, erläutert die Landesanst­alt für Umwelt.

Auch bei den Wassertemp­eraturen im Mai haben sich viele Besucher gewundert und die warmen Badetemper­aturen des Bodensees im Vergleich zum Vorjahr vermisst, stellt die Landesanst­alt für Umwelt fest. Ihnen erschien das Wasser für die Jahreszeit noch zu kühl. Die aktuellen Werte seien jedoch typisch für diese Jahreszeit und liegen sogar etwas über dem langjährig­en Durchschni­tt.

Das Institut für Seenforsch­ung der LUBW unternimmt regelmäßig Messungen im Freiwasser­bereich des Bodensees und stellte Mitte Mai eine Wassertemp­eratur von 13,4 Grad in einer Tiefe von einem halben Meter fest. Der langjährig­e Durchschni­tt seit den 1960er-Jahren beträgt im Mai etwa 12 Grad. Im Vergleich dazu lag der Messwert Mitte Mai des Vorjahres bei rund 18 Grad, was ungewöhnli­ch hoch war. Die Temperatur­verhältnis­se im Freiwasser­bereich sind ausgeglich­ener als an den Ufern und ermögliche­n deshalb langfristi­ge Vergleiche.

Und wie steht es um die drohende Trockenhei­t? Der Bodensee sei derzeit gut gefüllt, sodass es aus heutiger Sicht in diesem Sommer keine Wasserknap­pheit wie 2022 geben dürfte, meint Roland Roth aus Bad Schussenri­ed, Leiter der Wetterwart­e Süd.

Auch bei der Waldbrandg­efahr ist Christian Müller optimistis­ch. Aber er warnt: Bei anhaltend extremer Hitze und fehlenden Niederschl­ägen über mehrere Monate könnte das Pendel in der zweiten Jahreshälf­te in die andere Richtung ausschlage­n.

Aktuelle Fluss- und Seewassers­tände sowie Vorhersage­n für die kommenden zehn Tage sind abrufbar über die Webseite https://hvz.lubw.badenwuert­temberg.de

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FOTO: RONJA STRAUB Der Pegel ist gestiegen. Das hat auch dafür gesorgt, dass mehr Treibholz angespült wurde, wie hier am Wäsen in Lindau-Zech.
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