Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Auf dem Weg zu mehr Flächenschutz
Initiatoren des Volksantrags „Ländle leben lassen“sammeln 53.276 Unterschriften
- Der Erfolg war absehbar: 40.000 Unterschriften hätten die Initiatoren des Volksantrags „Ländle leben lassen“gebraucht, 53.276 haben sie am Freitag Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) in Stuttgart überreicht. „Wir wollen die Landesregierung nur an das erinnern, was sie längst beschlossen hat“, erklärte der Nabu-Landesvorsitzende Johannes Enssle: deutlich sorgsamer als bisher mit dem kostbaren Gut Fläche umzugehen.
Grün-Schwarz hatte im Koalitionsvertrag 2021 vereinbart, den Flächenverbrauch in BadenWürttemberg auf 2,5 Hektar zu begrenzen und ab 2035 die Nettonull zu erreichen. Das heißt, dass ab dann nur noch so viel Fläche neu versiegelt werden soll, wie an anderer Stelle Natur oder Landwirtschaft zurückgegeben wird. Davon sind die aktuellen Zahlen weit entfernt, betonte Gerhard Bronner vom Landesnaturschutzverband. „Das stagniert seit zehn Jahren bei um die fünf Hektar. Das ist das Doppelte von dem, was im Koalitionsvertrag vorgesehen ist.“
Im vergangenen Jahr wurden im Südwesten laut Statistischem Landesamt täglich 4,6 Hektar Fläche neu versiegelt, im Jahr zuvor waren es 6,2 Hektar. Um den Flächenfraß zu stoppen hat sich im April vergangenes Jahr ein breites und ungewöhnliches Bündnis gefunden. Mehr als 20 Verbände aus Naturschutz und Landwirtschaft, Alb- und Alpenverein sowie „Fridays for Future“gehören zu den Organisatoren des Volksantrags. Nach der Übergabe an Aras prüft zunächst der Landtag die Formalien und reicht den Volksantrag dann an die Fraktionen sowie an die Landesregierung zur Stellungnahme weiter. Ziel eines solchen Antrags ist es, den Landtag zu zwingen, sich mit einem Thema zu befassen.
Das Bündnis hat ein Paket aus neun Forderungen geschnürt, die aber laut Bronner klar priorisiert sind. „Wir wollen vor allem die Obergrenze“, sagte er. „Wenn die
verlässlich kommt, sind wir bei vielen anderen diskussionsbereit.“Zu diesen anderen Forderungen gehört etwa, dass Neubaugebiete künftig so geplant werden sollen, dass mindestens 60 Einwohner auf einem Hektar Fläche leben.
„Der ungebremste Flächenverbrauch muss gestoppt werden, besser heute wie morgen“, betonte Roswitha Geyer-Fäßler, Vizepräsidentin des Landesbauernverbands. Denn: „Grund und Boden
sind die Grundlage für unsere Betriebe. Wir haben schon viel zu viel Fläche verloren, und es wird täglich mehr.“Zudem seien Böden, gerade Grünland, wichtige CO2-Speicher.
Für die einzelne Gemeinde sei der Druck auf die Flächen schwierig, räumte Geyer-Fäßler ein. „Jede Fläche ist nur einmal da, es gibt für jede Fläche andere Wünsche.“Firmen wollten sich weiterentwickeln. Die Kommune selbst müsse sich finanzieren. „Also hat die
Firma einen höheren Stellenwert als Landwirtschaft oder Naturschutz“, so Geyer-Fäßler. Was es deshalb brauche, seien klare Vorgaben durch die Politik.
Gerade mit Blick auf ländliche Gebiete, betonte Bronner. Dieser sei für 90 Prozent des Flächenfraßes verantwortlich. „Wo vor allem geaast wird und mit dem Artikel 13b im Baugesetzbuch geaast wurde, das ist vor allem der ländliche Raum.“Deshalb sei ganz entscheidend, dass das Land im Landesentwicklungsplan, den die zuständige Ministerin Nicole Razavi (CDU) aktuell überarbeitet, eine Reduktion des Flächenverbrauchs als verbindliches Ziel definiert wird und nicht als wachsweicher Grundsatz. Der Plan ist die Basis für die Regionalpläne, von denen sich wiederum noch kleinteiliger Flächennutzungspläne ableiten.
Martin Bachhofer, Landesgeschäftsführer des BUND, warnte davor, den Flächenverbrauch schönzurechnen. Bislang wird etwa die gesamte Fläche eines Neubaugebiets als verbrauchte Fläche gewertet. Da dort ja auch Biotope und Gärten entstehen, kursiere in der Landespolitik die Idee, künftig nur die tatsächlich bebauten Flächen zu berechnen. „Für mich ist das ein billiger Trick“, betonte Bachhofer.
Kurz zuvor hatte sich Peter Hauk (CDU), Südwest-Minister für den Ländlichen Raum, entsprechend geäußert. Flächen zu schonen sei notwendig, wirtschaftliche Entwicklung aber auch. „Es wäre zu überlegen, ob man zu einer anderen qualitativen Erhebung kommt“, sagte er. Allein schon wegen des Klimawandels sei dies wohl ohnehin nötig. Etwa um statistisch zu erfassen, wo Starkregen auch in mit Beton und Asphalt bestückten Städten versickern kann.
Enssle nahm hierzu die Grünen in die Pf licht. „Grüne Politik ist oft supergut darin, Ziele zu formulieren. Die Umsetzung ist dann meist schwierig.“Der Grünen-Abgeordnete Markus Rösler lobte den Volksantrag dennoch. „Der gibt uns Rückenwind.“