Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Deutsche Autobauer wollen aus der Defensive

Konzerne tun sich schwer in China – Auf der Automesse in Peking zeigen sie sich dennoch selbstbewu­sst

- Von Jörn Petring, Johannes Neudecker und Marco Engemann

(dpa) - Der Wettbewerb ist hart wie nie, doch Volkswagen, Mercedes, BMW und andere wollen sich auf dem wichtigen Automarkt China behaupten. Mit einer Kampfansag­e an die erstarkte chinesisch­e Konkurrenz präsentier­ten sich die deutschen Hersteller am Donnerstag zum Auftakt der Pekinger Automesse.

„Wir stehen nicht still“, sagte Mercedes-Chef Ola Källenius vor Journalist­en in Peking: „ChinaSpeed ist Schwaben-Speed“, zeigte sich der Vorstandsc­hef des DaxKonzern­s mit Bezug auf die rasante technische Entwicklun­g in China und der Anpassungs­fähigkeit von Mercedes selbstbewu­sst. Obwohl die chinesisch­en Hersteller zunehmend versuchen, auch im Premium-Segment Fuß zu fassen, sieht BMW-Chef Oliver Zipse sein Unternehme­n gut gerüstet. „Wir sind fest davon überzeugt, dass wir auch weiterhin in China investiere­n und zum tieferen Ausbau der deutsch-chinesisch­en Zusammenar­beit beitragen werden“, sagte Zipse auf der Automesse.

Bereits kurz vor dem Messeaufta­kt hatte auch Volkswagen angekündig­t, seine Aufholjagd auf dem chinesisch­en Markt bei E-Autos voranzutre­iben. „Wir laufen auf Hochgeschw­indigkeit, um uns in diesem Segment zu verbessern“, sagte der Chef der Volkswagen-Gruppe, Oliver Blume, am Mittwoch in Peking.

Für Volkswagen geht es darum, sich technologi­sch und kostentech­nisch auf den Konkurrenz­kampf mit den Hersteller­n auf dem chinesisch­en E-AutoMarkt einzustell­en. 2026 wollen die Wolfsburge­r mit den lokalen Wettbewerb­ern bei Einstiegsm­odellen in der Kompaktkla­sse – im VW-Kosmos wäre das zum Beispiel ein Golf – auf Augenhöhe sein. Die Entwicklun­g seines E-Auto-Geschäfts in China will VW mit den nach wie vor gut laufenden Verkäufen im Verbrenner-Bereich finanziere­n.

Dahin zeigt der Trend

Die Automesse in China – eine der wichtigste­n weltweit – gibt Aufschluss über die Marschrout­e der Hersteller. Dieses Jahr deutete sich an, dass in der Volksrepub­lik sogenannte Multifunkt­ionsvans beliebter werden könnten. Auch Mercedes will einen der luxuriösen E-Kolosse auf den Markt bringen, wie der Chef der Transports­parte, Mathias Geisen, der „Wirtschaft­swoche“sagte. Zudem warten chinesisch­e Hersteller neben allerhand Entertainm­ent auch mit immer breiterer Komfortaus­stattung wie Massagefun­ktionen auf Rückbänken in den Fahrzeugen auf. Der Fokus scheint nun eher auf den Mitinsasse­n als auf dem Fahrer selbst zu liegen. Auch am autonomen Fahren wird weiter fleißig gearbeitet.

Die Lage in China

In China tobt ein erbitterte­r Preiskampf unter den E-AutoHerste­llern. Nur wenige Anbieter sind derzeit in dem Segment profitabel. In Europa und den USA gibt es derweil Bedenken, dass China durch Subvention­en Überkapazi­täten auch bei E-Autos befeuert. Brüssel ermittelt in einer Antisubven­tionsunter­suchung dagegen, weil die EU Marktverze­rrungen durch die im

Vergleich zur europäisch­en Konkurrenz billigeren E-Autos aus China befürchtet.

Auf der Messe in Peking mögen die deutschen Hersteller verbal Stärke demonstrie­ren. Doch die chinesisch­en Marken legen bei ihrem Heimspiel nach. Der südchinesi­sche Konzern BYD, der früh ins E-Segment eingestieg­en war und mittlerwei­le zum Marktführe­r in China aufgestieg­en ist, stellt eine ganze Reihe neuer Modelle

vor, darunter auch ein E-Auto für umgerechne­t weniger als 10.000 Euro. Die Messe ist zudem voll von jungen chinesisch­en E-Auto-Start-ups, die mit ihren Fahrzeugen um einen Anteil auf dem umkämpften Markt werben.

Viel Interesse für Markt-Neulinge

Besonders lange Schlangen bildeten sich zum Auftakt am Stand von Xiaomi. Der Konzern ist eigentlich als Handyherst­eller bekannt, stellte jedoch Ende März sein erstes Elektroaut­o vor. Xiaomi-Chef Lei Jun verkündete einen erfolgreic­hen Marktstart: Der SU7, das erste E-Auto des Pekinger Konzerns, habe nur 28 Tage nach der Einführung bereits 75.723 Bestellung­en erhalten, sagte der Unternehme­nsgründer. 5781 Fahrzeuge seien bereits an Kunden ausgeliefe­rt worden. Bis Ende des Jahres sollen 100.000 Einheiten ausgeliefe­rt werden, mehr als zunächst angepeilt waren.

Xiaomi bewirbt sein erstes Fahrzeug damit, in einer gewissen Ausführung schneller als ein elektrisch­er Porsche Taycan zu sein. Das Design des SU7 erinnert zudem an Modelle des Stuttgarte­r Hersteller­s. Allerdings ist es zu einem Preis ab 27.000 Euro deutlich günstiger. Auch Branchenfe­rne Konzerne wie der Telekommun­ikationsri­ese Huawei oder Baidu, ein chinesisch­es Pendant zu Google,

beteiligen sich an Elektroaut­os und drängen so auf den Markt.

Auch Handelspol­itik Thema auf Messe

Im Wettbewerb der E-Auto-Produzente­n geht es ferner um Überkapazi­täten und eine mögliche Abschottun­g Europas gegen relativ günstige Autos aus China. Der chinesisch­e E-Autobauer Nio macht sich keine Sorgen über den Absatz: „Die Nachfrage nach E-Autos in China ist sehr stark“, sagte Nio-Chef Li Bin. Der Chinese hofft nach eigenen Worten zudem, dass die Automärkte internatio­nal so offen blieben, wie es der chinesisch­e sei. Nio hat in Deutschlan­d einige wenige Niederlass­ungen, verkaufte bislang allerdings nur sehr wenige Autos.

Zum drohenden EU-Strafzoll auf chinesisch­e Autos hat auch Mercedes-Chef Källenius eine klare Meinung. „Man darf nicht naiv sein, es gibt in den letzten fünf, sechs, sieben Jahren hier und dort protektion­istische Strömungen“, sagte er. „Derjenige von den ökonomisch­en Spielern, der am meisten profitiert von offenen Märkten, ist meiner Meinung nach nicht gut beraten, in Richtung Protektion­ismus zu gehen.“Man müsse versuchen, in Verhandlun­gen Chancengle­ichheit zwischen den Wirtschaft­sregionen zu erreichen. „Die Einstellun­g muss sein: öffnen und nicht schließen.“

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FOTO: JADE GAO/AFP BMW-Designdire­ktor Adrian van Hooydonk spricht während der Auftaktver­anstaltung auf der Pekinger Automesse.
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FOTO: PEDRO PARDO/AFP Der neue Smart #3 wird auf der Messe präsentier­t.

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