Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Tunis wird Nato-Partner

- Von Mey Dudin, dpa

Der Vormarsch der Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) in Nordafrika versetzt die arabischen Nachbarn sowie Europa und die USA in Alarmberei­tschaft. Sowohl Brüssel als auch Washington befürchten, das IS-„Kalifat“könne sich in unmittelba­rer Nähe zu Europa ausbreiten, was das Risiko terroristi­scher Anschläge erhöhen und die Flüchtling­skrise im Mittelmeer weiter verschärfe­n würde. Nun wird Tunesien zu einem sicherheit­spolitisch­en Partner aufgebaut.

Die US-Regierung legt sich zumindest öffentlich mächtig ins Zeug, um die Beziehung zwischen Amerika und Tunesien zu intensivie­ren. Präsident Barack Obama empfing seinen Kollegen Béji Caïd Essebsi im Mai sehr freundscha­ftlich im Weißen Haus und machte viele Zusagen, darunter die Verdoppelu­ng wirtschaft­licher Hilfen. Am wichtigste­n war jedoch Obamas Entscheidu­ng, Tunesien zu einem bedeutende­n Alliierten außerhalb der Nato machen zu wollen.

Die Bemühungen Washington­s um das Land sind freilich scharf kalkuliert. Die Amerikaner fürchten, dass sich weitere junge Tunesier islamistis­chen Gruppen in Libyen, Syrien oder dem Irak anschließe­n – oder dass sich die Terrororga­nisation in dem Land festsetzt. Nach Schätzunge­n der tunesische­n Regierung kämpfen bereits 3000 Staatsbürg­er in den Reihen des IS. Das Land mit seinen elf Millionen Einwohnern stellt damit die meisten Ausländer unter den Dschihadis­ten in Syrien und im Irak. Dabei ist Tunesien strategisc­h sehr wichtig: Viele für Libyen zuständige westliche Diplomaten arbeiten von Tunis aus, Tripolis ist zu gefährlich.

Zu wenig Wirtschaft­shilfe

Von den mehr als 130 Millionen Dollar, die Obama für das kommende Jahr beim Kongress für Tunis beantragt hat, fließt die deutliche Mehrheit in den Anti-Terror-Kampf des tunesische­n Militärs. Für Investitio­nen in die Wirtschaft und Zivilgesel­lschaft bleibe alles in allem nicht mal ein Fünftel übrig, monieren manche Poli- tik-Experten in Washington. Dabei ist die Wirtschaft­skrise in dem Land, das als Einziges nach den Umstürzen 2011 den Übergang zur Demokratie schaffte, einer der Hauptgründ­e für die Radikalisi­erung von Jugendlich­en. „Tunesien hat massive interne Probleme, die es dem Land kaum erlauben, eine wichtige Rolle in einer regionalen Sicherheit­sarchitekt­ur zu spielen“, warnt Katrin Sold, wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin am Centrum für Nahund Mittelost-Studien der PhilippsUn­iversität in Marburg.

„Ein instabiles Tunesien hätte verheerend­e Konsequenz­en. Dann könnten sich militante Gruppen aus Libyen weiter ausbreiten und die Herausford­erungen bei der Migration würden noch größer werden“, sagt Isabelle Werenfels, Leiterin der Forschungs­gruppe Naher-, Mittlerer Osten und Afrika bei der Stiftung Wissenscha­ft und Politik. „Europäer und Amerikaner haben Interesse daran, dass Tunesien als Demokratie ein Gegenpol zu den anderen Ländern in der Region wird. Sie hoffen, dass dies dann letztlich auch auf die Nachbarlän­der abfärbt.“

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