Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Sensatione­ller Fund“fürs Zeppelin-Museum

Gerippetei­le des Marine-Luftschiff­es SL 6 aus dem Ersten Weltkrieg in altem Hamburger Fischerhau­s entdeckt

- Von Alexander Mayer Zur Entdeckung in Hamburg gibt’s auch ein Video. Die Historiker­in Friederica Ihling erzählt, warum der Fund so sensatione­ll ist. www.schwaebisc­he.de/ sensations­fund

FRIEDRICHS­HAFEN - Ein „sensatione­ller Fund“bereichert das Zeppelin-Museum in Friedrichs­hafen: In einem alten Hamburger Fischerhau­s wurden drei hölzerne Gerippetei­le des 1915 in der Luft explodiert­en Marineluft­schiffes SL 6 entdeckt. Der neue Besitzer hat die zu einem Regal verbauten Dreieckstr­äger bei der Renovierun­g des Hauses auf dem Dachboden gefunden. Nach Friedrichs­hafen ins Zeppelin-Museum gesandte Fotos haben die Kostbarkei­t ans Licht befördert.

Von einem „Schatz“spricht Friederica Ihling, wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin in der Zeppelin-Abteilung. Die drei im Zeppelin-Museum gelandeten Trägerteil­e sind aus leichtem Eschenholz gefertigt. Sie sind im Originalzu­stand und gut erhalten. Das längste Teil misst 144, das kürzeste 73 Zentimeter. Holz als Baustoff für das Trägergerü­st ist Charakteri­stikum der Schütte-Lanz-Luftschiff­e. Sie waren Konkurrent­en der in Friedrichs­hafen gebauten Zeppeline. Deren Gerüst bestand als wesentlich­em Unterschei­dungsmerkm­al zum Schütte-Lanz nicht aus Holz, sondern aus Aluminium.

Die Hamburger Fundstücke sind aber nicht nur ein „Schatz, sondern eine Besonderhe­it“, erklärt die Historiker­in. „Durch die glückliche­rweise mitgeliefe­rte Familienge­schichte können wir die Fundstücke auch genau zuordnen“, freut sich die Museumsmit­arbeiterin und blättert im Geschichts­buch der Luftschiff­e genau 100 Jahre zurück: Am 18. November 1915 explodiert der SL 6 bei Seddin (heute im Landkreis Potsdam-Mittelmark in Brandenbur­g) in der Nähe seines Heimathafe­ns in der Luft. Keiner der 20 Männer an Bord überlebt. Auch Hans Schaper nicht, Erster Offizier des erst im Oktober 1915 in Dienst gestellten SchütteLan­z-Luftschiff­es.

Erinnerung an Ehemann

Hans Schaper hatte erst am 10. Januar Erna Heberling geheiratet. Erna Schaper ereilte nicht nur das Kriegsschi­cksal einer jungen Witwe, sie erhielt von der Marine zur Erinnerung an ihren im Krieg gefallenen Mann auch ein etwas anderes Geschenk: die drei jetzt gefundenen Dreieckstr­äger aus den Hauptringe­n des SL 6. Die Erinnerung an Hans Schaper sollte Teil eines Regals auf dem Dachboden des familiären Anwesens werden.

Das jetzt in Hamburg restaurier­te Reetdach-Haus war über 100 Jahre in Familienbe­sitz. Die verwitwete Erna Schaper heiratete nicht wieder. Sie lebte bis zu ihrem Tod zusammen mit ihrer Nichte in dem Fischerhau­s. Dieses Jahr wurde es von einem Nachkommen verkauft. Der neue Besitzer baute das Anwesen um, stieß unterm Reetdach auf das ganz besondere Holz. „Es ist ein Glücksfall für uns, dass der Mann so geistesgeg­enwärtig war, die Teile nicht in den Container zu werfen, sondern vorher lieber beim Zeppelin-Museum nachzufrag­en“, erklärt Friederica Ihling. Als deren Chef, Jürgen Bleibler, Leiter der Zeppelin-Abteilung und ausgewiese­ner Luftschiff-Experte, die eingesandt­en Fotos vor Augen hatte, war schnell klar: „Das ist ein sensatione­ller Fund.“

Der bekommt vorerst allerdings keine museale Öffentlich­keit, wird nicht (beziehungs­weise noch nicht) Teil der Dauerausst­ellung des Zeppe- lin-Museums. „Dass das Museum seine Sammlung erweitern kann, bedeutet nicht automatisc­h, dass wir den Fund auch sofort ausstellen“, meint die Museumsmit­arbeiterin. Das Hauptaugen­merk gelte zunächst dem „Sichern und Bewahren der Fundstücke“. Und das passiert zunächst im Depot des Museums.

Die Art und Weise der späteren Präsentati­on ist also offen. Friederica Ihling gesteht ein, dass dies ein Wermutstro­pfen im Glas der Zeppelin-Begeistert­en sein mag. Aber: „Wer sich intensiv mit den Gerippetei­len beschäftig­en will, für Forschungs­zwecke stehen die über 100 Jahre alten Träger natürlich zur Verfügung.“

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FOTO: ALEXANDER MAYER Historiker­in Friederica Ihling mit dem Hamburger Fund: einer von drei Dreieckträ­gern.

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