Schwäbische Zeitung (Laupheim)
„Sensationeller Fund“fürs Zeppelin-Museum
Gerippeteile des Marine-Luftschiffes SL 6 aus dem Ersten Weltkrieg in altem Hamburger Fischerhaus entdeckt
FRIEDRICHSHAFEN - Ein „sensationeller Fund“bereichert das Zeppelin-Museum in Friedrichshafen: In einem alten Hamburger Fischerhaus wurden drei hölzerne Gerippeteile des 1915 in der Luft explodierten Marineluftschiffes SL 6 entdeckt. Der neue Besitzer hat die zu einem Regal verbauten Dreiecksträger bei der Renovierung des Hauses auf dem Dachboden gefunden. Nach Friedrichshafen ins Zeppelin-Museum gesandte Fotos haben die Kostbarkeit ans Licht befördert.
Von einem „Schatz“spricht Friederica Ihling, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Zeppelin-Abteilung. Die drei im Zeppelin-Museum gelandeten Trägerteile sind aus leichtem Eschenholz gefertigt. Sie sind im Originalzustand und gut erhalten. Das längste Teil misst 144, das kürzeste 73 Zentimeter. Holz als Baustoff für das Trägergerüst ist Charakteristikum der Schütte-Lanz-Luftschiffe. Sie waren Konkurrenten der in Friedrichshafen gebauten Zeppeline. Deren Gerüst bestand als wesentlichem Unterscheidungsmerkmal zum Schütte-Lanz nicht aus Holz, sondern aus Aluminium.
Die Hamburger Fundstücke sind aber nicht nur ein „Schatz, sondern eine Besonderheit“, erklärt die Historikerin. „Durch die glücklicherweise mitgelieferte Familiengeschichte können wir die Fundstücke auch genau zuordnen“, freut sich die Museumsmitarbeiterin und blättert im Geschichtsbuch der Luftschiffe genau 100 Jahre zurück: Am 18. November 1915 explodiert der SL 6 bei Seddin (heute im Landkreis Potsdam-Mittelmark in Brandenburg) in der Nähe seines Heimathafens in der Luft. Keiner der 20 Männer an Bord überlebt. Auch Hans Schaper nicht, Erster Offizier des erst im Oktober 1915 in Dienst gestellten SchütteLanz-Luftschiffes.
Erinnerung an Ehemann
Hans Schaper hatte erst am 10. Januar Erna Heberling geheiratet. Erna Schaper ereilte nicht nur das Kriegsschicksal einer jungen Witwe, sie erhielt von der Marine zur Erinnerung an ihren im Krieg gefallenen Mann auch ein etwas anderes Geschenk: die drei jetzt gefundenen Dreiecksträger aus den Hauptringen des SL 6. Die Erinnerung an Hans Schaper sollte Teil eines Regals auf dem Dachboden des familiären Anwesens werden.
Das jetzt in Hamburg restaurierte Reetdach-Haus war über 100 Jahre in Familienbesitz. Die verwitwete Erna Schaper heiratete nicht wieder. Sie lebte bis zu ihrem Tod zusammen mit ihrer Nichte in dem Fischerhaus. Dieses Jahr wurde es von einem Nachkommen verkauft. Der neue Besitzer baute das Anwesen um, stieß unterm Reetdach auf das ganz besondere Holz. „Es ist ein Glücksfall für uns, dass der Mann so geistesgegenwärtig war, die Teile nicht in den Container zu werfen, sondern vorher lieber beim Zeppelin-Museum nachzufragen“, erklärt Friederica Ihling. Als deren Chef, Jürgen Bleibler, Leiter der Zeppelin-Abteilung und ausgewiesener Luftschiff-Experte, die eingesandten Fotos vor Augen hatte, war schnell klar: „Das ist ein sensationeller Fund.“
Der bekommt vorerst allerdings keine museale Öffentlichkeit, wird nicht (beziehungsweise noch nicht) Teil der Dauerausstellung des Zeppe- lin-Museums. „Dass das Museum seine Sammlung erweitern kann, bedeutet nicht automatisch, dass wir den Fund auch sofort ausstellen“, meint die Museumsmitarbeiterin. Das Hauptaugenmerk gelte zunächst dem „Sichern und Bewahren der Fundstücke“. Und das passiert zunächst im Depot des Museums.
Die Art und Weise der späteren Präsentation ist also offen. Friederica Ihling gesteht ein, dass dies ein Wermutstropfen im Glas der Zeppelin-Begeisterten sein mag. Aber: „Wer sich intensiv mit den Gerippeteilen beschäftigen will, für Forschungszwecke stehen die über 100 Jahre alten Träger natürlich zur Verfügung.“