Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Schäuble zweifelt an Kohls Ehrenwort
In einem Fernsehfilm rückt er die CDU-Spendenaffäre in ein neues Licht – Flick-Schatzkiste statt anonyme Spenden
BERLIN - Muss die CDU-Spendengeschichte neu geschrieben werden? Und wenn ja, interessiert das heute noch jemand? Offensichtlich ja, denn der ARD-Fernsehfilm „Schäuble – Macht und Ohnmacht“, der am kommenden Montag gezeigt wird, sorgt schon im Vorfeld für Aufregung.
Eigentlich geht es um Griechenland, Europa und den Euro. Um Schäuble als Krisenmanager, um seine Macht und um seine Ohnmacht. Doch Wolfgang Schäuble rechnet – en passant – auch mit Altkanzler Helmut Kohl ab.
Das Porträt von Stephan Lamby leuchtet Schäuble in vielen Facetten aus. Als ehrgeizigen, scharfsinnigen Politiker, der in seinem Leben auch einige Tiefschläge erleiden musste, in erster Linie natürlich das Attentat von 1990, das seine Querschnittslähmung zur Folge hatte. Ein anderer Wendepunkt war zehn Jahre später die CDU-Spendenaffäre, in deren Folge er als Vorsitzender der Christdemokraten zurücktreten musste.
Die Affäre ist abgeschlossen – die CDU hat für die an der Steuer vorbeigeschleusten Millionen Strafe gezahlt. Der frühere Kanzler und CDUVorsitzende Helmut Kohl weigert sich aber bis heute, die Namen seiner Spender zu nennen. Seine Anhänger rechnen ihm dies hoch an, schließlich beruft sich Kohl auf sein Ehrenwort gegenüber diesen anonymen Spendern.
„Es gibt keine Spender“, sagt Schäuble heute, „weil es aus der Zeit von Flick schwarze Kassen gab.“Wolfgang Schäuble hält Kohls Ehrenwort für erfunden. Er fügt zwar kurz hinzu, „vielleicht gibt es auch Spender“, aber er lässt wenig Zweifel, dass er persönlich nicht daran glaubt.
Politische Landschaftspflege
Flick-Gelder also? Die Flick-Affäre hatte damals die Bundesrepublik erschüttert. Der Flick-Konzern hatte CDU, CSU, SPD und FDP mit Spenden versorgt, Flick-Manager Eberhard von Brauchitsch bezeichnete das als „politische Landschaftspflege“, und auch Helmut Kohl stand öfter auf der Spendenliste. Die Spenden wurden über Spendenwaschanlagen, vor allem die sogenannte staatsbürgerliche Vereinigung, weitergegeben. Das Transparenzgebot wurde auf diese Weise umgangen.
Als in den 1980er-Jahren die schwarz-gelbe Bundesregierung (mithilfe des damaligen Kanzleramtschefs Wolfgang Schäuble) auch noch versuchte, eine Amnestie für diese Steuerhinterziehungen durchzusetzen, sprach der damalige Grüne Otto Schily von einem „ins Mark verfaulten Rechtsbewusstsein“. Der fatale Eindruck, dass Geld die Politik regiert, hinterließ tiefe Spuren in der Bevölkerung. Otto Graf Lambsdorff (FDP) wurde als früherer Wirtschaftsminister wegen Steuerhinterziehung für seine Partei verurteilt. Spielt nun diese alte Flick-Affäre in die CDU-Spendenaffäre hinein?
Die Spendenaffäre, laut Wolfgang Schäuble der „Salat, den er geerbt hat“, sollte er nun als CDU-Vorsitzender aufklären. Schnell geriet er aber selbst durch eine 100 000-EuroSpende des Waffenhändlers Schreiber in die Bredouille und trat ebenfalls als CDU-Chef zurück. Für Wolfgang Schäuble war es die politisch „schrecklichste Zeit“seines Lebens. Von einem „zweiten Rollstuhl“spricht gar seine Tochter Christine Strobl in dem Film.
Schäuble gesteht heute auch eigene Fehler ein, zum Beispiel jenen, dass er im Bundestag geleugnet hat, einen Koffer von Schreiber erhalten zu haben. Die Schuld an der Spendenaffäre aber gibt er Helmut Kohl, dem er Intrigen vorwirft.
Alte Rechnungen
Es sind alte Rechnungen, die Schäuble da aufmacht. Es ist nur eine kurze Passage im 75-Minuten-Film, die Schäubles Wirken zeigt. Längst hat seine Arbeit als Finanzminister alles andere überholt. Für Schäuble aber bleibt die Spendenaffäre belastend. Er hatte loyal hinter Kohl gestanden, umgekehrt galt dies nicht. Doch sollte Kohl nicht von sich aus einen neuen Anlauf zur Aufklärung der Spenden unternehmen, dann gilt wohl Schäubles berühmter GriechenlandSatz auch für diese Affäre: Sie „isch over“.