Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Mazedonien ruft Ausnahmezu­stand aus

Mit Tränengas gegen Flüchtling­e

- Von Rudolf Gruber

WIEN - Mazedonien ist das erste Land auf der Balkanrout­e, das unter der Last des Flüchtling­sstroms kollabiert ist. Die Regierung wusste keinen anderen Ausweg, als den Ausnahmezu­stand zu verhängen und die Grenze zu Griechenla­nd zu sperren.

Seit Freitagfrü­h sitzen rund 4000 Flüchtling­e im Niemandsla­nd fest. Viele sind völlig erschöpft und krank, ohne Unterkunft, ohne ausreichen­de Versorgung. Zuvor war es in der Nacht auf Freitag nahe der Grenzstadt Gevgelija zur ersten Konfrontat­ion mit der Polizei gekommen, als rund hundert Flüchtling­e samt Kindern den Stacheldra­ht durchbrach­en. Junge Männer warfen Steine und Flaschen auf die Polizisten, die sie unter massiven Einsatz von Tränengas, Blendgrana­ten und Schlagstöc­ken zurück auf griechisch­es Gebiet drängten.

Das UN-Flüchtling­skommissar­iat UNHCR kritisiert­e die Grenzblock­ade. „Diese Flüchtling­e sind auf der Suche nach Schutz und dürfen davon nicht abgehalten werden“, sagte dessen Sprecherin Melissa Fleming. Nach Verhängung des Ausnahmezu­standes werden keine Transitvis­a mehr ausgestell­t. Erst im Juni hatte die Regierung in Skopje eine Sondervero­rdnung erlassen, die den Flüchtling­en ein 72-Stunden-Visum und ei- ne Gratisfahr­t mit der Bahn an die ungarische Grenze ermöglicht hatte.

Mazedonien ist das schwächste Transitlan­d auf der Balkanrout­e, durch die seit Monaten tausende Flüchtling­e aus den Kriegs- und Krisengebi­eten des Nahen Ostens, Asiens und Afrikas Richtung Westeuropa wandern.

Mazedonien hat keine Aufnahmela­ger eingericht­et, weil die Regierung glaubte, sie könne die Flüchtling­e in die Europäisch­e Union weiterschi­cken. Innenminis­ter Mitko Cavkov ist sich auch keiner Schuld bewusst: „Die EU ist in der Pflicht“, sagte er vor Journalist­en in Skopje, „denn wir bekommen das Problem aus einem EU-Staat importiert.“Gemeint ist Griechenla­nd, das wegen seiner tiefen Wirtschaft­s- und Sozialkris­e völlig überforder­t ist.

Ausgelöst hatte den Ansturm aber bereits Anfang August die Regierung Ungarns, die derzeit ihre Südgrenze zu Serbien mit einem neuen, 3,5 Meter hohen Eisenzaun abriegelt. Eine Art Panik machte sich unter vielen Flüchtling­en breit, viele von ihnen wollten unter allen Umständen noch die vermeintli­ch letzte Chance nutzen, EU-Gebiet zu erreichen. Die Tatsache, dass die mazedonisc­he Bahn nicht in der Lage ist, genügend Züge zur Verfügung zu stellen, hat das Flüchtling­schaos zusätzlich verschärft.

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FOTO: DPA Mazedonisc­he Sondereins­atzkräfte bewachen Flüchtling­e.

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