Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Mazedonien ruft Ausnahmezustand aus
Mit Tränengas gegen Flüchtlinge
WIEN - Mazedonien ist das erste Land auf der Balkanroute, das unter der Last des Flüchtlingsstroms kollabiert ist. Die Regierung wusste keinen anderen Ausweg, als den Ausnahmezustand zu verhängen und die Grenze zu Griechenland zu sperren.
Seit Freitagfrüh sitzen rund 4000 Flüchtlinge im Niemandsland fest. Viele sind völlig erschöpft und krank, ohne Unterkunft, ohne ausreichende Versorgung. Zuvor war es in der Nacht auf Freitag nahe der Grenzstadt Gevgelija zur ersten Konfrontation mit der Polizei gekommen, als rund hundert Flüchtlinge samt Kindern den Stacheldraht durchbrachen. Junge Männer warfen Steine und Flaschen auf die Polizisten, die sie unter massiven Einsatz von Tränengas, Blendgranaten und Schlagstöcken zurück auf griechisches Gebiet drängten.
Das UN-Flüchtlingskommissariat UNHCR kritisierte die Grenzblockade. „Diese Flüchtlinge sind auf der Suche nach Schutz und dürfen davon nicht abgehalten werden“, sagte dessen Sprecherin Melissa Fleming. Nach Verhängung des Ausnahmezustandes werden keine Transitvisa mehr ausgestellt. Erst im Juni hatte die Regierung in Skopje eine Sonderverordnung erlassen, die den Flüchtlingen ein 72-Stunden-Visum und ei- ne Gratisfahrt mit der Bahn an die ungarische Grenze ermöglicht hatte.
Mazedonien ist das schwächste Transitland auf der Balkanroute, durch die seit Monaten tausende Flüchtlinge aus den Kriegs- und Krisengebieten des Nahen Ostens, Asiens und Afrikas Richtung Westeuropa wandern.
Mazedonien hat keine Aufnahmelager eingerichtet, weil die Regierung glaubte, sie könne die Flüchtlinge in die Europäische Union weiterschicken. Innenminister Mitko Cavkov ist sich auch keiner Schuld bewusst: „Die EU ist in der Pflicht“, sagte er vor Journalisten in Skopje, „denn wir bekommen das Problem aus einem EU-Staat importiert.“Gemeint ist Griechenland, das wegen seiner tiefen Wirtschafts- und Sozialkrise völlig überfordert ist.
Ausgelöst hatte den Ansturm aber bereits Anfang August die Regierung Ungarns, die derzeit ihre Südgrenze zu Serbien mit einem neuen, 3,5 Meter hohen Eisenzaun abriegelt. Eine Art Panik machte sich unter vielen Flüchtlingen breit, viele von ihnen wollten unter allen Umständen noch die vermeintlich letzte Chance nutzen, EU-Gebiet zu erreichen. Die Tatsache, dass die mazedonische Bahn nicht in der Lage ist, genügend Züge zur Verfügung zu stellen, hat das Flüchtlingschaos zusätzlich verschärft.