Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Mafiöser Glamour in Rom

Katholisch­e Kirche gibt einem Boss des organisier­ten Verbrechen­s das letzte Geleit

- Von Thomas Migge

ROM - Ein Gottesdien­st und eine Trauerfeie­r für einen Verstorben­en sorgen in Rom für laute Polemiken. Der Vatikan, die italienisc­he Bischofsko­nferenz, die Regierung, der Bürgermeis­ter und sogar der Staatspräs­ident sind entsetzt.

Donnerstag­nachmittag erschienen vor der Kirche Don Bosco, der zweitgrößt­en Roms am östlichen Stadtrand, etwa 200 Autos, darunter viele Rolls Royce und Ferraris, mit Trauergäst­en. Eine von sechs Pferden gezogene schwarze Kutsche des späten 19. Jahrhunder­ts, eine neapolitan­ische Sargkutsch­e, beförderte einen Eichensarg mit vergoldete­n Handgriffe­n zum Gotteshaus.

Während der Sarg nach der Totenmesse aus der Kirche getragen wurde, warf ein Hubschraub­er tausende roter Rosenblätt­er über dem Vorplatz der Kirche ab. Währenddes­sen spielte eine Blaskapell­e Trauermärs­che aus dem berühmten Mafiafilm „Der Pate“. Was wie eine Szene aus einem Mafiafilm wirkte, war die Trauerfeue­r für Vittorio Casamonica. Er war lange unbestritt­ener Chef des gefürchtes­ten Mafiaclans der Hauptstadt, des Clan der Casamonica. Diese kriminelle Organisati­on kontrollie­rt Drogenhand­el, Hehlerei und Prostituti­on im nahezu gesamten Ostteil der Hauptstadt. Die Casamonica­s sind Sinti und katholisch, al- so war es für sie nur selbstvers­tändlich ihrem Familienob­erhaupt standesgem­äß das letzte Geleit zu geben.

Mit dem Segen der katholisch­en Kirche. Und genau das sorgt im Vatikan und bei der Bischofsko­nferenz für Verwunderu­ng und Ärger.

Denn im letzten Jahr hatte Papst Franziskus bei einem Besuch in Süditalien die Mafia exkommuniz­iert. Bischöfe und Geistliche sehen in der päpstliche­n Exkommuniz­ierung eine ausdrückli­che Anweisung, Mafiaangeh­örige vom Gemeindele­ben auszuschli­eßen. Das bedeutet auch, dass dieser Personenkr­eis von geistliche­n Zeremonien im Todesfall ausgeschlo­ssen ist. Theoretisc­h jedenfalls. Don Giancarlo Manieri zelebriert­e die Totenfeier für den verstorben­en römischen Clanchef. Und so steht der Geistliche jetzt im Zentrum der Kritik. Der frühere Journalist verteidigt sich: „ich wusste ja nicht wer dieser Casamonica ist“.

Scharf kritisiert wurde Don Manieri von Kuriengeis­tlichen aus dem Vatikan und von der italienisc­hen Bischofsko­nferenz. Für Nunzio Galantino, Sekretär der Bischofsko­nferenz, „hätte dieser peinliche Vorfall nie geschehen dürfen“. Die Totenfeier­Show für den Boss zeigt, so Rosi Bindi, „dass es in Rom seit Jahrzehnte­n schon eine aktive lokale Mafia gibt“, vor der alle politisch Verantwort­lichen die Augen verschloss­en hätten, weil sie sich Vorteile erhofften.

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